US-Präsident scheint es mit der umfassenden Finanzmarktreform endlich ernst zu meinen. Die neuen Vorschläge zielen darauf ab, die übermässige Risikobereitschaft der Banken zu verringern. Die Volcker-Regel will in erster Linie den Eigenhandel der Banken einschränken. Martin Wolf befasst sich in einem Essay in FT mit der praktischen Umsetzung neuer Massnahmen. Er bewundere Herrn Volcker und unterstütze seinen Wunsch nachdrücklich, einen Finanzsektor zu entwickeln, der der Wirtschaft im Allgemeinen dient. Ebenso stimme er zu, dass ein Teil der Lösung in der Tat strukturell ist. Aber diese Vorschläge seien, obwohl wünschenswert, weder praktisch noch relevant, so Wolf. Er bezweifelt, wie die Grösse einer Grossbank zu bemessen ist und verweist zu Recht auf die problematische Existenz von Schattenbanken-System. Es gehört bestimmt abgeschafft. Wolf plädiert aber für eine „radikalere“ Reform, ohne allerdings genauer zu erklären, wie sie aussehen soll.
In dieser Krise seien die Investitionen von Banken in Hedge Fonds, Private Equity und auch Eigenhandel (prop trading) nicht Kern dessen gewesen, was falsch gelaufen ist. Ooh, doch! Es sei einfach, gegen die Grossbanken in die Offensive zu gehen, aber der Ausfall eines kleinen hoch vernetzten Finanzinstitutes (Lehman) habe sich enorm wichtig erwiesen. Das stimmt auch nicht ganz. Da erstens die TBTF-Problematik auf jeden Fall auch die „too interconnected to fail“-Problematik umfasst. Und zweitens wird heute ein Jahr nach dem Ausbruch der Krise offenbar vergessen, dass Bear Stearns nach der Insolvenz von zwei hauseigenen Hedge Fonds in Schieflage geraten war. Wenn der Verschuldungsgrad der betreffenden Bank exzessiv ist, dann spielt es keine Rolle, wie gross das Finanzinstitut ist. Was zählt ist, wie hoch die Bank vernetzt ist (interconnected), weil es in Krisensituationen auf die enge Verknüpfung mit wichtigen Gegenparteien ankommt. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, die sog. „net capital rule“ nocheinmal in Erinnerung zu rufen. Die Regel war eingeführt worden, um sicherzustellen, dass die Wall Street Finanzinstitute über genügend Eigenkapital verfügen. Es galt ein Verschuldungsgrad (debt-to-net capital ratio) von 12 zu 1. Das heisst, dass ein Finanzinstitut auf 1$ EK höchstens 12$ FK aufnehmen darf. Im Jahre 2004 haben sich aber die fünf führenden Finanzinstitute (Goldman Sachs, Merrill Lynch, Lehman, Bear Stearns und Morgan Stanley) mit der Bitte an die US-Börsenaufsicht SEC gewandt, eine spezielle Ausnahme zu erlassen: Die Investmentbanken, welche über eine Marktkapitalisierung von mehr als 5 Mrd. $ verfügen, sollten von der Einhaltung der „net capital rule“ befreit werden. Die SEC ging auf den Wunsch ein. Die Ausnahmeregelung wurde ironischer Weise "Bear Stearns Rule" genannt. Prompt kletterte der Verschuldungsgrad der erwähnten Finanzinstitute auf 30, 35, ja bis sogar auf 40 zu 1. Nur vier Jahre danach ist Bear Stearns zusammengebrochen. Lehman ging pleite. Und die restlichen Finanzinstitute haben ihren Status als Investmentbank verloren.
Notwendig sind also (1) präventive Massnahmen und (2) Massnahmen, die dazu beitragen, die Kosten einer Krise zu reduzieren, wie die SNB vorschlägt. Ein Finanzinstitut muss scheitern können, ohne dass die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Es gilt auf alle Fälle, zu verhindern, dass Gewinne privatisiert, die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden. Dazu bedarf es international anerkannter Vorschriften, um die TBTF-Problematik wirksam anzugehen. Es führt kein Weg daran vorbei, Kapital- und Liquiditätsanforderungen zu erhöhen. Am wichtigsten ist es, den Verschuldungsgrad (leverage ratio) direkt zu beschränken. Dann ergibt sich die gesuchte Grösse von Finanzinstituten.
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