Die
EZB übernimmt bekanntlich aus dogmatischen Gründen keine Verantwortung für die
finanzielle Stabilität im Euro-Raum. Die Defizit-Schimpfer wollen die EZB aus
der Bewältigung der Euro-Krise weitestgehend heraushalten. Schliesslich werde
mit unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen erhebliche Risiken übernommen.
Wie
sinnvoll ist es aber, mitten in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise
darauf zu bestehen, die Trennung zwischen Geld- und Fiskalpolitik
wiederherzustellen? Eine weitere interessante Frage ist in diesem Zusammenhang,
warum heute in der EU-Zone ein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik
besteht?
Vor
diesem Hintergrund hat sich Fritz
Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in
einem äusserst interessanten Referat gestern an der Uni Luzern mit
dem Thema „Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter
Wirtschaftspolitik“ befasst.
Zurbrügg veranschaulicht zuerst die Ziele und die
Rollenverteilung der beiden Bereiche der Wirtschaftspolitik: Es
gibt zwangsläufig kein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Schaut
man sich die Ziele der Geld- und Fiskalpolitik an, stellt man fest, dass sie
sehr ähnlich sind.
Die
Geldpolitik wird heute in den
meisten Industrieländern von unabhängigen Zentralbanken geführt und ist vorrangig
dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Dabei muss die Geldpolitik aber auch
den Konjunkturverlauf berücksichtigen, erklärt Zurbrügg.
Ziele
der Fiskal- und Geldpolitik, Graph:
Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012
Die
Fiskalpolitik soll sicherstellen,
dass die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht sind. Gleichzeitig
soll in der Einnahmen- und Ausgabenpolitik die Konjunkturlage berücksichtigt
werden. Die Fiskalpolitik hat eine wichtige Funktion zur Stabilisierung der
Konjunktur.
Die
Fiskalpolitik verfolgt damit ein ganz ähnliches Ziel wie die Geldpolitik. Indem
günstige Bedingungen für ein dauerhaftes und möglichst ausgeglichenes
Wirtschaftswachstum geschaffen werden, wird der gesellschaftliche Wohlstand gefördert,
legt Zurbrügg dar. „Die angestrebten wirtschaftspolitischen Ziele von Geld- und
Fiskalpolitik sind eng miteinander verwandt – wenn nicht sogar deckungsgleich“.
Gegenseitige
Abhängigkeit, Finanzmarkt, Graph:
Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012
In
normalen Zeiten sollte also kein Spannungsfeld zwischen Fiskal- und Geldpolitik
bestehen. Es bestehen jedoch starke Wechselbeziehungen zwischen Fiskal- und
Geldpolitik, weil die Handlungen sich gegenseitig auf dem Finanzmarkt und in
der Realwirtschaft beeinflussen.
Gegenseitige
Abhängigkeit, Realwirtschaft, Graph:
Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012
Die
Geldpolitik nimmt mit der Festlegung des Referenzzinssatzes am Geldmarkt Einfluss
auf die Inflationserwartungen und die Inflationsprämie. Und eine
stabilitätsorientierte Geldpolitik ermöglicht es Haushalten und Unternehmen,
ihre wirtschaftlichen Entscheidungen unter weniger Unsicherheit zu fällen. Davon
kann auch die Fiskalpolitik profitieren: ein stetiger Konjunkturverlauf
bedeutet stabiliere Einnahmen und Ausgaben, erläutert Zurbrügg.
Fazit: Eine erfolgreiche Geldpolitik setzt
somit eine gesunde Fiskalpolitik voraus und umgekehrt.
Damit
Fiskal- und Geldpolitik ihre diskretionären Spielräume nicht missbrauchen,
sollten klare und verbindliche Regeln existieren. Grundsätzlich kann die
Fiskalpolitik laut Zurbrügg durch automatische Stabilisatoren und diskretionäre
Massnahmen umgesetzt werden.
Die Massnahmen müssen die 3 T-Kriterien erfüllen, damit sie wirksam sind: timely, targeted und temporary.
(1) Diskretionäre
Massnahmen müssen rechtzeitig (timely)
greifen, damit sie nicht prozyklisch wirken. (2) Solche Massnahmen müssen
gezielt (targeted) sein, so dass die
betroffenen Sektoren und Branchen gestützt werden können und (3) sie müssen
vorübergehender Natur (temporary)
sein, damit sie nicht zu einer dauerhaften Belastung des Staatshaushaltes
werden.
Die
SNB hat die Aufgabe, die Preisstabilität
zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.
Die
EZB hingegen unterstützt im
Euro-Raum eine pro-zyklische Politik, die den schweren Abschwung noch
verstärkt. Es ist erstaunlich, warum in Deutschland die Gefahren einer
prozyklischen Politik nicht erkannt wird. Es war der damalige Reichskanzler Heinrich Brünnig, der Anfang der 1930er Jahre eine solche Politik verfolgte,
die den ökonomischen und politischen Zusammenbruch Deutschlands herbeiführte,
wie Peter Bofinger in seinem
lesenswerten neuen Buch („Zurück zur D-Mark?“) schildert.
In der Schweiz besteht
heute trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes kein Spannungsfeld
zwischen Geld- und Fiskalpolitik.
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