Montag, 31. Mai 2010

US-Staatsanleihen: Entwicklung im Mai

Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen ist im Mai vor dem Hintergrund der Erwartungen, dass die europäische Schuldenkrise die Erholung der globalen Wirtschaft beeinträchtigt, auf ein Rekordtief seit Dezember 2008 gesunken. Die Rendite ist laut Bloomberg um 36 Basispunkte auf 3,29% gefallen, von 3,65% am 30. April. Am 25. Mai fiel die Rendite der 10-jährigen US-Treasuries bis auf 3,06%. Das war das niedrigste Niveau seit dem 29. April 2009. US-Staatspapiere haben Investoren in diesem Monat laut Bank of America Merrill Lynch Index eine Rendite von 1,7% erbracht.



10-jährige US-Staatsanleihen (Rendite), Graph: Fed St. Louis

Der Euro hat im Mai gegenüber dem Dollar um 7,7% an Wert verloren. Der Spread zwischen den Renditen der 10-jährigen US-Treasuries und der TIPS (inflationsgeschützte US-Treasuries) zeigen, dass die Anleihehändler einen Anstieg der Konsumentenpreise um 2,05% im Durchschnitt in den nächsten 10 Jahren erwarten. Im Januar 2010 lag dieser Wert bei 2,49%. Die Futures auf CME signalisieren eine 37%ige Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung durch die US-Notenbank (Fed) im Dezember 2010. Vor einem Monat betrug die Wahrscheinlichkeit 60 Prozent.

Türkei: Aussenhandel im April

Die Türkei hat ihre Exporte (FOB) im April im Vergleich zur Vorjahresperiode um 25,2%(9'466 Mio. $) gesteigert. Die Importe (CIF) sind um 47,4% (14'922 Mio. $) gestiegen. Das Handelsbilanzdefizit hat sich folglich um 113,2% ausgeweitet: Minus 5'456 Mio. $. Zwischen Januar und April ist das Defizit im Aussenhandel (Minus 17'600 Mio. $) im Vergleich zur Vorjahresperiode um 152,8% gestiegen, wie das Turkish Statistical Institute heute mitgeteilt hat. Im April decken die Ausfuhren 63,4% der Einfuhren. Im Vorjahr lag die Quote bei 74,7%. Deutschland war im April das wichtigste Handelspartnerland für türkische Exporte in Höhe von 924 Mio. $. Das bedeutet ein Anstieg um 27,8 Prozent.



Aussenhandel, Jan.-April 2010, Graph: Turkish Statistical Institute

Gefolgt von Frankreich (534 Mio. $), dem Vereinigten Königreich (531 Mio. $) und Italien (516 Mio. $). Die Exporte in die EU haben um 26,1% zugelegt: 4'340 Mio. $. Der Anteil der EU-Länder am türkischen Exportgeschäft kletterte auf 45,8% von 45,5% im Jahr 2009.

Für die Einfuhren lag Russland mit 2'034 Mio. $ auf dem Rang 1, gefolgt von einem Rekordwert von Deutschland mit 1'355 Mio. $. Danach folgen China mit 1'251 Mio. $ und die USA mit 978 Mio. $.

Die Türkei hat im April v.a. Eisenbahn- oder Strassenbahnschienen, und Teile davon exportiert. Im Wert von 1'125 Mio. $. Dazu zählen noch „Kessel, Maschinen und mechanische Geräte“ (805 Mio. $), „Eisen und Stahl“ (735 Mio. $), „Elektrische Maschinen und Geräte“ (654 Mio. $) und „gestrickte und gehäkelte Waren und Gegenstände (648 Mio. $).

Die Türkei hat in derselben Zeitperiode folgende Güter importiert: Mineralische Brennstoffe und Mineralöle (3'330 Mio. $) und „Kessel, Maschinen und mechanische Geräte (1'643 Mio. $), „Eisenstahl“ (1'355 Mio. $) und Elektrische Maschinen und Geräte (1'100 Mio. $).

