Es
gibt Experten, die die Ansicht vertreten, dass eine Inflationsrate, die „über
dem normalen Niveau“ liegt, im aktuellen Marktumfeld der Industrieländer helfen
könnte, gegenwärtige Probleme der Wirtschaft zu lösen.
In
Verbindung mit financial repression könnte eine etwas höhere Inflation
dazu beitragen, die Last der Staatsschulden zu reduzieren. Im Euro-Raum z.B. könnte
differentielle Inflation das Rebalancing
erleichtern. Da die Zinsen nahe Null Prozent liegen, könnte die reale Last
(d.h. Nominalzins minus erwartete Inflation) der Verschuldung dadurch
vermindert werden.
Die
britische Zeitschrift The Economist fragt vor diesem Hintergrund, ob höhere Inflation die schmerzloseste
Möglichkeit ist, um den derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu
entgehen?
Eine
Reihe von renommierten Ökonomen antworten. Brad DeLong erwidert, dass er nicht sagen würde, dass die Weltwirtschaft eine
Inflation über dem normalen Niveau brauche. Er würde sagen, dass die
Weltwirtschaft ein Preisniveau benötigt, welches die Menschen vor 5 Jahren für
heute erwartet hätten. „Wir brauchen ein normales Preisniveau“, hebt der an der
University of California, Berkeley
lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.
“Im
Angesicht dessen, wo wir starten, bedeutet es, dass wir eine Inflation über dem
normalen Niveau brauchen, um die Inflation unter dem normalen Niveau
auszugleichen, was wir in den vergangenen 5 Jahren gehabt hätten“.
In
Europa gibt es Deflation, v.a. in
Südeuropa. Wenn Europa als Ganzes ein Inflationsziel von 2% erreichen will, ist
eine Inflation von 4% in Nordeuropa erforderlich, und zwar für die kommenden
Jahre. Aber das wäre nicht eine Inflationsrate „über dem normalen Niveau“ in
Europa, erklärt DeLong.
Sowohl
die USA als auch Europa könnten von einer vorübergehend über dem normalen
Niveau liegenden Inflation profitieren. In Europa würde ein vorübergehender
Anstieg der Inflation helfen, Länder mit Schuldenproblemen zu unterstützen. Es
würde die notwendige Anpassung in der Euro-Zone erleichtern, was schwer zu
erzielen ist, wenn die Länder über eine gemeinsame Währung verfügen, bemerkt Mark Thoma.
In
den USA würde eine Zeitperiode einer über dem normalen Niveau liegenden
Inflationsrate helfen, die erforderliche Stützung der Wirtschaft durch die
Senkung der Realzinsen sicherzustellen, was die US-Ausfuhren fördern und die
Schulden der privaten Haushalte senken würde.
Zusammen
mit den Vorteilen gibt es natürlich auch potentielle Kosten, betont der an der University of Oregon lehrende
Wirtschaftsprofessor. Dazu gehören Effektivität-Kosten (efficiency costs) und die Möglichkeit, dass die
Inflationserwartungen „aus dem Anker geraten“. Die Effektivität-Kosten eines
vorübergehenden Anstiegs der Inflationsrate sind jedoch relativ niedrig, ein
zusätzliches Prozent oder zwei für einen Zeitraum, dem eine Rückkehr zum
Normalen folgen würde, was auf die lange Zeit kaum Schaden anrichten könnte.
Und
es gibt sehr wenig Grund, zu denken, dass die Inflationserwartungen beginnen
würden, nach oben zu treiben, als eine Folge der solchen Politik. Sowohl die
Fed als auch die EZB haben ausreichende Glaubwürdigkeit, anzukündigen, dass sie
zu einem höheren Inflationsziel übergehen und eine solche Politik weiterverfolgen
würden, sobald die Arbeitslosigkeit unter einem vorgegeben Niveau fällt und die
Inflation wieder zum Normalen wendet.
Die Antwort auf die Frage,
ob die reiche Welt eine Inflationsrate über dem normalen Niveau zulassen soll,
um die wirtschaftlichen Probleme anzugehen, lautet also ja. Aber Thoma vertritt die Ansicht, dass es unwahrscheinlich sei, dass die USA oder
Europa diesen Weg gehen würden.
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