Montag, 5. November 2012

Bilanz-Rezession und Politiker


Die Ersparnisse des amerikanischen Privatsektors belaufen sich mittlerweile auf 8% der Wirtschaftsleistung (BIP), bemerkt Richard Koo in einem lesenswerten Artikel („Explain the disease to help US citizens“) in FT.

Während die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) liegen, wäre zu erwarten gewesen, dass die privaten Haushalte und Unternehmen Geld in die Hand nehmen und ausgeben bzw. investieren. Das ist aber nicht der Fall.

Auch in anderen Ländern sind die Ersparnisse im Sog der Bilanz-Rezession ungewöhnlich hoch. In Irland und Japan beträgt die Quote 9% des BIP. In Spanien 7% und in Grossbritannien 5%.

Das ist das Ergebnis des Platzens der mit übermässig Fremdkapital finanzierten Spekulationsblase am Immobilienmarkt.Was übrig bleibt, ist der Privatsektor mit einem immensen Überhang an Schulden. Wenn aber der eine drastisch spart oder Schulden zurückzahlt, müsste der andere sich verschulden und investieren, damit die Wirtschaft nicht ins Stocken gerät. Es ist i.d.R. die Rolle der Zinssätze, dafür zu sorgen, dass die Ersparnisse (als Kredit) aufgenommen und weiter verwendet werden. Das ist der sog. Link zwischen Sparen und Investieren.

Wenn aber der private Sektor als Ganzes spart oder Schulden zurückzahlt, auch wenn die Nominalzinsen auf Null liegen, können Banken keine Darlehen verleihen, hebt Koo hervor. Das bedeutet wiederum, dass die Wirtschaft weiterhin einen Verlust der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage erleidet, was gleichwertig ist wie die Höhe der gesamten Ersparnisse.


In Japan kein Anstieg der Bankkredite trotz lockerer Kreditbedingungen, Graph: Richard Koo, Nomura Research Institute, Oct. 23, 2012


Auch wenn es richtig ist, Bilanzen zu flicken, führt es in der Wirtschaft, wenn alle es gleichzeitig tun, zu einer deflationären Spirale. Die deflationäre Spirale hat die USA zwischen 1929 und 1933 46% des BIP gekostet, betont der Chef-Ökonom des Nomura Research Institute, Tokio.

Diejenigen Wirtschaftsakteure mit Überhang an Schulden werden die Kreditaufnahme nicht erhöhen. Und viele Kreditgeber werden nicht mehr Kredit verleihen, weil sie selbst in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Die Verlagerung „von Gewinn-Maximierung zu Schulden-Minimierung“ legt laut Koo nahe, warum die Null-Zins-Politik in den USA und der EU seit 2008 und in Japan seit 1995 gescheitert ist, die erwartete Erholung der Wirtschaft herbeizuführen.

Während die Geldpolitik weitgehend nicht wirksam ist und der Privatsektor gezwungen wird, die Bilanz zu bereinigen, ist die einzige Möglichkeit, die deflationäre Spirale zu unterbinden, dass die öffentliche Hand Kredit aufnimmt und die Ersparnisse des Privatsektors verwendet, legt Koo weiter dar.

Fazit: Es ist jedoch für den Bürger im Durchschnitt schwer, zu verstehen, warum der Staat den Haushalt nicht ausgleichen soll, wenn die privaten Haushalte und Unternehmen es tun. Es ist daher für die Politiker riskant, klar darzulegen, dass die Wirtschaft zusammenbricht, wenn alle sparen und niemand Kredit aufnimmt. Die Haushaltskonsolidierung sollte daher nur dann erfolgen, wenn der Privatsektor seine Bilanzen repariert hat und wieder in den Modus Gewinnmaximierung übergeht, fasst Koo zusammen.

1 Kommentar:

Makrointelligenz hat gesagt…

guter Beitrag! in Europa scheint man diese Systematik noch nicht zu verstehen, daher führt das gleichzeitig Sparen in die Rezession. Dadurch gerät das ganz Europrojekt in Misskredit, was bisher eigentlich garnicht so schlecht gelaufen war:
http://makrointelligenz.blogspot.de/2012/10/war-die-einfuhrung-des-euro-ein-fehler.html