Dienstag, 4. Oktober 2011

Warum die Ertragskurve als Frühindikator heute verzerrt ist

Die US-Investmentbank Merrill Lynch (via FT Alphaville) bemerkt in einer aktuellen Forschungsarbeit, dass

„wir oft gehört haben, dass eine Rezession im Markt noch nicht eingepreist ist, weil die Zinsstrukturkurve historisch steil verläuft. Doch ignoriert dieses Argument die Tatsache, dass die Fed auf der Untergrenze von Null ist. Da der Leitzins (policy rate) nicht negativ werden kann, ist der zukünftige Weg des Leitzinses, entweder flach zu verlaufen (Fed behält Zinsen unverändert) oder zu steigen (Fed erhöht die Zinsen). Als Folge muss die Kurve im Vergleich zu historischer Erfahrung strukturell steil sein, wenn die Fed keinen Raum für eine weitere Zinssenkung hat“.

Der Spread (Ertragskurve) zwischen kurzfristigen und langfristigen Zinsen wird oft als Frühindikator für Rezessionen und Erholungen herangezogen.

Die Realisierung in der Finanzindustrie ist bemerkenswert langsam, dass die Renditekurve nicht mehr die gewöhnliche Bedeutung hat, schreibt Paul Krugman in Antwort darauf in seinem Blog.

Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor hatte nämlich bereits im Dezember 2008 (ja im Jahre 2008!) darauf hingewiesen:

Der Grund für die historische Beziehung zwischen der Steigung der Zinsstrukturkurve und der Performance der Wirtschaft ist, dass die langfristigen Zinsen in der Tat eine Vorhersage der zukünftigen kurzfristigen Zinsen darstellen.

Wenn die Investoren erwarten, dass die Wirtschaft schrumpft, rechnen sie damit, dass die Fed die Zinsen senkt, was dazu führt, dass die Ertragskurve eine negative Steigung aufweist. Wenn die Investoren erwarten, dass die Wirtschaft expandiert, rechnen sie damit, dass die Fed die Zinsen erhöht, was dazu führt, dass die Ertragskurve eine positive Steigegung aufweist.

Aber es gibt einen Punkt: die Fed kann heute die Zinsen nicht mehr senken, weil sie bereits auf Null liegen. Die Fed kann die Zinsen also nur erhöhen. Folglich muss der langfristige Zinssatz über dem kurzfristigen Zinssatz liegen, weil es unter den gegebeben Bedingungen wie ein Optionspreis wirkt: die kurzfristigen Zinsen können nur steigen, aber sie können nicht fallen.

In der Tat, wenn wir auf Japan schauen, stellen wir fest, dass die Ertragskurve während des ganzen verlorenen Jahrzehnts eine positive Steigeung aufgewiesen hat.

Um es klar zu stellen: Krugman würdigt die Arbeit von Merrill Lynch, wie auch die aktuelle Arbeit von Lance Roberts, der das gleiche Argument vorträgt. Was der Träger des Wirtschaftsnobelpreises erstaunlich findet, ist, dass es so lange (fast drei Jahre) gedauert hat, bis die Realität in der Finanzindustrie Zugang gefunden hat. Krugman will mit Nachdruck hervorheben, dass die analytische Ökonomie in Zeiten von Umbruch und Stress eher mehr als weniger nützlich wird als sonst üblich. 

Warum? Weil die Erfahrung in ungewöhnlichen und belastenden Situationen nachlässt, ein hilfreicher Ratgeber zu sein, wobei die Modelle und tiefe historische Kenntnisse mindestens eine Hoffnung darauf bieten, was wirklich vor sich geht.

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