Im
US-Haushaltsstreit wurde im von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus
endlich eine Einigung für eine Verschiebung der gesetzlichen Schuldenobergrenze um drei
Monate erzielt. Die Ende Februar drohende Zahlungsunfähigkeit (default) der USA wurde damit vorerst
abgewendet. Die Regierung von Präsident Obama kann also bis Mitte Mai Rechnungen
weiterhin wie gewöhnlich begleichen.
Vor
diesem Hintergrund erläutert Simon
Johnson in einem lesenswerten Artikel (“The
Debt Ceiling and Playing With Fire“) in NYTimes, was es mit der Schuldengrenze auf
sich hat.
Die
Entscheidungen im Hinblick auf die Ausgaben und Einnahmen erfolgen in den
meisten Ländern mit einem stillschweigenden, automatischen Entscheid im
Einklang damit, wie viele Schuldtitel ausgegeben werden sollen. Ausgaben abzüglich
Einnahmen in einem Jahr ergeben das jährliche Defizit (flow), während die Schulden der öffentlichen Hand einen Bestand (stock) an ausstehenden Schuldtiteln darstellt.
Das
Defizit ist also ein Fluss, und die
Verschuldung ist ein Bestand. Man
denke an eine Badewanne. Die Ausgaben sind wie das Wasser, das aus dem
Wasserhahn kommt und die Einnahmen sind das Wasser, das die Wanne verlässt. Wenn
es mehr Ausgaben gibt als Einnahmen, dann bleibt mehr Wasser in der Wanne. Und
die Menge an Wasser ist die Verschuldung. In den USA trifft der Kongress aus
historischen Gründen zwei separate Entscheidungen: die eine in Bezug auf den
Fluss (Ausgaben und Einnahmen) und die andere in Bezug auf den Bestand (die
sog. debt-ceiling,
Schuldenobergrenze).
Aber
sobald man eine Entscheidung trifft, was den Fluss in und aus der Badewanne betrifft, ist der Bestand zu einem bestimmten Zeitpunkt
gegeben. Was passiert, wenn der Kongress plötzlich entscheidet, dass das Wasser
in der Badewanne gedeckelt werden soll, ohne den Fluss in und out zu ändern?
Index of
Economic Policy Uncertainty, Graph: Scott
Baker & Nicholas Bloom, in: Economic Policy Uncertainty
Um
die Dinge kompliziert zu machen: Man beachte, dass ein Teil dieses Flusses
bereits engagiert ist, in Form von Zinszahlungen für bestehende Schuldtitel,
Gehälter für aktive Berufssoldaten und Sozialversicherungsleistungen usw. Man
kann also nicht plötzlich mehr Einnahmen aus der Luft schaffen.
Das
Hauptproblem ist, dass niemand weiss, was geschehen würde, wenn die Schuldenobergrenze
geknackt wird.
Wäre
die Regierung gezwungen, Zahlungsunfähigkeit (default) in Bezug auf einige Staatsanleihen zu erklären? Oder kommt
es zu einer anderen Art von default,
wie z.B. Zahlungseinstellung für Güter und Dienstleistungen, die bereits in
Anspruch genommen worden sind? Oder gibt es ein komplettes Chaos in
fiskalischen Angelegenheiten, ein Rückfall in die Mitte der 1780er Jahre?
In
der Vergangenheit war das Potential für die Verwirrung um die verbindliche
Schuldenobergrenze (debt ceiling) gut
verstanden. Die Schuldengrenze wurde ohne zu viel Aufregung angehoben. Und die
Partei in der Opposition hat es i.d.R. nicht auf einen realen Kampf ankommen
lassen, hebt Johnson hervor. Es gibt im Grunde genommen für den Kongress viele
andere Möglichkeiten, Einfluss auf die Einnahmen und die Ausgaben (flow) zu nehmen, ohne eine Unordnung zu schaffen,
darauf bestehend, dass der Bestand an Schulden mit früheren Verpflichtungen
nicht übereinstimme.
Das
hat sich jedoch im Sommer 2011 geändert, als einige Republikaner beschlossen,
die Obama-Regierung zu default zu
zwingen, wenn sie nicht kriegen würden, was sie wollten. Johnson hat damals vor Auswirkungen der Konfrontation im Hinblick auf die
Schuldengrenze für den Staatshaushalt gewarnt, weil dadurch viel Unsicherheit ausgelöst würde, was am Schluss die
Erholung der Wirtschaft bremsen würde.
Die Unsicherheit hat weltweit zu einem Anstieg der Risikoaufschläge an den Anleihemärkten
geführt und in der Euro-Krise den Druck auf die Peripherie verstärkt. Der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor legt nun nahe, dass aufgrund der politischen Spiele demnächst erneut mit Unsicherheit
zumindest in Höhe von Sommer 2011, wenn nicht sogar höher zu rechnen ist.
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