Warum die EZB immer noch Inflation bekämpft

Wenn die EZB einen monäteren Drachen zum Erlegen hat, dann ist er Inflation, schreibt NYT in einem lesenswerten Artikel. Die EZB betrachtet es als ihre primäre Aufgabe, Inflation unter Kontrolle zu halten. Selbst während der Bekämpfung der Schuldenkrise in der Euro-Zone bleibt die Inflation für die EZB im Vordergrund. Das führt mittlerweile zu einer treibenden Besessenheit, die die EZB davon abhält, eine potenziell grössere Bedrohung für Europa zu übersehen: Deflation. Die Zweifler der EZB werden immer lauter, berichtet New York Times, v.a. nachdem die Zentralbank infolge der Ankündigung ihrer Massnahme zum Kauf von Staatsanleihen in der Euro-Zone eine grosse Show gezogen hat, dass die Auswirkungen der ausserordentlichen Aktion sofort sterilisiert werde. „Es ist dumm. Wie kann die EZB über inflationäre Auswirkungen besorgt sein?, sagt Carl B. Weinberger, Chefökonom von High Frequency Economics. „Wäre ich die EZB, würde ich durch Gelddrucken versuchen, den Rückgang des Geldangebots abzuwenden“, fügt er hinzu.

Viele Ökonomen betrachten Deflation als noch gefährlicher als die Inflation, weil die Deflation die Verbraucher zwingt, sich mit Ausgaben zurückzuhalten, weil im allgemeinen erwartet wird, dass die Preise noch tiefer sinken. Dadurch entsteht eine Abwärtsspirale, die von einer abnehmenden Nachfrage und der Produktion beschleunigt wird. Deflation ist auch für Schuldner wie Griechenland schlecht, weil sie möglicherweise Geld zurückzahlen werden, das jetzt mehr Wert ist als es bei der Kreditaufnahme war. In Europa zeichnet sich die Deflationsgefahr bereits ab. Die Preise sind in Irland im April gesunken, während die Inflation in fünf anderen Ländern der Euro-Zone unter 1,0% verläuft. „Wir teilen gemeinsame Risiken und Probleme wie Japan um ca. 1995“, erklärte Adam Posen, Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England (BoE) kürzlich an der London School of Economics. Der Abwärtsdruck der Preise hat seine Wurzeln im Abschwung, welcher der Finanzkrise 2008 folgte. Doch die europäische Schuldenkrise stellt nun eine zusätzliche Last dar. Deutschland und Spanien beginnen, Staatsausgaben scharf zurückzufahren, um das Defizit zu kürzen. Das wird jedoch unweigerlich die Nachfrage und die Beschäftigung belasten, berichtet die Zeitung weiter, sodass das Wirtschaftswachstum geringer ausfallen wird. Die Kerninflation ist in der Euro-Zone im April auf 0,7% von 0,8% im März gesunken. Die Inflation befindet sich im allgemeinen immer noch deutlich unter der von der EZB angestrebten Zielvorgabe von rund 2,0%. Die eigentliche Herausforderung für die Politik wird sich laut NYT in den kommenden Monaten zeigen, wenn Griechenland, Portugal und Spanien Mühe haben werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten wiederzugewinnen. Da sie nicht über eine eigene Währung verfügen, die sie hätten abwerten lassen können, haben sie jetzt nichts anderes übrig, als die Löhne zu senken und sie dann deutlich unter denen von z.B. Deutschland und Frankreich zu halten. Lohnkürzungen und geringere Staatsausgaben werden aber den Abwärtsdruck auf die Preise weiter verstärken. Spanien’s Kerninflation ist bereits im April ins Negative gedreht. Die EZB wird es schwer haben, eine Geldpolitik zu erarbeiten, die sowohl finanzschwachen als auch schneller wachsenden EU-Mitgliedsländern passt, argumentiert NYT. Der Wertverlust der europäischen Staatsanleihen wird Banken und Finanzinstituten grossen Schaden zufügen, sagte Lorenzo Bini Smaghi am Wochenende in Rabat (Marokko) in einer Rede. Das werde möglicherweise die Erholung der Wirtschaft untergraben, fügte Mitglied des EZB-Vorstands hinzu. Jean-Claude Trichet steht besonders in Deutschland unter Kritik, weil die Zentralbank mit dem Kauf von Staatsanleihen begonnen hat, um die Schuldenkrise in Griechenland abzufedern. Die Quantität des Ankaufs von Staatsanleihen ist aber nicht so beschaffen, dass daraus eine Inflationsgefahr ausgehen würde, ist NYT überzeugt. Die Geldmenge ist in der Euro-Zone wegen des abnehmenden Kreditgeschäfts rückläufig. Und die Kapazitäten sind unterausgelastet. Die Arbeitslosigkeit beläuft sich auf 10%. Trichet’s Anti-Inflationshaltung scheint daher die Angst in Deutschland über den Kauf von Staatsanleihen zu beschwichtigen, erklärt die Zeitung.

