In
der Türkei ist gerade das neue Kapitalmarktgesetz durch die türkische
Finanzmarktaufsichtsbehörde (SPK: Sermaye Piyasasi Kurulu) erlassen worden.
Die
Societe General (SocGen) hat alle
Mitarbeiter aufgefordert, alle Kommentare über die Türkei bis die Überprüfung
der neuen Rechtsvorschriften abgeschlossen ist, sofort einzustellen.
Das
neue Kapitalmarktgesetz sieht nämlich Gefängnisstrafen (von 2 bis 5 Jahren) für
diejenigen vor, die unwahre, falsche oder irreführende Angaben machen, Gerüchte
verbreiten oder Nachrichten, Kommentare oder Berichte bereitstellen, mit der
Absicht, Einfluss auf die Preise oder Werte von Kapitalmarktinstrumenten zu
nehmen oder Investment-Entscheide von Investoren zu beeinflussen.
Die
Analysten im Ausland und im Inland sind insbesondere vom Inhalt des
einschlägigen Abschnitts in Bezug auf Marktkommentare überrascht, ja sogar
schockiert, da die Behörden sich seit geraumer Zeit um eine „investorenfreundliche
Umgebung“ bemühen. Istanbul soll beispielsweise zum internationalen Financial Center werden. Im asiatischen
Teil der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei wird eifrig am Aufbau eines
Finanzdistriktes geackert, wo die staatlichen Banken wie Halkbank, Vakifbank
und Ziraat Bank demnächst umziehen sollen.
Bank of America
Merrill Lynch und Commerbank AG haben laut Bloomberg mitgeteilt, dass sie
vorerst überprüfen wollen, wie das neue Gesetz ihre Geschäfte in der Türkei tangiert.
Allem Anschein nach sind in erster Linie Analysten, Journalisten und Blogger von der neuen Finanzmarktregulierung betroffen.
Mark Mobius hat Interview-Anfragen aus der Türkei laut
Medien mit dem Hinweis auf die neue Gesetzgebung abgelehnt. Der Managing
Director von Templeton Emerging Markets
Funds verfügt über ein Portfolio in Höhe von ca. 1 Mrd. $ in der Türkei.
Die neue Gesetzgebung
soll angeblich die Marktmanipulation unterbinden. Aber es steht jetzt schon
fest, dass dadurch auch die Qualität der Informationen im Hinblick auf den
Finanzmarkt, die für Investoren zur Verfügung stehen, aufs Spiel gesetzt wird. Stichwort:
Informationsasymmetrie zu Ungunsten von (Klein-) Investoren.
Die Definition von
„Kriminalität“ im betreffenden Artikel scheint v.a. ziemlich subjektiv, nicht
eindeutig in gesetzlicher Sicht formuliert. Die Aussage eines Analysten, dass
am Aktienmarkt eine Spekulationsblase entsteht, kann demnach als Straftat
geltend gemacht werden, wenn der Analyst z.B. von einem Politiker deswegen
angeklagt wird. Aber auch ein Kommentar wie „die Zinsen dürften in den
kommenden Quartalen kräftig steigen“ kann als Verstoss gegen das Gesetz
interpretiert werden. Der Bericht eines Marktbeobachters, dass die Prognosen
der Regierung im Hinblick auf die Inflation und das Wirtschaftswachstum „nicht
zutreffen dürften“, kann als Vergehen zählen.
Gut informierte Journalisten vor Ort berichten,
dass die religiös geprägte Regierung damit Ansichten, die von der offiziellen
Ansicht abweichen, unterbinden will. Es kommt natürlich auf die Anwendung der
neuen Vorschriften in der Praxis an. Wie werden z.B. die Staatsanwälte damit
umgehen? Das neue Kapitalmarktgesetz dürfte aber auf alle Fälle wie ein
Damoklesschwert über dem Finanzmarkt hängen.
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