Wer soll Jean-Claude Trichet im Herbst 2011 als Nachfolger zum EZB-Chef folgen? Aus Sicht der Bundesregierung hat Axel Weber, der Präsident der migrantenfeindlichen (siehe kulturrassistische Äusserungen von Thilo Sarrazin) Deutschen Bundesbank sehr gute Chancen. Weber, der politisch nicht unabhängig ist, hat als Hauptrivalen Mario Draghi, den italienischen Notenbankgouvernuer. Draghi kann sich bei seiner Kandidatur auf das Netzwerk aus seiner Tätigkeit bei der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs verlassen. Oder ist er deswegen nicht unbelastet? Der Vizepräsident der EZB scheint jedoch festzustehen: Die Finanzminister der Euro-Staaten sprechen sich einvernehmlich für Vitor Canstancio, den Portugiesen. Ein offenes Geheimnis ist dabei, dass Personalentscheidungen in Brüssel nicht ohne Rücksicht auf Proporz fallen. Unabhängig davon stellt Simon Johnson 6 Fragen an Axel Weber:
Johnson möchte (1) wissen, wer inwiefern geschlafen hat, als der Deutsche Bank erlaubt wurde, u.a mit Wetten auf Subprime Hypotheken zu einer der am meisten schuldenbeladenen („most leveraged bank“) Banken der Welt zu werden? (2) Wie genau war Herr Weber in das HRE-Debakel involviert? Deutschland behauptet, dass es Grossbanken wirksam regulieren kann und es keinen Anlass zur Grössenbegrenzung gebe. Für den Rest von uns scheint aber Deutschland nicht einmal relativ kleinere Banken regulieren und beaufsichtigen zu können. (3) Warum widersetzt sich Deutschland ständig gegen vernünftige Vorschläge zur Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen für die Banken? Sowohl auf der Ebene des stellvertretenden Ministers als auch durch die unermüdliche Lobby-Arbeit von Josef Ackermann. Die Vermutung liegt nahe, dass es darum geht, Verluste zu verstecken, und zwar in der Verantwortung des Staates, was das Mismanagement bei den Landesbanken betrifft. Warum die breite politische Vertuschung? (4) Warum sind die Ergebnisse der Stresstests der europäischen Banken nie veröffentlicht worden? Hat es mit den grossen gegenwärtigen und voraussichtlich künftigen Verlusten in den Bilanzen der Finanzinstitute zu tun, die in den Zuständigkeitsbereich von Herr Weber fallen? (5) Deutsche Behörden sind bestrebt, die Länder an der südlichen Peripherie der Euro-Zone zu kritisieren. Die Geldpolitik an der Euro-Zone war sehr prozyklisch (die Boom-Bust-Sequenz, z.B. in Spanien). Und die Regulierungsbehörden haben während der grosszügigen Kreditvergabe der Kernländer für den Mittelmeerraum und Osteuropa nur zugeschaut. Davon haben die deutschen Exporteure profitiert. Die Nachteile der verschwenderischen Politik liegen jetzt vor der Tür der finanzschwachen EU-Länder. Ist es alles fair und vernünftig? (6) Herr Weber ist bestrebt, auf europäischer Ebene die Führung zu übernehmen. Ist es die dahinter steckende Absicht, die Präferenzen zu Gunsten von Kernländern zu verlagern, während die Länder an der Peripherie mit einer ungeeigneten Politik in die genau entgegengesetzte Richtung geschickt werden? Gibt es überhaupt etwas, was er und andere als Lehre aus den jüngsten Erfahrungen ziehen?
Fazit: „Deutschland und Herr Weber sind verantwortlich für den Aufbau einer zentralen Version des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse in Europa“, so der ehem. Chefökonom des IWF. „Die ganze Last der Anpassung tragen die Defizitländer wie Griechenland“. Simon Johnson, Wirtschaftsprofessor an der MIT hofft, dass andere Kandidaten ans Rennen um den Chefposten bei der EZB gehen.
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