Defizit-Angst führt zu mehr Schmerz

Was ist die grösste Bedrohung für die immer noch fragile Erholung der Wirtschaft? Gefahren, die wimmeln. Die gravierendste ist die Ausbreitung einer zerstörischen Idee: Nämlich die Auffassung, dass jetzt weniger als ein Jahr nach der schwachen Erholung von der schlimmsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg Zeit ist, die Unterstützung von Arbeitslosen zu stoppen und zu starten, Schmerzen zuzufügen, schreibt Paul Krugman in seiner Montagskolumne („The Pain Causus“) in NYT. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise haben die politischen Entscheidungsträger weltweit angemessen reagiert, indem sie die Zinsen gesenkt haben. Es war zudem richtig, das Defizit ansteigen zu lassen, fasst Krugman zusammen. Mit den Lehren, die sie aus den 1930er Jahren gezogen haben, ist ihnen gelungen, den Schaden zu begrenzen. „Es war furchtbar, aber es entstand keine zweite Grosse Depresion“, hält der Nobelpreisträger fest. Die Regierungen werden jetzt aber von der gängigen Meinung aufgefordert, dazu überzugehen, die Zinsen zu erhöhen und die Ausgaben zu kürzen. So lautet zumindest der Grundtenor des aktuellen OECD-Berichts.

Die OECD plädiert für eine kräftige Zinsanhebung über die nächsten anderthalb Jahre, wie von Krugman zitiert wird, um die Inflation abzuwehren. Doch die Inflation ist niedrig und sie sinkt, erklärt Krugman. Selbst die eigenen Prognosen der OECD zeigen keine Spur von einer inflationären Bedrohung. Warum sollen also Zinsen erhöht werden? Glaubt die OECD, dass die Inflationserwartungen im Markt steigen werden? Das ist aber derzeit nicht der Fall. Ein ähnliches Argument wird vorgebracht, um „fiscal austerity“ (Sparmassnahmen) zu rechtfertigen. Das Lehrbuch und die Erfahrung sagen aber, dass es eine schlechte Idee ist, die Staatsausgaben zu kürzen, wenn man unter einer hohen Arbeitslosigkeit leidet. Es würde nicht nur den Einbruch vertiefen, sondern verschafft auch kaum Aussichten auf eine Verbesserung des Haushaltes, weil die Regierung vieles von dem, was sie durch Ausgabenkürzung spart, verlieren wird, weil die depressive Wirtschaft die Steuereinnahmen drückt, erklärt Krugman. Die OECD prognostiziert eine lang anhaltende hohe Arbeitslosigkeit. Dennoch fordert die Organisation mit Sitz in Paris die Regierungen auf, die Konjunkturprogramme (fiscal stimulus) zu kündigen und im nächsten Jahr mit der Haushaltskonsolidierung zu beginnen. Warum? Investoren scheinen zur Zeit über die Zahlungsfähigkeit der USA nicht besorgt zu sein. Die Renditen der Staatsanleihen notieren auf historischen Tiefs. Die Ausbreitung der gängigen Meinung hat aber hässliche Folgen, schlussfolgert Krugman. Vergangene Woche haben konservative Mitglieder des Represäntantenhauses unter Berufung auf Defizit-Ängste einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der Unterstützung für die Langzeitarbeitslosen fallen lassen. Folglich werden viele amerikanische Familien gezwungen, ihre Ausgaben zu kürzen, was wiederum die Arbeitsplätze von vielen anderen gefährden wird.

