Die „Moral Hazard“-Problematik lehrt, dass systemrelevante Finanzinstitute eine übermässige Risikobereitschaft an den Tag legen. Die Grösse einer systemrelevanten Bank ist aber v.a. im Vergleich zur Grösse (d.h. Wirtschaftsleistung) des Staates entscheidend. Weil, ganz einfach, die Kosten im Fall einer Krise die Kapazität des Staates übersteigen. In diesem Zusammenhang befasst sich Paul Krugman in
seiner Montagskolumne („Good and Boring“) in NYT mit den aktuellen Entwicklungen der Reformbemühungen. Krugman bekräftigt bemerkenswerterweise seinen Standpunkt, dass die TBTF-Problematik nicht die Quelle der Finanzkrise ist, indem er auf Kanada zeigt. „Während sich die Aufmerksamkeit der Welt weg von Rettungsaktionen hin zu der Finanzreform verschieben, verdienen auch ruhige Erfolgsgeschichten neben spektakulären Pleiten Beachtung“, schreibt Krugman. Kanada sei ein sehr wichtiges Modell. Kanada habe Krugman immer fasziniert. Gerade, weil das Land mit den USA in vielen Bereichen Ähnlichkeiten habe, in manchen aber nicht.
Weichen die amerikanischen und kanadischen Erfahrungen voneinander ab, dann liegt es in den politischen Differenzen, nicht an Kultur oder der ökonomischen Struktur erklärt Krugman. Und überhaupt, wenn es um Banken geht, ist „langweilig“ gut, bemerkt Krugman. Die USA und Kanada standen in den vergangenen zehn Jahren im gleichen globalen Umfeld. Während in den USA Finanzinstitute zusammengebrochen sind, ist in Kanada nichts davon passiert. Warum? (1) Es hat mit der Geld- bzw. Zinspolitik nichts zu tun, hält Krugman fest. Denn Kanada hat Zinsen genauso stark gesenkt wie die USA. (2) Kanada’s Erfahrung scheint auch die Ansicht zu widerlegen, wie sie von Paul Volcker gewaltsam vorgetragen wurde, dass der Ursprung der Krise in der Grösse und im Aussmas der Finanzinstitute liegt. Im Klartext: Auch Kanada’s Banken sind „too big to fail“. (3) Kanada’s Erfahrungen bestätigen laut Krugman die Ansicht von Elizabeth Warren, der Vorsitzende des Kongress-Panels, welches das Bankenrettungspaket beaufsichtigt, dass ein Grossteil der Schuld für die Krise im mangelhaften Schutz der Verbraucher vor betrügerischer Kreditvergabe liegt. Kanada habe eine unabhängige Verbraucherzentrale, die die Subprime-Kreditvergabe stark einschränkt. Krugman setzt sich daher dafür ein, statt die Grösse, den Verschuldungsgrad der Banken zu begrenzen, um auf diese Weise das Banking-Geschäft „langweilig“ zu gestalten, damit die Banken weniger Risiken eingehen. Die USA hatten ursprünglich ein langweiliges Banken-System. Aber die Deregulierung der Reagan-Ära habe alles gefährlicher gemacht, so Krugman zu Recht. Kanada hingegen habe die glückliche Langweile beibehalten. Krugman sieht aber wenig Chancen, dass der Reform-Gesetzentwurf der Obama-Administration den Senat passiert.
Auch Mark Thoma nimmt zu der TBTF-Problematik Stellung. Er schreibt, dass er Krugman’s Hauptargument nicht widersprechen will. Dennoch hält er fest, dass der politische Einfluss, den Banken ausüben, ein Grund für die Einschränkung der Grösse der Banken sein kann. Das Argument basiere aber auf der erhöhten Anfälligkeit der Wirtschaft auf Finanzschocks, welche durch die erhöhte Bankgrösse ausgelöst werden, so Thoma. Während die Grösse („too big to fail“) und die Vernetzung („too interconnected to fail“) der Finanzinstitute u.U. nicht die Ursache der Krise in den USA gewesen sein mögen, hat auch Kanada Grossbanken. Und die Grösse der Banken verstärkt aber die Auswirkungen einer Krise, wenn sie mal ausbrechen, erklärt Thoma. Hätte Kanada denselben Schock erlebt, was offenber durch eine strengere Struktur der Regulierung verhindert worden ist, hätte auch die Bankgrösse dort eine Rolle gespielt, argumentiert Thoma. Selbst wenn die Grösse möglicherweise keine Ursache der Krise gewesen sein mag, so gibt es immer noch einen Grund, die Grösse der Banken einzuschränken. Da es sich laut Thoma nicht garantieren lässt, dass die Regulierung des Finanzsektors alle Schocks zu verhindern verhelfen kann. Die Deckelung der Bankgrösse kann dazu beitragen, das Ausmass der Krise, wenn sie ausbricht, zu begrenzen und auf diese Weise, den Schaden, den die Krise verursacht, deutlich zu reduzieren, erläutert Thoma. Der wichtigste Faktor sei jedoch, so Thoma, wie er diesen bereits an einer anderen Stelle hervorgehoben hatte, den Verschuldungsgrad direkt zu beschränken. Wenn das erreicht ist, was für Kanada offenbar der Fall ist, dann stellt die Bankgrösse kein besonderes Problem dar. Warum sollen aber Banken erlaubt werden, über eine bestimmte Grösse zu wachsen, wenn damit kein sozialer Nutzen für die Gesellschaft einhergeht, und zwar im Bewusstsein dessen, dass damit potenzielle Kosten steigen?
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