Die
neue japanische Regierung hat neulich ein weiteres grosses Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Das Stimulus-Paket in Höhe von 20,2
Billionen Yen (ca. 170 Mrd. Euro) soll die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
wiederbeleben.
Der
japanische Premierminister Shinzo Abe,
die die Wahl im Dezember gewonnen hat, unternimmt also einen keynesianischen Versuch.
Seine Motive sind jedoch ungewiss. Lehnt Abe die gängige Meinung in Bezug auf
die Staatsausgaben ab? Oder will er einfach die japanische Zentralbank (BoJ) in die Zange nehmen? Abe wird nämlich
nachgesagt, dass er an Wirtschaft kaum Interesse hat.
Warum
braucht aber Japan ein Konjunkturprogramm? Das ist eine interessante Frage, die
Noah Smith in seinem Blog aufwirft. Die Arbeitslosigkeit ist in Japan im Vergleich zu EU und
den USA relativ niedrig. Die japanische Wirtschaft scheint zudem in einer
besseren Lage zu sein als viele Marktbeobachter denken.
Davon
abgesehen steht aber fest, dass Japan weltweit die einzige fortentwickelte
Volkswirtschaft ist, die gleichzeitig fiskal- und geldpolitischen Stimulus fördert,
um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, während die
Wirtschaftspolitik in der gesamten fortgeschrittenen Welt von der
Austerian-Orthodoxie dominiert wird, wie Paul
Krugman in seinem Blog betont.
Auch
wenn überall dort, wo explizit keine Austerität-Politik betrieben wird, wie
z.B. in den USA, führt die Angst vor Haushaltsdefizit zu einer „Gürtel-enger-schnallen“-Politik
(fiscal tightening), während die Geldpolitik
zu kurz greift, und die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt.
Reales
BIP-Wachstum im Vergleich: Die USA, die EU und Japan, Graph: Prof. Paul Krugman
Abe
hat wiederholt hervorgehoben, dass er von der BoJ erwartet, weiterhin
Liquidität in den Markt zu pumpen. Das ist bemerkenswert, da Japan im Angesicht
der Staatsschulden von rund 200% des BIP als warnendes Beispiel weltweit gehandelt
wird.
Es
gab insbesondere im Jahr 2009 viele Berichte, dass Japan in eine Katastrophe steuere. Eigentlich nicht. Die japanischen
langfristigen Zinsen sind im Frühjahr 2009 zuerst angestiegen, nicht wegen der Angst
vor Bond Vigilantes, sondern weil Hoffnungen auf eine Erholung der Wirtschaft
aufkamen. Dann, nachdem die Hoffnungen verblasst sind, sind die Zinsen am
langen Ende der Ertragskurve wieder gesunken. Und heute notieren sie deutlich
unter 1 Prozent.
Nach
der Ankündigung des aktuellen Stimulus-Pakets sind die Zinsen in Japan nicht
durch die Decke geschossen. Der Yen hat sich abgewertet, was für Japan ein
Segen bedeutet, weil dadurch das Exportgeschäft gefördert wird.
Angesicht
der Tatsache, dass Japans Bevölkerung im erwerbstätigen Alter schrumpft, ist es
anzunehmen, dass Japans Wirtschaft sich nahe an Potential Output (Potenzialwachstum) befindet als die USA.
Wenn
es Japan aber relativ gut geht, in zyklischer Hinsicht, ist es noch lange nicht
klar, warum für das Land makroökomische Vorsicht angebracht sein soll, wie
Krugman unterstreicht. Schliesslich hat Japan ein lange währendes monetäres Problem: anhaltende
Deflation, was bedeutet, dass Japans reale Zinsen deutlich über denen der USA
gewesen sind, auch wenn die nominellen Zinsen niedrig sind.
Japan
muss also aus der Deflation-Falle kommen. Und die Situation, wo die Wirtschaft
nicht ganz durchhängt, ist eine gute Zeit, um dagegen etwas zu unternehmen.
Vor
diesem Hintergrund macht Krugman auf die Inflationserwartungen in Japan
aufmerksam. Gemessen an Break-even Sätzen (5 Jahre) sind die
Inflationserwartungen bereits vor der Amtsübernahme von Abe angestiegen, was
vielleicht damit zu tun hat, dass die Daten damit eine Veränderung im politischen
Umfeld widerspiegeln, dass die Zeit der Unabhängigkeit der BoJ, monetäre Orthodoxie
zu verhängen, zu Ende geht. Im Zusammenhang mit einer expansiven Fiskalpolitik
bedeutet das Ganze, dass die deflationäre Ära in Japan endlich zu Ende kommt,
hält Krugman fest.
Es
sieht so aus, als ob Japan heute genau das tun würde, was aus Sicht der
Wirtschaftspolitik in einer Depression zu tun ist, unabhängig davon, welche
Motive die gegenwärtige japanische Regierung sonst verfolgt.
Japans
Wirtschaft führt also die Besonderheiten einer Wirtschaft, die auf der Null
Grenze (zero lower bound) steckt,
demonstrativ vor Augen. Und wenn man als Ökonom eine verzogenen ästhetischen
Sinn hat, ist es eigentlich ganz schön, zu beobachten, dass es sich dabei um
gute Nachrichten für Japan handelt.
Bemerkung:
(Nur
für Streber)
Der
wichtige Punkt ist, sich zu vergegenwärtigen, dass die japanischen kurzfristigen
Zinsen knapp auf der Null-Grenze liegen, die langfristigen Zinsen hingegen
nicht. Aber auch sie sind immer noch eingeschränkt, weil sie den Durchschnitt
der in Zukunft erwarteten kurzfristigen Zinsen reflektieren. Da die
kurzfristigen Zinsen nur noch steigen können, also nicht mehr fallen, bleiben
auch die langfristigen Zinsen irgendwie über Null, unabhängig davon, wie
schlecht das gegenwärtige Umfeld der Wirtschaft ist.
Die langfristigen Zinsen sind
also als Teil dieses Prozesses ziemlich starr (sticky), wobei sie auf die Veränderungen in den wirtschaftlichen Fundamentaldaten
nur geringfügig reagieren. Die japanischen Zinsen am langen Ende der
Ertragskurve sind infolgedessen viel weniger gefallen als in anderen
fortentwickelten Ländern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen