Mittwoch, 5. Oktober 2011

Schuldenabbau und Geldpolitik

Was hat der Schuldenabbau (deleveraging) mit der Geldpolitik zu tun? „Fast alle reden von Schuldenabbau, ohne zu verstehen, worauf es ankommt und warum es eng mit der Geldpolitik in Verbindung steht. Es geht um ein Konzept, welches eine zentrale Bedeutung hat, warum die Wirtschaft im Trott ist“, bemerkt Matt Rognlie in seinem Blog.

Natürlich wissen die meisten Menschen die grundlegende Idee: während der Krise erlebten Verbraucher und Unternehmen einen enormen Rückgang ihrer Vermögenswerte. Und nun wollen sie ihre Bilanzen verbessern. Dazu geben sie weniger Geld aus, da aber niedrige Ausgaben niedriges Einkommen woanders in der Wirtschaft bedeutet, verbessert sich die aggregierte Bilanz fast nicht. Die Wirtschaft ist depressiv, sodass sie nur allmählich auf das Niveau vor der Schuldenaufnahme (leverage) zurückkehrt. Folglich erfährt die Wirtschaft einen langen, schmerzhaften Prozess des Schuldenabbaus.

„Eine grosse Geschichte. Aber Schade, dass sie alles, was wir über die Makroökonomie wissen, ignoriert“, beschreibt Rognlie.

Warum soll der Wunsch, weniger auszugeben, und mehr zu sparen, die Wirtschaft belasten? Wenn ich sparen will, gebe ich mein Geld jemandem, der es leihen oder investieren will. Nettosparen wird also in produktive Investitionen geleitet. Wenn Verbraucher mehr sparen wollen, sehen wir weniger Konsum, aber einen Boom der Investitionen. Kaum eine Katastrophe für die Wirtschaft. Ja aber, wenn niemand dieses Geld investieren will? Bedeutet ein Rückgang der Ersparnisse der Absturz der Wirtschaft? Immerhin wird das Geld nicht ausgegeben, und es geht nirgenwo hin. Das klingt glaubwürdig, aber es ist es nicht, legt Rognlie dar. Auf der Mikroebene machen sich die Ökonomen keine Sorgen über ein von einer schwachen Nachfrage ausgelöstes, enormes Überangebot. Stattdessen sagen sie korrektertweise, dass die Preise sich anpassen würden, um den Markt zu räumen. Dasselbe gilt auch für die Makro.

Es gibt einen Preis (der Realzins), der die Bereitschaft zu sparen und zu investieren, bestimmt. Wie alle Preise hat dieser Preis ein markträumendes Niveau: auf einem niedrigen Realzinssatz, wo das Angebot und die Nachfrage für Einsparungen sich gleichsetzen und der Wunsch der Verbraucher, zu sparen, zu einem Investitionsboom führt, nicht zu einem wirtschaftlichen Abschwung.

Der Haken ist jedoch, dass der „Markt“ die Zinsen nicht ganz unter Kontrolle hat: die Fed aber schon. Die US-Notenbank kontrolliert die nominalen Zinsen (indem sie sie festlegt) und die Realzinsen (indem sie die Inflationserwartungen gestaltet). Schlimmer noch: die nominalen Zinsen können  nicht unter Null fallen. Und wenn ein Realzins von –X% (0% nominal minus X% Inflation) nicht ausreicht, um den Markt zu räumen, und um das Geld von Sparern zu Investitionen zu leiten, dann kommt es zu einem Abschwung, erklärt Rognlie.

Der Schuldenabbau (deleveraging) kann also auf der Wirtschaft lasten. Aber dies ist nur, weil die Geldpolitik sich nicht genug anpassen kann, um den Markt zu räumen.

„Im Moment sind die historisch niedrigen Inflationserwartungen und der unter dem Potenzial liegende Output die Anzeichen dafür, dass die Realzinsen zu hoch sind. Das ist, wie jedes Lehrbuch über die Makroökonomie besagt, mit der kontraktiven Politik durch die Fed verbunden. Doch wir sehen Experten mit allen Arten von komplizierten Vorschlägen für die Stimulierung der Wirtschaft, während das grundlegende, übergeordnete Dilemma ist, den richtigen Preis (in diesem Fall den Zinssatz) zu bekommen“, argumentiert Rognlie.

Das bedeutet aber nicht, dass alle nicht-monetären Vorschläge ganz aufgegeben werden sollten. Die Geldpolitik hört auf der Untergrenze von Null nicht auf, zu funktionieren. Es wird aber viel schwieriger. Das heisst, dass „wir gegenüber anderen Politikbereichen offen sein sollten, die einen Einfluss auf die Nachfrage ausüben, z.B. über die Staatsausgaben, Transferleistungen oder steuerliche Anreize“. Die Fed scheitert, weil sie nicht auf alle verfügbaren Instrumente zurückgreift, argumentiert Rognlie.

PS: Ganz oben auf der Liste der Leute, die deleveragin verstehen, stehen Gauti Eggertsson und Paul Krugman. Es ist kein Zufall, dass die Forschungsarbeit von Eggertsson und Krugman die Überschrift trägt, wo das Wort „deleveraging“ vor dem Wort „liquidity trap“ vorkommt.

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