Die Finanzmärkte bejubeln die Einigung, die Brüssel am Donnerstag angekündigt hat. Die Tatsache, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs sich auf etwas geeinigt haben, ist eine positive Entwicklung, auch wenn die Details vage bleiben und sich unzulänglich erweisen dürften, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Freitagskolumne („The Path Not Taken“) in NYT, die der Autor diesmal in Reykjavik, Island verfasst hat.
Aber es lohnt sich, einen Schritt zurück zu tun, um sich das grössere Bild anzuschauen, nämlich das erbärmliche Versagen einer wirtschaftlichen Doktrin.
„Die fragliche Doktrin läuft auf eine Behauptung hinaus, dass in den Nachwehen einer Finanzkrise, Banken gerettet werden musste, aber die allgemeine Öffentlichkeit den Preis dafür gezahlt hat. In einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit, anstatt alle öffentliche Bemühungen anzuspornen, Arbeitsplätze zu schaffen, entsteht eine Ära der Austerity, in welche die Staatsausgaben und sozialen Programme zusammengestrichen werden“, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.
Die Idee war, dass die Kürzung der Staatsausgaben Verbraucher und Unternehmen veranlassen würde, mehr Vertrauen zu gewinnen. Und dieses Vertrauen würde angeblich die privaten Ausgaben ankurbeln, indem es die deprimierenden Auswirkungen des Rückgangs der Staatsausgaben mehr als kompensieren würde.
Einige Ökonomen waren davon nicht überzeugt. Aber die Doktrin war dennoch äusserst einflussreich. Expansive Sparmassnahmen (expansionary austerity) im Besonderen wurden sowohl von den Republikanern im Kongress als auch von der EZB verteidigt, beschreibt Krugman.
Nun liegen aber die Ergebnisse vor und das Bild ist nicht schön. Griechenland wurde durch rigorose Sparmassnahmen in eine immer tiefere Krise gestürzt. Grossbritanniens Wirtschaft ist unter dem Einfluss der fiskalischen Sparmassnahmen ins Stocken geraten.
Die Rettung der Banken ist, während die Werktätigen bestraft werden, in der Tat nicht ein Rezept für Wohlstand. Aber was war eine Alternative?
Island sollte die ultimative wirtschaftliche Katastrophe Geschichte sein: seine ausser Kontrolle geratenen Banker haben dem Land riesige Schulden aufgebürdet und schienen die Nation in einer aussichtslosen Position zu belassen.
Aber es ist auf dem Weg zum wirtschaftlichen Weltuntergang etwas Lustiges passiert: Islands Verzweiflung hat konventionelles Verhalten verunmöglicht und das Land befreit, die Regeln zu brechen. Wo jeder andere die Banker rettete und die Kosten auf die Öffentlichkeit übertrug, hat Island die Banken pleite gehen lassen und sein soziales Netz erweitert. Wo jeder andere sich darauf konzentrierte, die internationalen Investoren zu besänftigen, hat Island vorübergehende Kontrollen des Kapitalverkehrs verhängt und sich mehr Spielraum gewährt, legt Krugman dar.
Wie geht es nun weiter? Island hat keinen grossen wirtschaftlichen Schaden vermieden. Aber es ist dem Land gelungen, sowohl den Anstieg der Arbeitslosigkeit als auch das Leiden der Schwächsten zu begrenzen. „Die Dinge hätten viel schlimmer kommen können“ dürfte wohl nicht das anregende Motto sein, aber wenn alle eine völlige Katastrophe erwartet haben, läuft es auf einen politischen Erfolg hinaus, hält Krugman fest.
Und es ist laut Krugman eine Lehre für den Rest von uns: das Leid, mit dem viele Bürgerinnen und Bürger heute konfrontiert sind, ist unnötig. Wenn dies eine Zeit des unglaublichen Leidens ist und einer viel rauen Gesellschaft ist, war es eine Wahl. Es hätte nicht sein müssen.
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