Buchbesprechung
Peter Bofinger: Zurück zur D-Mark? Deutschland
braucht den Euro. Droemer Verlag,
2012.
Eine
Haushaltskonsolidierung in einer schweren Rezession (Depression und der hohen
Arbeitslosigkeit) geht i.d.R. mit einem Nachfragerückgang einher. Die Debatte
über die wahren Ursachen der Euro-Krise wird aber im Euroland durch ideologische
Sichtweise der Defizit-Falken stark verzerrt geführt. Dem Dogma von Austerians
entsprechend ist nie der Markt für wirtschaftliche Probleme verantwortlich,
sondern immer der Staat.
Vor
diesem Hintergrund zeigt Peter Bofinger
in seinem lesenwerten Buch auf, wie die Währungsunion in eine existenzbedrohende
Situation gesteuert wird.
Die
einseitige Fixierung auf die Haushaltskonsolidierung, der ideologische Glauben
an die Vertrauen Fee (confidence fairy) und das
Ausblenden von gängigen Lehrbüchern der Makroökonomie hat drei grosse
Krisenherde (das infernalisches Dreieck)
entstehen lassen, die sich wechselseitig immer mehr verstärken: Banken-,
Staatsschulden- und makroökonomische Krise.
Um
die wechselseitige Eskalation von Staatsschuldenkrise und Bankenkrise zu
stoppen, muss Bofingers Ansicht nach die makroökonomische Krise angegangen
werden. Für den Autor besteht jedoch kein Zweifel, dass der Versuch gescheitert
ist, die Krise innerhalb des gegebenen institutionellen Rahmens in den Griff zu
bekommen. Es bedarf einer stärkeren fiskalpolitischen Integration. Nationale
Egoismen sollen zugunsten eines gemeinsamen, solidarischen Vorgehens
zurückgestellt werden, erläutert der an der Uni
Würzburg lehrende Wirtschaftsprofessor.
Die
Skepsis der deutschen Öffentlichkeit stellt aber für das Projekt einer
intensiveren fiskalischen Integration ein schweres Hindernis dar. Daher befasst
sich der Autor auch mit Zwischenlösungen wie einer Teilung in einen Nord- und
einen Süd-Euro oder dem temporären Austritt einzelner Länder. Abschliessend
analysiert Bofinger die Vor- und Nachteile, die sich aus einer Rückkehr zur D-Mark für
Deutschland ergeben würden.
Ohne
Euro würde es Deutschland heute wie Japan ergehen. Die neue D-Mark würde
grundsätzlich eine Aufwertungstendenz aufweisen. Da die Anhänger des Marktfundamentalismus
es nicht gern sehen, wenn eine staatliche Institution in den Marktmechanismus
eingreift, würde sich die Währung kräftig aufwerten, was die
Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft beeinträchtigen würde. Die Very Serious People (VSP) würden dann massive
Lohnsenkungen fordern. Und sinkende Löhne würden den Weg in die Deflation
leiten. Das würde wiederum die Schuldenstandsquote Deutschlands nach oben treiben.
Auf
kurze Sicht führt kein Weg an einer Stabilisierung des Euro-Raums durch die EZB
vorbei, hebt Bofinger hervor: „Ohne die Hilfe der EZB lässt sich die Zweiteilung
nur mit einer gemeinschaftlichen Haftung der Mitgliedsländer überwinden“. Die
EZB ist unabhängig. Und sie braucht deswegen für ihre Interventionen nicht immer
die Rückendeckung der Politik zu suchen. Bei Therapievorschlägen der Troika
fällt andererseits auf, dass es eine klare Präferenz für Ausgabenkürzungen
gibt, nicht für Steuererhöhungen. Rund 90% der Einsparungen erfolgen nämlich auf
der Ausgabeseite.
„Heute
wissen wir, dass ungezügelte Märkte ein unglaubliches Zerstörungspotenzial
aufweisen können. Der grösste Teil der Probleme, mit denen der Euro-Raum heute
konfrontiert ist, beruht nicht auf einem Staatsversagen, sondern auf einem
Marktversagen“, hält Bofinger fest. Deshalb würden die einzelnen Staaten durch
eine Rückkehr zu nationalen Währungen noch sehr viel stärker von Märkten
abhängig sein.
Unter
„Währungsunion 2.0“ versteht der
Autor „deutlich mehr politische Integration“ mit einem „Europäischen
Finanzminister“. Denn nur eine Gemeinschaftshaftung kann die einzelnen
Staaten wirksam vor panischen Angststörungen
der Finanzmärkte schützen. Eine neugestaltete Währungsunion bracht neben der
stärkeren fiskalischen Integration auch eine voll integrierte Bankenaufsicht. Eine "Transferunion", wie sie nach der deutschen Einheit erlebt wurde, ist für die EWU
völlig unrealistisch und daher ausgeschlossen.
Schade,
dass der deutsche Wirtschaftsweise statt Austerität
nur noch von Sparprogrammen redet. Im Englischen bedeutet „austerity“ strenge Enthaltsamkeit“, was die europäische Situation viel
besser beschreibt.
Bofinger
gebührt auf alle Fälle ein grosses Lob für seine mehrfache Betonung der ungerechten
Einkommensverteilung (*), weil es sich dabei um ein wesentliches Element auf
der Suche nach einer Wachstumsformel ohne exzessive private oder öffentliche
Verschuldung handelt.
Autors
Argumentation entlang des roten Fadens ist insgesamt einleuchtend und sachlich
begründbar. Das informativ und pragmatisch geschriebene Buch ist für alle aufmerksame Europäer empfehlenswert.
(*) Das Pro-Kopf-Einkommen
ist zwar gestiegen, aber das Median-Einkommen ist aber in den letzten 30 Jahren
gefallen. Der grösste Teil des Produktivitätswachstums wird von den Reichen
abgeschöpft. Und die vergleichsweise armen Mitbürger verschulden sich, um in dieser Welt der steigenden Standards Schritt halten zu
können.
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