Samstag, 3. November 2012

Wäre eine etwas höhere Inflation hilfreich?


Es gibt Experten, die die Ansicht vertreten, dass eine Inflationsrate, die „über dem normalen Niveau“ liegt, im aktuellen Marktumfeld der Industrieländer helfen könnte, gegenwärtige Probleme der Wirtschaft zu lösen.

In Verbindung mit financial repression könnte eine etwas höhere Inflation dazu beitragen, die Last der Staatsschulden zu reduzieren. Im Euro-Raum z.B. könnte differentielle Inflation das Rebalancing erleichtern. Da die Zinsen nahe Null Prozent liegen, könnte die reale Last (d.h. Nominalzins minus erwartete Inflation) der Verschuldung dadurch vermindert werden.

Die britische Zeitschrift The Economist fragt vor diesem Hintergrund, ob höhere Inflation die schmerzloseste Möglichkeit ist, um den derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu entgehen?

Eine Reihe von renommierten Ökonomen antworten. Brad DeLong erwidert, dass er nicht sagen würde, dass die Weltwirtschaft eine Inflation über dem normalen Niveau brauche. Er würde sagen, dass die Weltwirtschaft ein Preisniveau benötigt, welches die Menschen vor 5 Jahren für heute erwartet hätten. „Wir brauchen ein normales Preisniveau“, hebt der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

“Im Angesicht dessen, wo wir starten, bedeutet es, dass wir eine Inflation über dem normalen Niveau brauchen, um die Inflation unter dem normalen Niveau auszugleichen, was wir in den vergangenen 5 Jahren gehabt hätten“.

In Europa gibt es Deflation, v.a. in Südeuropa. Wenn Europa als Ganzes ein Inflationsziel von 2% erreichen will, ist eine Inflation von 4% in Nordeuropa erforderlich, und zwar für die kommenden Jahre. Aber das wäre nicht eine Inflationsrate „über dem normalen Niveau“ in Europa, erklärt DeLong.

Sowohl die USA als auch Europa könnten von einer vorübergehend über dem normalen Niveau liegenden Inflation profitieren. In Europa würde ein vorübergehender Anstieg der Inflation helfen, Länder mit Schuldenproblemen zu unterstützen. Es würde die notwendige Anpassung in der Euro-Zone erleichtern, was schwer zu erzielen ist, wenn die Länder über eine gemeinsame Währung verfügen, bemerkt Mark Thoma.

In den USA würde eine Zeitperiode einer über dem normalen Niveau liegenden Inflationsrate helfen, die erforderliche Stützung der Wirtschaft durch die Senkung der Realzinsen sicherzustellen, was die US-Ausfuhren fördern und die Schulden der privaten Haushalte senken würde.

Zusammen mit den Vorteilen gibt es natürlich auch potentielle Kosten, betont der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor. Dazu gehören Effektivität-Kosten (efficiency costs) und die Möglichkeit, dass die Inflationserwartungen „aus dem Anker geraten“. Die Effektivität-Kosten eines vorübergehenden Anstiegs der Inflationsrate sind jedoch relativ niedrig, ein zusätzliches Prozent oder zwei für einen Zeitraum, dem eine Rückkehr zum Normalen folgen würde, was auf die lange Zeit kaum Schaden anrichten könnte.

Und es gibt sehr wenig Grund, zu denken, dass die Inflationserwartungen beginnen würden, nach oben zu treiben, als eine Folge der solchen Politik. Sowohl die Fed als auch die EZB haben ausreichende Glaubwürdigkeit, anzukündigen, dass sie zu einem höheren Inflationsziel übergehen und eine solche Politik weiterverfolgen würden, sobald die Arbeitslosigkeit unter einem vorgegeben Niveau fällt und die Inflation wieder zum Normalen wendet.

Die Antwort auf die Frage, ob die reiche Welt eine Inflationsrate über dem normalen Niveau zulassen soll, um die wirtschaftlichen Probleme anzugehen, lautet also ja. Aber Thoma vertritt die Ansicht, dass es unwahrscheinlich sei, dass die USA oder Europa diesen Weg gehen würden.

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