Sonntag, 11. November 2012

Wie europäische governing class versagt


Für einige Ökonomen scheint es sehr seltsam. Die Eurozone steckt in einer Rezession und niemand tut etwas dagegen. Die EZB behält Zinsen bei 0,75% und es gibt keinen Plan für mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing).

Es ist angebracht, auf mögliche Faktoren zu spekulieren. Aber es gibt eine offensichtliche Antwort, bemerkt Simon Wren-Lewis in seinem Blog. Die Verbraucherpreis-Inflation (CPI) bleibt voraussichtlich nahe 2% in diesem Jahr und in den nächsten in der Eurozone als Ganzes. Während Inflation nicht in Sicht ist, was ist zu tun?

Es gibt starke Gründe, zu sagen, wie jeder, der Wirtschaft studiert hat, dass die Geldpolitik nicht nur mit der gegenwärtigen Inflation zu tun hat. Aber es geht auch darum, die Produktionslücke (output gap) zu schliessen. Nach Schätzungen der OECD beläuft sich die Produktionslücke in der Eurozone auf -3,5% und -4,0% für 2012 und 2013.  Doch scheinen die geldpolitischen Behörden sowohl in Grossbritannien als auch im Euro Raum nur auf die Inflation zu blicken. Die Lehrbücher müssten umgeschrieben werden, legt der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor dar.

Aber auf welche Messgrösse für die Inflation soll man sich konzentrieren? Die Standard-Antwort ist die Verbraucherpreise. Aber es gibt nichts in der Wirtschaftstheorie, was darauf hindeutet, dass es die einzige Messgrösse für die Inflation ist. Ein besserer Indikator ist der BIP-Deflator, d.h. Output-Preise. Die Output-Preis-Inflation ist in diesem und dem nächsten Jahr deutlich unter 2%. Auch Lohn-Inflation bleibt voraussichtlich unter 2,0%.


Inflation-Prognosen für Euro-Raum, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis

Ein Hauptgrund, warum CPI Inflation höher liegt als alle anderen Messgrössen sind die Rohstoffpreise. Natürlich ist die Rohstoffpreise Inflation weitgehend ausserhalb der Kontrolle der EZB. Aber, was die EZB effektiv tut, ist, indem sie sich auf die CPI konzentriert, zu sagen, dass Nicht-Rohstoffpreise-Inflation unter 2% liegen muss, um den Anstieg der Rohstoffpreise auszugleichen, argumentiert Wren-Lewis. 

Es gibt aber keinen offensichtlichen theoretischen Grund dafür, warum es eine sinnvolle Sache ist, dies zu tun oder zu versuchen, zu tun. In einigen Eurozone-Ländern ist die CPI-Inflation hoch, wegen der Mehrwertsteuer-Erhöhung, was aus Sicht der Geldpolitik wenig Sinn macht, darauf zu reagieren.

Die EZB ignoriert also nicht nur die Produktionslücke (output gap), sondern auch jede andere Inflation-Messgrösse ausser CPI. Ist es nur eine fatale Folge der öffentlichen Aufmerksamkeit für diese Messgrösse der Inflation? Oder was wäre, wenn die Inflation gemäss CPI 2% betragen würde und alle anderen Messgrössen deutlich darüber lägen und es eine grosse positive Produktionslücke gäbe? Was würde die EZB in diesem Fall unternehmen?

Fazit: Wren-Lewis bezeichnet das Ganze als ein kollektives Scheitern der europäischen Behörden. Es ist eine governing class, welche weit weniger rechenschaftspflichtig ist als eine z.B. in den USA.

Keine Kommentare: