Der Kollaps von Lehman Brothers, der Notverkauf von Merrill Lynch und der akute Kapitalbedarf von AIG lassen die Märkte weiter zittern. Die Schockwellen sind so hoch, dass dabei zu Recht von der Gefahr einer systemischen Kernschmelze geredet werden darf. Der brillante Marktbeobachter Nouriel Roubini, Wirtschaftsprofessor an der New Yorker Uni Stern School of Business erklärt, dass alle bisher unabhängige Investmentbanken verschwinden würden. Die restlichen sollen sich beeilen, sich Partner oder Käufer zu finden. Denn das Geschäftsmodell sei nicht tragbar: kurzfristig Geld leihen und langfristig investieren. Und zwar mit einem wesentlich höheren Leverage als es bei Universalbanken der Fall ist (Schattenbankensystem). Die einschlägigen Investmentbanken verfügen bekanntlich nicht über ein Einlagengeschäft. Die Bankaktiva sind wenig liquide. Die liquiden Mittel entsprechen einem winzigen Bruchteil der hohen kurzfristigen Verbindlichkeiten. Deswegen sind die Brokerhäuser für einen sog. „Bank Run“ anfällig.
Die erwähnten Investmentbanken sind stark vom Kapitalmarkt abhängig. Sie sind auf das Wohlwollen der anderen Handelspartner angewiesen. Durch äussere Ereignisse oder Vertrauensverlust kann jedoch ein „Bank Run“ ausgelöst werden. Das ist heute der Fall. Die Banken sehen sich in solchen Fällen gezwungen, zusätzliche Liqudität zu beschaffen: Entweder bei anderen Banken, oder bei der Zentralbank. Oder durch den Verkauf von Aktiva. Die vergangenen Tage zeigen, dass sich die Kapitalaufnahme mit dem sinkenden Aktienkurs der betreffenden Bank enorm erschwert hat. Nach dem Bail-out von Bear Stearns und der Verstaatlichung von Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac verweigerte der Staat angesichts des erhöhten Moral-Hazard Potenzials der Investmentbank Lehman Brothers die Rettung mit Hilfe der Steuergelder. Das bedeutet, dass der Bank Run sich jetzt ausbreiten wird. Es wird in erster Linie alle Counterparties von Lehman treffen. Folglich dürften in naher Zukunft reihenweise Banken umfallen.
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