Die
Wiederwahl von Präsident Obama war wie ein Rorschach-Test, offen für viele
Interpretationen, schreibt Joseph
Stiglitz in einem lesenswerten Artikel („Inequality is holding back the recovery“) in NYTimes.
Der
an der Columbia University lehrende
Wirtschaftsprofessor betont, dass beide Seiten in dieser Wahl über Themen
diskutiert hätten, die ihn nach eigenen Angaben tief beunruhigen: die lange
Malaise, wo die Wirtschaft sich festfährt, und die wachsende Kluft zwischen dem
1% und dem Rest, eine Ungleichheit, nicht nur mit Bezug auf die Ergebnisse,
sondern auch auf die Gelegenheiten.
Diese
Probleme sind zwei Seiten derselben Medaille: mit der Ungleichheit auf dem
höchsten Stand seit vor der Depression wird es schwer, eine robuste Erholung
der Wirtschaft auf kurze Sicht zu
erreichen. Und der amerikanische Traum , ein gutes Leben im Austausch für harte
Arbeit, schmilzt auch langsam dahin.
Politiker
sprechen i.d.R. über steigende Ungleichheit und die schleppende Erholung der
Wirtschaft als getrennte Phänomene, wenn sie tatsächlich miteinander
verflochten sind. Ungleichheit erstickt, beschränkt und hält das Wachstum
zurück, hält der Träger des Wirtschaftsnobelpreises fest.
Auch
wenn the Economist, die free-market-orientierte Zeitschrift
argumentiert, wie in einem speziellen Artikel im Oktober, dass das Ausmass und die Art der Ungleichheit eine
ernsthafte Bedrohung für Amerika darstelle, sollten wir wissen, dass etwas
Schreckliches schief gelaufen ist. Und doch, nach vier Jahrzehnten der
Ausweitung der Ungleichheit und dem schwersten Abschwung seit der Depression, wurde
dagegen nichts unternommen.
Es
gibt laut Stiglitz vier Hauptgründe, warum die Ungleichheit die Erholung der
Wirtschaft zermalmt.
Der
unmittelbarste Grund ist, dass die Mittelschicht zu schwach ist, um die
Konsumausgaben zu fördern, was historisch gesehen das Wirtschaftswachstum
ankurbelt. Während die Top 1% 93% des Wachstums bei den Einkommen (2010) in
Anspruch nimmt, verfügen die Haushalte in der Mitte über weniger Einkommen
(inflationsbereinigt) als im Jahr 1996.
Der
zweite Grund ist, dass die Mittelschicht seit den 1970er Jahren ausgehöhlt
wird: ein Phänomen, welches in den 1990er Jahren nur kurz unterbrochen wurde,
was bedeutet, dass die Mittelschicht nicht in der Lage ist, in ihre Zukunft zu
investieren, z.B. durch die Bildung der Kinder und durch den Start oder die
Verbesserung des Geschäftslebens.
Der
dritte Grund ist, dass die Steuereinnahmen wegen der gebeutelten Mittelschicht
zurückfallen, insbesondere weil die obere Schicht so geschickt ist, Steuern zu
vermeiden, dass sie immer wieder in den Genuss von Steuererleichterungen von Washington
kommt. Niedriges Steueraufkommen bedeutet, dass die öffentliche Hand keine
Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Forschung und Gesundheit tätigen kann,
was für die Wiederbelebung der Stärke der Wirtschaft entscheidend ist.
Der
vierte Grund ist, dass die Ungleichheit mit häufigeren und schwereren Boom-Bust-Zyklen zu tun hat, die die
Wirtschaft anfällig und verwundbar machen. Obwohl die Ungleichheit
die Krise nicht direkt verursacht hat, ist es kein Zufall, dass die 1920er
Jahre (die letzte Zeit, wo die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in den USA
so hoch war) in Great Crash und Depression mündeten. Der IWF hat zwar auf die systematische
Beziehung zwischen wirtschaftlicher Instabilität und der wirtschaftlichen
Ungleichheit hingewiesen. Aber die Politiker haben die Lehre nicht kapiert,
fasst Stiglitz zusammen.
Es gibt viele Ausreden für
die Ungleichheit. Einige sagen, dass es ausserhalb unserer Kontrolle geschieht:
Marktkräfte wie Globalisierung, Liberalisierung des Handels, technologische
Revolution usw. Andere wiederum behaupten, dass dagegen etwas zu unternehmen,
uns schlechter stellen und den Wirtschaftsmotor erwürgen würde. Das sind alles
selbstsüchtige, ignorante Unwahrheiten. Marktkräfte existieren nicht einfach in
einem Vakuum. Sie werden von Menschen gestaltet.
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