James Bullard, der Präsident der regionalen Federal Reserve Bank von St. Louis hat
neulich in einem Vortrag („The Global
Battle Over Central Bank Independence“) vor einer Politisierung der Zentralbanken
gewarnt und als Beispiel auf die EZB
hingedeutet.
Bullard
betrachtet Stabilisierung via Fiskalpolitik irritierend als eine zwangsläufige
Gefährdung der Unabhängigkeit der Zentralbank und scheint die europäische Geldpolitik
zu missverstehen und übersieht das offensichtliche Beispiel der jüngsten
Ereignisse in Japan, antwortet Tim Duy
in seinem Blog darauf.
Bullard beschreibt am Anfang seiner Rede die gängige Meinung, was das
Verhältnis zwischen Fiskal- und Geldpolitik betrifft. Die Fiskalpolitik legt
den Schwergewicht grundsätzlich auf die mittlere und längere Sicht, da sie für
kurzfristige Stabilisierung schlecht geeignet ist. Kurzfristig steuert die Geldpolitik
das Ruder, oder genauer gesagt, eine unabhängige monetäre Behörde. Bullards
Schilderung gerät jedoch schnell aus den Fugen:
Die Zentralbank der G7 Länder stossen mit nominalen Zinsen auf die Null Grenze (zero lower bound).
Dies führt dazu, dass viele beginnen, über die Notwendigkeit von Fiskalpolitik zu reden und makroökonomische Stabilisierungspolitik durchzuführen.
Die üblichen politischen Hürden verschaffen sich Geltung und lösen ein finanzpolitisches Durcheinander aus, nicht besonders mit makroökonomischen Ereignissen im Einklang stehend.
Die
Null Grenze (zero lower bound) an
sich hat das Interesse an Stabilisierung durch Fiskalpolitik nicht gesteigert. Es
war ganz im Gegenteil die Unfähigkeit der Zentralbanken, die wirtschaftliche
Aktivität zu stabilisieren, was das Augenmerk auf die Fiskalpolitik gerichtet
hat, argumentiert Duy, mit dem Hinweis auf die Lücke zwischen privaten
Ersparnisse und Investitionen.
Private
Ersparnisse und Investitionen, Graph:
Prof. Tim Duy in Tim Duy’s Fed Watch
Wie
gross die Lücke ist, kann man anhand der folgenden Abbildung besser sehen.
Private
Ersparnisse minus private inländische Investitionen, Graph: Prof. Tim Duy
Was
ist also der Unterschied? Das Ausmass der Verlagerung. Während es vernünftig
ist, anzunehmen, dass die Geldpolitik als Instrument für die Stabilisierung von
relativ kleinen Störungen in Bezug auf Wirtschaftstätigkeit vorzuziehen ist,
ist es nicht offensichtlich, dass dasselbe auch für grosse Störungen gilt, v.a.
wenn die Wirtschaft auf der Null Grenze liegt. Es ist in der Tat die anhaltende
Produktionslücke (output gap), die das Interesse an der Fiskalpolitik
ausgelöst hat, nicht die Null.Grenze selbst, erklärt der an der University of Oregon lehrende
Wirtschaftsprofessor. Glaubt aber Bullard, dass die US-Wirtschaft heute ohne
fiskalpolitische Antwort in einem
besseren Zustand wäre?
Es
ist auch nicht ganz klar, von welchen „politischen Hürden“ Bullard spricht.
Aber Duy meint, dass der Aufstieg der Austerians das Haupthindernis für eine wirksame
Fiskalpolitik ist, die glauben, dass das Wirtschaftswachstum nur durch
Defizitabbau erreicht werden kann. Man würden denken, dass die Ereignisse im
Euro-Raum diese Ansicht diskreditiert hätten, weil es immer offensichtlicher
wird, dass die Fiskal-Multiplikatoren
grösser sind als bisher angenommen. Aber Bullard ist davon offensichtlich nicht
abzubringen.
Bullard
scheint ausserdem den Beweis finden zu wollen, dass die Geldpolitik heute dennoch
eine wirksame Konjunkturpolitik bieten kann. Die Inflation ist im Allgemeinen
nahe Zielwert gelieben, anstatt dramatisch zu fallen, legt Bullard dar. Aber er
ignoriert die Evidenz, dass die Inflation nicht dramatisch fallen kann, wenn
die Löhne nach unten starr (nominal wage rigidities) sind. Was
Bullard ferner nicht berüchsichtigt, ist die hohe Arbeitslosigkeit oder die
Produktionslücke (output gap).
Bullard
behauptet, dass die Geldpolitik in Europa
wegen des Ankaufprogramms der EZB für Staatsanleihen aus der Peripherie (OMT) "fiskalisiert“ wird.
Hier
werden aber Äpfel mit Oragen verwechselt. Es geht um das Thema, ob die
Fiskalpolitik auf kurze Sicht als Instrument für die Stabilisierung der
Wirtschaft eingesetzt werden kann oder nicht. Nur im Phantasie-Land der
Austerians stabilisiert Fiskalpolitik die europäische Wirtschaft, hält Duy
fest. Bullard argumentiert, dass die Geldpolitik wegen OMT die Unabhängigkeit
verliert. Das Problem ist aber, dass genau das Gegenteil wahr ist. Es ist die
Fiskalpolitik, die auf Gedeih und Verderb der EZB schutzlos ausgeliefert ist.
Mit
dem Versprechen, Staatsanleihen von den von der Euro-Krise am stärksten
betroffenen Staaten zu kaufen, monetisiere die EZB die Schulden, warnt Bullard. Die EZB war aber gezwungen, als
Zentralbank die „lender of last resort“-
Aufgabe zu erfüllen. Bullard scheint daher kein Verständnis für die komplexe
Wirtschaftspolitik Europas aufzubringen. Die EZB ist nicht in die Rolle der
Fiskalpolitik gezogen worden, wie sie die Rolle der Geldpolitik ausüben muss.
Das
europäische Experiment hat laut Duy mit grossen strukturellen Störungen
begonnen. Es fehlt an einer gemeinsamen Fiscal
Authority. Eine Zentralbank, die sich nicht verpflichtet fühlt, als lender of last resort zu agieren, befürwortet tendenziell Austeritätspolitik, auch im
Angesicht einer sich vertiefenden Rezession. Das Ergebnis ist eine Katastrophe.
Eine Standardanalyse einer Zentralbank ohne ein deutliches fiskalisches
Gegenstück macht daher keinen Sinn. Europa ist wegen der schlechten Politik in
allen Bereichen geplagt, unterstreicht Duy.
Fazit: Es ist eine verwirrende Rede von
Bullard. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass die Unabhängigkeit der Geldpolitik
gefährdet ist. Die Umsetzung der Fiskalpolitik bedeutet nicht unbedingt, dass
die Geldpolitik die Unabhängigkeit verliert. Die Währungsbehörde kann es immer
noch vorziehen, sich gegen die Fiskalpolitik zu stellen. Der Verlust an
Unabhängigkeit käme zum Vorschein, wenn die Zentralbank eine Fiskalpolitik
unterstützen würde, in einer Art und Weise, dass die Inflation kräftig anzieht.
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