Sonntag, 30. Mai 2010

Wer „shortet“ Finanzreform?

In einem lesenswerten, ironischen Essay in NYT befasst sich Michael Lewis mit der Thematik Finanzreform, in Form eines Schreibens

an: „Wall Street CEOs“,
von: „Ihr Mann in Washington“,
Betreff: „Status quo behalten“.

„Unsere Gewinne sind robust. Unsere Vergütung ist wieder zurück auf ihr natürliches, hohes Niveau. Folglich haben wir die Phantasie der meisten ehrgeizigen Studenten an den besten Universtitäten wiederergriffen. Aus dieser einzigen Tatsache folgen viele wünschenswerte Ergebnisse“, so beginnt das Rundumschreiben aus Washington an Wall Street aus der Feder des Bestseller-Autors Lewis („The Big Short“). „So haben wir uns von dem, was wir „Grosses Unglück“ nennen, fast vollständig erholt. In den nächsten Wochen werden sich jedoch schlecht informierte Senatoren mit schlecht bezahlten Mitgliedern des Repräsentantenhauses treffen, um sich über ihre schlecht konzipierte Finanzreform zu versöhnen. Dieser Prozess kann und darf nicht gestoppt werden. Das amerikanische Volk bedarf zumindest der Illusion des Wandels. Es kann aber für unsere Interessen unbedenklich gemacht werden“, fährt Lewis weiter aus Sicht des "Mannes der Banken aus Washington" in seinem imaginären Brief.

„Wir halten die Öffentlichkeit mit Erfolg auf ein einziges Thema fokussiert, welches kaum Einfluss darauf hat, wie wir Geschäfte machen: Die Frage danach, wie zu verhindern ist, damit das Geld der Steuerzahler jemals wieder ausgegeben wird, um die Wall Street zu retten. Gemeinsam haben wir die Debatte bereits unterdrückt, dass beispielsweise die jenigen von uns, die als „too big to fail“ gelten, „too big“ sind und aufgebrochen werden müssten oder CDS und CDO und sonstige Finanzinnovationen einfach verboten gehören. Wir sind jetzt frei, um die wenigen noch verbleibenden Gefahren für die Art, wie wir leben, anzugehen, nämlich: (1) "Washington wird jetzt versuchen, unsere Fähigkeit, die Idiotie von institutionellen Anlegern (d.h. unseren Kunden) auszubeuten, zu begrenzen. Der Senat scheint das lukrative Derivate-Geschäft auf offene Börsen übertragen zu wollen, wo jeder Anleger sehen kann, wie die Preise zustande kommen. Diese Massnahme, die ich als „Making the World Safe for Germans With Money Act“ beschreibe, ist schwierig zu bekämpfen. Unsere Strategie hier ist, wie anderswo, das Problem zu verkomplizieren. (2) Unsere geistesschwachen Cousins bei Moody’s und Standard & Poor’s werden wahrscheinlich einen Schlag auf ihren bereits niedrigen Status erleiden. Sie werden so gut wie sicher ihrer Bezeichnung als „National Anerkannte Statistische Bewertungsorganisation“ beraubt. Was auch das immer bedeuten mag, stellt es für unsere Lebensweise keine Bedrohung dar. Genau im Gegenteil: Je elender die Mitarbeiter bei Moody’s am Werk sind, desto unfähiger (und manipulierbarer) werden die Mitarbeiter von Moody’s. (3) Es gibt zwar eine leichte, aber reale Gefahr, dass die öffentliche Meinung uns in eine unerwartete Richtung zerren kann. In den vergangenen Monaten ist ein merkwürdiges Muster aufgekommen: Je offener die Debatte, desto radikaler wird das Ergebnis“.

„Kurzfristig müssen wir tun, was wir tun können, um Barney Frank von Gesprächen mit Senatoren und Mitgliedern des Represäntantenhauses abzuhalten, die im TV übertragen werden. Auf längere Sicht müssen wir in den Schatten zurück. Arbeite im Privaten. Lass dein Geld für dich sprechen und erinnere dich daran, dass der einzige Weg, die Finanzreform, die wir wollen, zu bekommen ist, wenn wir sie bezahlen. Niemand sonst kann es sich leisten“.

Finanzmarktreform: Vorlagen mit 3'000 Seiten – aber noch keine Klarheit

Das Glass-Steagall Gesetz, das 1933 als Teil des New Deal Programms von Präsidenten Franklin D. Roosevelt erlassen wurde, um die „Grosse Depression“ zu bekämpfen und die Deflation abzuwenden, sorgte für die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken. Es schützte Bankkunden, einzelne Investoren und das Finanzsystem als Ganzes von der Art der regelrechten Zerstörung, die die Welt heute über die vergangenen zwei Jahre erlebt. Das Glass-Steagall Gesetz, das 1999 von Larry Summers unter Präsident Bill Clinton aufgehoben wurde, war „ein Dokument mit 34 Seiten“, schreibt Gretchen Morgenson in der Sonntagsausgabe von NYT. Die beiden Gesetzentwürfe des Senats und des Repräsentantenhauses umfassen heute stolze 3'000 Seiten, bemerkt Morgenson. Trotz all dem Gerede sind die beiden Vorlagen mangelhaft, argumentiert die anerkannte Journalistin. Die Wall Street dürfte demnach mit „Black Boxes“ weiter fahren, die nukleares Potenzial haben, erklärt sie.

Selbst wenn das Beste aus den beiden Vorlagen zu Gesetz werden sollte, bleiben die Wirtschaft, die Investoren und die Steuerzahler ihrer Einschätzung nach anfällig für Bankkrisen. Die Banken und die „Trading Shops“ der Wall Street freuen sich, den Status quo zu halten. Morgenson verweist darauf, dass die Derivate (zumindest viele davon) trotz ihrer Allgegenwart und der zentralen Rolle, die sie in der modernen Finanzwirtschaft spielen, immer noch nicht an den Börsen wie Aktien offen gehandelt werden. Wenn ein Institut heute ein Derivat wie z.B. CDS kauft, gilt diese Transaktion als privater Vertrag, zwischen dem Käufer und dem Verkäufer. Weil private Transaktionen wie diese grosse und riskante Engagements maskieren können, will die Finanzreform den Derivatehandel transparenter machen, was eine gute Sache ist, legt Morgenson dar. Die beiden Vorlagen schlagen vor, dass standartisierte Derivate an einer Börse oder einer „Swap Execution Facility“ gehandelt werden. Der Teufel steckt aber im Detail. Es ergeben sich Probleme, wie die Vorlagen definieren, was eine „Swap-Execution Facility“ ist und wer eine besitzen darf. Grossbanken wollen solche Plätze schaffen, wo Swaps gehandelt werden, weil die Kontrolle ihnen viele Vorteile bringt. Erstens gibt es Händlern sehr wertvolle pre-trade Informationen von Kunden, die diese Instrumente kaufen oder verkaufen wollen. Zweitens können Händler, je nach dem, wie die Fazilitäten konzipiert sind, Informationen über die Transaktionen, die stattfinden, begrenzen. Wenn eine Reihe von Preisen nicht ohne weiteres verfügbar sind, können Kunden keine Vergleiche (wie beim Shopping) erstellen. Die Banken können folglich die Preise viel höher stellen, als es an einer Börse der Fall wäre. Während der Gesetzentwurf des Represäntantenhauses den Besitz von Fazilitäten für die Banken auf 20% deckeln will, sieht die Vorlage des Senats keine derartige Beschränkung vor. Es ist daher unklar, wie das endgültige Gesetz zu dieser entscheidenden Thematik aussehen wird. Eins ist aber sicher: Die Banken-Lobby wird dafür kämpfen, eigene Fazilitäten zu haben.

US-Notenbank plant Verwendung von Term Deposit Facility

Die US-Notenbank hat am Freitag angekündigt, eine neue Fazilität anzuwenden, um einen Teil der Überschussliquidität, die sie zur Bekämpfung der Rezession in den Markt gepumpt hat, wieder zu entziehen. Die Fed betont aber, dass damit keine Straffung der Geldpolitik einhergeht. Es handelt sich dabei um drei kleine Term-Deposit Auktionen durch ihre „Term Deposit Facility“ (TDF) in den nächsten zwei Monaten. Die Versteigerungen seien eine Frage der umsichtigen Planung und hätten keine Auswirkungen auf die kurzfristige Durchführung der Geldpolitik. Alle Auktionen von Termineinlagen werden in Form von „Single-Preis“ stattfinden.

1. Auktion: 1 Mrd. $, Laufzeit: 14 Tage, Beginn am 14. Juni
2. Auktion: Laufzeit: 28 Tage, Beginn am 28. Juni
3. Auktion: Laufzeit: 84 Tage, Beginn am 12. Juli.



Überschussreserven der Einlageinstitute, Graph: Fed St. Louis, im Mai 2010

Die Höhe der Termineinlagen für die 2. und 3. Auktion wird mit anderen Parametern zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben, teilte die Fed mit.

Eine Termineinlage ist eine Einlage mit einer bestimmten Laufzeit. Das Term Deposit wurde eingerichtet, um die Durchführung der Geldpolitik zu erleichtern, indem es als Werkzeug verwendet wird, um die aggregierte Quantität an Reserven der Einlageinstitute zu verwalten. Ein Anstieg an ausstehenden Termineinlagen erschöpft Reserven, weil die Mittel zu ihrer Finanzierung von den Konten der beteiligten Einlageninstitutionen abfliessen, und zwar so lange wie die Laufzeit der Termineinlagen.

Mehr Infos dazu in Termin Deposit Facility Resource Center.

Samstag, 29. Mai 2010

US-Staatsanleihen: Der sichere Hafen im weltweiten Abschwung

Bradford DeLong befasst sich in seiner aktuellen Kolumne („Flight to Quality“) in Project Syndicate mit dem Thema „Flucht in die Qualität“, d.h. der Flucht der Anleger in den sicheren Hafen der US-Staatsanleihen. Er verweist darauf, dass die Rendite der 30-jährigen US-Treasuries auf Endfälligkeit Ende Mai bei 4,07% lag, also einen halben Prozentpunkt niedriger als zu Beginn des Monats. Das heisst, dass der Preis für 30-jährige UST um über 15% gestiegen ist. Das signalisiert einen bemerkenswerten Anstieg der Überschussnachfrage nach sicheren Finanzanlagen, bemerkt der Wirtschaftsprofessor an der University of California at Berkeley. Warum ist es wichtig? Weil der Überschussnachfrage nach Cash (oder nach hochwertigen und liquiden Anlagen) ein Überschussangebot von allem anderen gegenübersteht, wie John Stuart Mill in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts feststellte. Was Ökonomen drei Generationen später als Walras-Gesetz bezeichnet haben, ist das Prinzip, dass jeder Markt, auf dem Menschen planen, mehr zu kaufen, als erhältlich ist, durch einen Markt oder mehrere aufgewogen werden muss, wo die Menschen planen, weniger zu kaufen.


30 Y UST, Graph: wsj.com

Das haben wir im Frühherbst 2007 beobachtet, schreibt DeLong weiter. Die wachsende Überschussnachfrage nach sicheren, liquiden und hochwertigen Finanzanlagen hat ein wachsendes Überschussangebot an Waren und Dienstleistungen mit sich gebracht. Nun teilen uns die globalen Märkte mit, dass diese Überschussnachfrage nach sicheren, liquiden und hochwertigen Finanzanlagen noch grösser geworden ist, erklärt DeLong. Der grösste Teil des jüngsten Wandels ist allerdings nicht auf eine Zunahme der Nachfrage nach sicheren, liquiden und hochwertigen Finanzanlagen zurückzuführen, sondern auf einen Rückgang des Angebots: Vor sechs Monaten betrachtete man die von südeuropäischen Ländern emittierten Anleihen als hochwertig, mit denen man auf der sicheren Seite lag, hält DeLong fest. Jetzt ist davon keine Rede mehr. „Schliesslich teilt uns der Markt mit, welche Dinge wertvoll sind und gibt uns damit ein Signal, mehr davon zu produzieren, argumentiert er. Aktuell signalisieren uns die Märkte, dass US-Staatsanleihen viel wertvolle Anlagen sind, so DeLong. Staaten mit uneingeschränkter Kreditwürdigkeit sollten also laut DeLong mehr davon schaffen. Aber wieviel? „Solange es ein deutliches weitweites Überschussangebot an Waren und Dienstleistungen gibt, solange die Arbeitslosigkeit hoch bleibt und die Inflationszahlen fallen, tun sie nicht genug. Und die Kluft zwischen dem, was getan werden sollte und und was im Endeffekt getan wurde, ist im Mai deutlich gewachsen“, argumentiert DeLong.

Defizitfalken zerstören Erholung

Der private Verbrauch macht rund 70% der amerikanischen Wirtschaftsleistung aus. Geben Konsumenten kein Geld aus, dann droht eine Rückschlagsgefahr. Wie die amerikanische Regierung soeben berichtet hat, sind die Verbraucherausgaben im April zum Stillstand gekommen. Das ist der erste Monat, indem Konsumenten seit September keine Ausgaben getätigt haben, bemerkt Robert Reich in seinem Blog. Stattdessen steigern die Verbraucher ihre Ersparnisse, weil sie wahrscheinlich über das langsame Wachstumstempo der Beschäftigung genauso besorgt sind wie über die glanzlose Erholung der Konjunktur, argumentiert Reich. Konsumenten tragen immer noch eine enorme Schuldenlast. Einer von vier Hausbesitzern ist noch „unter Wasser“ und die Medianlöhne kommen nicht von Fleck, hebt der ehem. Arbeitsminister der Clinton Regierung hervor.



Einkommen und Verbraucherausgaben, Graph: BEA, May 28, 2010

Was macht der Kongress, um die Wirtschaft anzukurbeln, während die Verbraucher sich zurückhalten? Nichts, schreibt der Wirtschaftsprofessor an der Berkeley University. „Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten die Subventionsvorschläge, die Arbeitslosen helfen sollen, Krankenversicherungen zu kaufen, bereits über Bord geworfen. Und sie haben die Verlängerung der Arbeitslosenversicherung abgestutzt“, erklärt Reich. Das Defizit-Kürzung-Fieber hat auch den Senat getroffen, bemerkt er. Es sei denn, es geht um das Militär. Der Senat hat vergangene Nacht einen Vorschlag zur Kriegsfinanzierung in Afghanistan 60 Mrd. $ gebilligt. Der Afghanistankrieg hat in diesem Jahr mehr gekostet als der Irak-Krieg, hält Reich fest. Währenddessen entlassen lokale Regierung immer mehr Lehrer, Feuerwehrleute, Sozialarbeiter und Polizisten. Und immer mehr Programme für die Armen und die Arbeiterklasse werden annuliert. Sollten sich Konsumenten mit Ausgaben weiter zurückhalten, steuern wir auf eine double-dip-Rezession zu, erläutert Reich. „Das langfristige Defizit braucht Aufmerksamkeit. Jetzt muss aber der Staat mehr Geld ausgeben. Sonst haben wir keine Hoffnung, uns von der Anziehungskraft der Rezession zu befreien“, argumentiert Reich.


