Dienstag, 6. November 2012

Wirbelsturm Sandy und Lehren für Kapitalismus


Amerikaner stehen an der US-Ostküste Schlage für Essen und Benzin. Die Bilder nach Hurrikan „Sandy“ prägen die Schlagzeilen in den US-Medien. Damit beginnt auch die übliche Debatte über die Wirtschaft und Ethik in Bezug auf die Preistreiberei.

Während die Frage, ob es in Ordnung ist, ja sogar wünschenswert, dass Unternehmen nach Naturkatastrophen die Preise erhöhen, sicherlich wichtig ist, gibt es eine grössere Lehre, die aus dieser Diskussion zu ziehen ist, bemerkt Mark Thoma in einem lesenswerten Artikel („Hurricane Sandy’s Lesson on Preserving Capitalism“) in The Fiscal Times.

Die Lektion betrifft das Herz des Kapitalismus: Was passiert, wenn das Preis-Allokation System zusammenbricht?

Ökonomen mögen den Begriff „Preistreiberei“ (price-gouging) nicht. Sie glauben, dass Preiserhöhungen die beste Möglichkeit bieten, knappe Güter und Dienstleistungen nach einer Naturkatastrophe bereitzustellen und v.a. die Zusatzversorgung zu fördern, hebt Thoma hervor.

Wenn es aber einen solchen Vorteil gibt, das Preissystem nach einem Ereignis wie Hurrikan „Sandy“ funktionieren zu lassen, warum halten Produzenten oft an Vor-Krise-Preisen fest? Die eine Antwort ist, dass Preistreiberei nach einer Naturkatastrophe in vielen Orten verboten ist. Eine andere Antwort ist die Idee des Fairness

Nach einer Naturkatastrophe betrachten Menschen Nahrung, Wasser und sogar Waren wie Benzin als Notwendigkeit und bleiben, obwohl Ökonomen versuchen, zu erklären, dass es das Beste ist, zuzulassen, dass die Preise steigen, gegenüber zwei Arten von Ungerechtigkeit empfindlich.

(1) Nach einer Katastrophe kommt es i.d.R. zu einem Lieferengpass. Wenn Verbraucher das Gefühl haben, ausgenutzt zu werden, und zwar gerade dann, wenn sie schon genug Probleme haben, beschliessen sie, woanders einzukaufen. Da Unternehmen aus diesem Grund Umsatzeinbusse befürchten, verzichten sie auf Preiserhöhungen.

(2) Menschen betrachten es nicht als fair, wenn nur die Reichen die Dinge kriegen, die sie brauchen, um ihre Sorgen zu lindern. Die Wohlhabende sollten für die verfügbaren Lieferungen von Waren und Dienstleistungen, die aufgrund der Naturkatastrophe stark nachgefragt werden, nicht eine marktbeherrschende Position einnehmen („cornering“) dürfen.

Diese Beziehung zwischen der Akzeptanz des Preis-Allokation-Systems im Zuge der Naturkatastrophen und wie fair das System wahrgenommen wird, bietet Lehren dafür an, die über die Zeiten von Krisen hinausgehen, betont der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor.

Wenn die Einkommensungleichheit sehr gering ist und Monopolmacht weitgehend abwesend ist, können die meisten Menschen die meisten Güter und Dienstleistungen verbrauchen, wenn sie bereit sind, genug Opfer in Kauf zu nehmen. In diesem Fall sind die Menschen tolerat, das Preissystem diktieren zu lassen, wer was bekommt.

Wenn aber Ungleichheit zunimmt und Menschen aus dem Markt ausgeschlossen werden, wenn es mehr und mehr Dinge gibt, die ein grosser Teil der Bevölkerung sich nicht leisten kann, unabhängig davon, wieviel sie bereit sind, aufzugeben, fühlen sie sich ausgenutzt, von einem System, welches mit einer wirtschaftlichen oder politischen Macht verbunden ist. Dann nimmt die Unterstützung für den Mechanismus der Preis-Allokation ab und das Herz des Kapitalismus beginnt, ausgehöhlt zu werden, legt Thoma dar. Die Überzeugung, dass der Kapitalismus fair ist, weitet sich folglich aus.

Fazit: Die Unterstützung für den Market-Allokation-Mechanismus während Katastrophen und in normalen Zeiten hängt von der Vorstellung ab, wie fair das System ist.

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