Samstag, 24. November 2012

Bond Vigilantes und Angst-Taktik


Es gibt einen Gegensatz zwischen dem, was die Bosse der Finanzindustrie zur Zeit sagen, was sie beunruhigt und dem, was die Finanzmärkte sagen. Die Bosse erklären, wie Suzy Khimm in WAPO berichtet, dass das Scheitern der Bemühungen, ein Grand Bargain (*) zu erzielen, einen schädlichen Vertrauensverlust im Hinblick auf die finanzpolitischen Perspektiven des amerikanischen Staates auslösen würde, was zu einem Bond Run (**) führen würden, mit Zinsen, die durch die Decke schiessen.

Die Angst-Taktik von Bond Vigilantes ist aber tiefgründig. Denn es ist ziemlich schwer, nachzuweisen, dass ein Vertrauensverlust auf Realwirtschaft lasten würde, wie Paul Krugman aufgrund eines IS-LM-Modells aufzeigt. Ein möglicher Vertrauensverlust hätte zur Folge, dass der US-Dollar an Wert verlieren würde, was dadurch einen expansiven Effekt auslösen würde.

Na gut, es gibt den Fall Griechenland. Aber Griechenland hat nicht eigene Landeswährung. Was besagt aber das Modell, unter welchen Umständen ein Land, das über eine eigene Währung verfügt, und in dieser Währung Kredit aufnimmt, in einen Abschwung geraten würde, wenn Bond Vigilantes angreifen würden? Gibt es historische Beispiele.

Krugman deutet in seinem Blog auf Frankreich in den 1920er Jahren  hin. Das Land, das nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mit Schulden belastet war, sah damals in der Tat einem Angriff der Spekulanten gegenüber.


Frankreich, Verlauf der Zinsen in den 1920er Jahren, Graph: Prof. Paul Krugman
Daten: Bank of France

Aber der Fall bietet jedoch bei genauer Betrachtung keine Unterstützung für die wiederholten Argumente der Defizit-Falken . Frankreich hatte zwar ein grosses Schuldenproblem, aber es hat die Last der Verschuldung durch Inflation abgemildert. Und der Markt sah es kommen. Die Zinsen auf mittlere Sicht (schwarze Kurve) sind für einen Grossteil der 1920er Jahre gestiegen, bevor sie danach kräftig fielen.

Krugman hebt zudem hervor, dass Frankreichs Wirtschaft in den 1920er Jahren nicht so angeschlagen war wie die der anderen Volkswirtschaften und es hat damals nicht so ausgesehen wie die USA heute. Die wirklich grosse Wirkung kam inzwischen aus einer scharfen Abwertung des Franc, was Frankreich wettbewerbsfähiger machte und die Wirtschaft des Landes ankurbelte.


Frankreich, Arbeitslosigkeit in den 1920er Jahren, Graph: Prof. Paul Krugman

Der böse Einbruch der französischen Konjunktur im Jahre 1927 ist auf die Austeritätspolitik (fiscal austerity) zurückzuführen. Es ist nicht durch die stark steigenden Zinsen am Anleihemarkt ausgelöst worden,

Fazit: Auch wenn man genau hinschaut, findet sich nichts, was die Defizit-Schimpfer uns fürchten wollen. Es ist bemerkenswert, wie Krugman festhält, dass der politische Diskurs weitgehend von Ängsten eines Ereignisses dominiert bleibt, welches die Angst-Händler theoretisch (z.B. anhand eines Modells) nicht belegen können.belegen können.

(*)

"Grand Bargain": Es handelt sich um einen Begriff, der in den USA zur Zeit im Angesicht der sog. "Fiscal Cliff" die Runde macht. Gemeint ist eine grosse Übereinkunft zum Abbau des Haushaltsdefizits während der "Lame-Duck Session" des Kongresses (d.h. vor dem Beginn der neuen Legislaturperiode) in Amerika zwischen der Republikanischen und der Demokratischen Partei.

(**)


"Bond-Run": Eine kollektive Flucht der Anleger aus den Staatsanleihen eines Landes. Der betroffene Staat steht einem "Bond Run" hilflos gegenüber wie im Fall eines "Bank Run", wo die Sparer gleichzeitig eine sofortige Barauszahlung aller Guthaben fordern.

Keine Kommentare: