Es
ist in diesen Tagen schwer, das Fernsehgerät einzuschalten oder einen
Leitartikel zu lesen, ohne zu beobachten, wie jemand mit grosser
Ernsthaftigkeit erklärt, dass die übermässigen Staatsausgaben und das daraus
resultierende Haushaltsdefizit unser grösstes Problem sind, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten
Kolumne („The Dwindling Deficit“) am
Freitag in NYTimes.
Solche
Erklärungen werden argumentativ kaum begründet, als ob alle es ohnehin kennen
müssten. Dies ist jedoch ein Fall, wo jeder genau weiss, dass es nicht stimmt,
hält Krugman fest.
Es
ist wahr, dass wir derzeit ein grosses Haushaltsdefizit haben. Aber das Defizit
ist vor allem das Ergebnis der schwer angeschlagenen Wirtschaft. Und es bedarf
in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft eines Defizits, um die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, erläutert der an der University of Princeton lehrende
Wirtschaftsprofessor weiter. Das Defizit wird zurückfallen, wenn die Wirtschaft
sich erholt, was ja bereits erfolgt.
Die
Frage ist jedoch, ob die Erholung der Wirtschaft ausreicht, den fiskalpolitischen
Ausblick zu stabilisieren? Die Antwort ist laut Krugman ein klares Ja: Der
Haushalt-Ausblick für die nächsten 10 Jahre ist nicht alarmierend.
Projektionen,
die sich weit in die Zukunft strecken, sind mit Vorsicht zu geniessen, weil
eine alternde Bevölkerung und steigende Kosten im Gesundheitssektor die
Staatsausgaben höher antreiben. Aber die Frage ist, die nie ernsthaft gestellt
wird, warum wir uns heute schon darum kümmern sollen, wie wir die
Haushaltssitutation in den 2030er Jahren angehen wollen?
Man
betrachte z.B. den Fall Social Security. An diesem Punkt
beziehen sich „Reformvorschläge“ auf allmähliche Kürzung der Leistungen. Der
Plan ist also so ausgelegt, dass man heute vermeiden will, in Zukunft die
Leistungen zu kürzen, indem man sich heute verpflichtet, in Zukunft die
Leistungen zu kürzen. Nicht wahr?
Und
die gleiche Logik gilt auch für Medicare (der staatliche
Gesundheitsdienst für Rentner). Es gibt also ein vernünftiges Argument dafür,
die Frage, wie mit den zukünftigen Problemen umzugehen ist, Politikern zu
überlassen, begründet Krugman seine Auffassung.
Es
gibt also auf die mittlere Sicht kein Problem, sich um die langfristigen
Budget-Fragen jetzt schon Sorgen zu machen.
Die
Defizit-Schimpfer beherrschen die Debatte, indem sie sich gegen jeden Versuch
stellen, ihr Lieblingsthema nicht untergehen zu lassen. Sie mögen es in einer
Atmosphäre der Finanzkrise zu leben, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, sich
am Kinn zu kraulen und seriös zu klingen. Und es bietet einen Vorwand, die
Sozialprogramme zu kürzen, was offensichtlich ihr wahres Ziel ist.
Aber weder das gegenwärtige
Defizit noch die erwarteten künftigen Ausgaben verdienen es, in den oberen
Bereich der politischen Tagesordnung gestellt zu werden. Es ist Zeit, sich um
andere Sachen zu konzentrieren, wie z.B. die schwer angeschlagene Wirtschaft
und das schreckliche Problem der Langzeitarbeitslosigkeit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen