Die Angst vor einer ausufernden Schuldenkrise breitet sich im Euroland rasch aus. Nun steigen die Risikoprämien auch für Portugal und Spanien kräftig. Das Misstrauen an den Kapitalmärkten wächst. Der Ruf nach einer sofortigen Konsolidierung der Staatshaushalte wird lauter. Das Defizit drohe die wirtschaftliche Erholung und setze die Stabilität in Gefahr, lauten die Schlagzeilen in den Medien. Ist es so? Bestimmt nicht. „Selbst auf einem historisch niedrigen Zinsnivau finden US-Staatsanleihen Käufer“, schreibt Paul Krugman in seiner aktuellen Kolumne in NYT. Der langfristige Haushaltsausblick sei problematisch. Aber das Defizit in kurzer Frist nicht, bemerkt Krugman. Auch wenn die langfristigen Aussichten viel weniger erschreckend sind, wird die Öffentlichkeit in dieser Hinsicht irregeführt, behauptet Wirtschaftsprofessor an der Princeton Universtiy. Woher stammt aber die plötzliche Omnipräsenz der Defizit-Schauergeschichten? Der plötzliche Ausbruch von Defizit-Hysterie weckt Erinnerungen an das Gruppendenken im Vorfeld des Irak-Krieges, hält Krugman fest. Heute wie damals werden zweifelhafte Behauptungen aufgestellt, die nicht durch konkrete Beweise unterstützt werden.
Im Gegensatz zu dem, was man hört, ist das grosse Defizit nicht auf galoppierende Staatsausgaben zurückzuführen. Mehr als die Hälfte des Defizits ist durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die zu einem Absturz der Steuereinnahmen geführt hat, verursacht worden, erklärt Krugman. Um dem entgegenzuhalten, sind staatliche Gegenmassnahmen erforderlich, um die Wirtschaft vorübergehend anzukurbeln und die Beschäftigung zu stützen. „Der Punkt ist, dass es angesichts der schweren Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren genau das Richtige ist, hohe Defizite einzufahren. Wenn überhaupt, sollte das Defizit sogar noch vergrössert werden, weil der Staat mehr unternehmen sollte, Arbeitsplätze zu schaffen“, argumentiert Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften. „Es gibt ein langfristiges Haushaltsproblem. Selbst wenn die Wirtschaft sich vollkommen erholen würde, würde das Haushaltsdefizit nicht permanent vollständig ausgeglichen werden“, gesteht Krugman ein. Sobald aber die Wirtschaftskrise vorbei ist, muss sich die Regierung ihre Einnahmen erhöhen und die Ausgaben unter Kontrolle bringen, rät er. Es gibt keinen Grund wegen der Haushaltsaussichten für die nächsten Jahre oder sogar für das nächste Jahrzehnt in Panik zu geraten. Der jüngste Haushaltsplan des US-Präsidenten Obama hat die Projektion inne, dass die Zinsszahlungen auf 3,5% des BIP ansteigen werden. Das entspricht ungefähr demgleichen Betrag an Zinskosten unter dem ersten Präsidenten Bush, erklärt Krugman. Warum ist also die Hysterie? Die Antwort: Politik. Die Panikmache ist ein wichtiger Teil der politischen Strategie der Republikanischen Partei, um das Image des Präsindenten zu schädigen, führt Krugman aus. Das Problem sei jedoch, dass es für viele Menschen scheinbar schwierig wird, zwischen einem zynischen Gehabe und dem wirtschaftlichen Argument zu unterscheiden. Mit tragischen Folgen. Washington setze seine Prioritäten falsch. Staatsausgaben werden gekürzt, während kaum Bereitschaft erkennbar ist, die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Politik läuft in die falsche Richtung. Den Preis werden die Bürger zahlen, schlussfolgert Krugman.
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