Samstag, 10. November 2012

Warum angriffslustige Bond Vigilantes unsichtbar bleiben


(nur für Streber)

Mit dem Abschluss der US-Präsidentschaftswahl werden die üblichen Stimmen wieder laut, dass (unsichtbare) Bond Vigilantes sich demnächst anschicken würden, die USA anzugreifen.

Ed Yardeni hat den Begriff  in den 1980er Jahren geprägt. Er beschreibt damit diejenigen Investoren, die die US-Staatsanleihen, ohne mit der Wimper zu zucken, abstossen würden, wenn sie das Vertrauen in die Geld- und Fiskalpolitik verlören. Die Preise von US-Treasury Bonds würden folglich regelrecht abstürzen und die Renditen würden durch die Decke schiessen.

Heute kann man mit Fug und Recht sagen, dass Bond Vigilantes Verfechter von Austeritätspolitik sind. Das heisst, dass die Staatsausgaben drastisch gesenkt werden müssen, auch im Angesicht der hohen Arbeitslosigkeit, um Bond Vigilantes zu beruhigen. Die Defizit-Falken (deficit hawks), die von der Doktrin „expansionary austerity besessen sind, behaupten mittlerweile seit mehr als vier Jahren, dass die Finanzierungskosten der öffentlichen Hand massiv steigen würden, wenn der Staat die Ausgaben sofort nicht senken würde.

Doch fallen die Zinsen, anstatt zu steigen und Bond Vigilantes bleiben unsichtbar. Wie ist es zu erklären? Die Antwort lautet Liquiditätsfalle. Wenn die Nominalzinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) liegen und damit die Geldpolitik an Wirksamkeit verliert, kommt es in einer Volkswirtschaft, die in Depression steckt, nicht zu Crowding-out.

Darüber hat Paul Krugman in seinem Blog mehrmals geschrieben und überzeugend erläutert, warum Austerian Doctrine gescheitert ist. Nun liefert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor ein einfaches analytisches IS-LM-Modell (Mundell-Fleming) dazu.


IS-Kurve und Taylor-Regel in einer offenen Volkswirtschaft, Graph: Prof. Paul Krugman in: The Simple Analytics of Invisible Bond Vigilantes, Nov 2012

Werden die USA, wie die Austerians behaupten, in jedem Augenblick zu Griechenland? Nachdem internationale Investoren das Vertrauen in griechische Staatspapiere verloren haben, sind die Zinssätze in Griechenland kräftig gestiegen, und zwar mit negativen Folgen für dir griechische Wirtschaft. Aber Griechenland hat (1) nicht seine eigene Landeswährung, sondern den Euro und es hat (2) keine eigenständige Geldpolitik. Die USA hingegen schon.

Wie würde also ein Angriff von unsichtbaren Bond Vigilantes auf ein Land wie die USA oder Grossbritannien aussehen? Bisher hat es niemand gewagt, die Frage mit einem analytischen Modell zu beantworten. Es gibt einen Grund: Es ist ziemlich schwer, ein Modell zu bilden, wo Bond Vigilantes wesentlich negative Auswirkungen auf ein Land entfalten, welches über einen schwankenden Wechselkurs verfügt.

In einem IS-LM-Modell (angelehnt an Mundell-Fleming) in einer offenen Volkswirtschaft hat ein Angriff von Bond Vigilantes sehr unterschiedliche Auswirkungen auf ein Land mit einem festen Wechselkurs (oder einer gemeinsamen Währung, wie dem Euro) und auf ein land mit einem schwankenden Wechselkurs. Im letzt genannten Fall ist der Verlust an Vertrauen expansiv, erklärt Krugman.

Die Nachfrage nach im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen sieht wie folgt aus:

(1) y= -α i + β e

y= BIP und i= Zinssatz
e= log des Wechselkurses (ausgedrückt im Preis des ausländischen Landes), d.h. ein Anstieg bedeutet Abwertung, was expansiv wirkt, weil die Ausfuhren dadurch angekurbelt werden.

Warum geht Krugman nicht vom realen Wechselkurs aus? Es kommt zwar auf die Inflation und Inflationserwartungen an, aber sie spielen in diesem Beispiel keine grosse Rolle, sodass man sie der Einfachheit halber vernachlässigen kann.

Angenommen, wir haben einen festen Wechselkurs. Dann ist e festgelegt und i ist durch die Bereitschaft von internationalen Investoren bestimmt, ob sie inländische Staatspapiere halten oder nicht. Wenn i* die Verzinsung der ausländischen Staatspapiere repräsentiert, die als sicher gelten, wie z.B. German Bunds, dann sieht der inländische Zinssatz wie folgt aus:

(2) i = I* + ρ

Wobei ρ Risikoprämium ist.

Ein Angriff von Bond Vigilantes bedeutet in der Tat eine schlechte Sache. Die Zinssätze würden sich, wie der Pfeil zeigt, nach oben bewegen, was zu einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung führen würde.

Amerika hat aber seine eigene Währung und einen flexiblen Wechselkurs. Wie würde es in diesem Fall aussehen? Was würde sich verändern?

Der Zinssatz wird durch die Fed bestimmt. Dargelegt als Taylor-Regel sieht die Gleichung dann wie folgt aus:

(3) i = Гy

Es gibt zugleich über Grenzen hinweg noch die Möglichkeit einer Zinsarbitrage, d.h. einer erwarteten Rendite-Arbitrage:

(4) i = i* + δ (ẽ - e) + ρ

Der zweite Terminus auf der rechten Seite der Gleichung vertritt die erwartete Abwertung. Der Wechselkurs kann dann als eine Funktion des Zinssatzes im Inland und der Risikoprämie ausgedrückt werden:

Setzt man diese Gleichung (e) nun in der ersten Gleichung (1) ein, dann ergibt sich die IS-Kurve in einer offenen Volkswirtschaft.

Der Zinssatz nimmt auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage über zwei Wege Einfluss: (I) durch die Erhöhung der Binnennachfrage und (II) durch die Abwertung der Währung, was die Netto-Ausfuhren fördert.


IS-Kurve, Graph: Prof. Paul Krugman in: The Simple Analytics of Invisible Bond Vigilantes, Nov 2012

Was geschieht jetzt, wenn es zu einem Vertrauensverlust kommt? Steigt die Risikoprämie an? Die Antwort lautet, dass die Währung sich abwertet, bei einem gegebenen Zinssatz im Inland, was die Nachfrage erhöht, und die IS-Kurve nach rechts oben verschiebt. Das heisst, dass die Auswirkung auf die Wirtschaft expansiv ist.

Man denke daran: Die Fed setzt die Zinsen fest. Der Verlust des Vertrauens in US-Staatsanleihen würde nicht einen Anstieg der Zinsen auslösen, sondern zu einem Fall des US-Dollar führen. Das heisst im Endeffekt, dass die Abwertung des US-Dollars eine gute Sache wäre, weil es die Konkurrenzfähigkeit der US-Wirtschaft steigern würde.

Fazit: Die Ängste der Defizit-Falken sind nicht begründet und empirisch nicht belegbar.

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