Privates Einkommen und Verbraucherausgaben, Angaben: BEA (Bureau of Economic Analysis

FDIC schliesst am Freitag 5 weitere Banken

Die FDIC hat am Freitag laut Washington Post 3 Banken in Florida und jeweils eine in Nevada und Kalifornien geschlossen: Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 verstaatlicht wurden, auf 78 gestiegen. Die Banken verfügen über ein Anlagevermögen von 1’945 Mio. $. Die Einlagensicherungsbehörde (FDIC) schätzt die Kosten der übernommenen Banken auf 317 Mio. $ für die öffentliche Hand.

Bankpleiten:
2010: 78
2009: 140
2008: 25
2007: 3

Mit 78 Schliessungen hat sich das Tempo der Bankpleiten im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Zu diesem Zeitpunkt des vergangenen Jahres hatte die Regulierungsbehörde 36 Banken geschlossen. Da die Verluste auf Darlehen für gewerbliche Immobilien und Entwicklung zunehmen, ist der Einlagensicherungsfonds in die roten Zahlen gerutscht. Siehe den Bericht der FDIC fürs I. Quartal 2010. Das Defizit beläuft sich indes auf 20,7 Mrd. $ per 31. März 2010.

Mit 3 Schliessungen ist die Anzahl der Bankpleiten in Florida in diesem Jahr auf 13 gestiegen. Florida ist ein Bundesstaat mit der höchsten Konzentration von Bankpleiten, wo die Kernschmelze im Immobilienmarkt eine Lawine von ausgefallenen Hypothekendarlehen ausgelöst hat. Im Vorjahr sind 14 Banken in Florida gescheitert. In Kalifornien sind in diesem Jahr 6 Banken ausgefallen. Im Vorjahr sind 17 Banken in Kalifornien pleitegegangen. Auch Georgia und Illinois erscheinen ganz oben auf der Liste der Bundesstaaten mit konzentrierten Bankpleiten.

PS: Die FDIC hat im vergangenen Jahr 140 Banken geschlossen. Die Kosten für die Behörde: 30 Mrd. $.

Freitag, 28. Mai 2010

Disinflationäre Tendenz – heuchlerische Defizitfalken

Die europäische Schuldenkrise hängt wie das Damoklesschwert über dem Markt. Soll man auf dem stark korrigierten Niveau an den Aktienmärkten einsteigen oder noch abwarten? Während der eine Analyst zum Kauf empfiehlt, empfiehlt der andere zum Verkauf. Was machen aber Medien? Die Medien empfehlen vorwiegend Panik und Angst. Sie geben freimütig Tipps, wie man sich vor Inflation schützt, obwohl Kerninflation in den USA deutlich unter Minus 1,0% verläuft und die EZB nicht darum herumkommt, die Geldpolitik weiter zu lockern. Politiker empfehlen rigoroses Sparen. Mitten im schwersten Abschwung seit den 1930er Jahren! Obwohl es offensichtlich ist, dass eine Schuldenbremse in Zeiten wirtschaftlicher Depression nur eine verwüstende Deflation auslösen kann. Spanien verbucht bereits minus Inflation. Auch Portugal und Griechenland dürften von der Deflation nicht verschont bleiben, solange sie "Fiscal Austerity" betreiben.


Disinflationärer Abschwung, Graph: Courtesy of Jim Caron, Morgan Stanley

„Die grösste von all den Lücken zwischen Elite und Masse in den USA ist heute, dass die Eliten wirklich nicht glauben, dass wir immer noch in der Rezession sind. Oder vielleicht, dass sie sich nicht darum kümmern“, bemerkt Marshall Auerback in einem lesenswerten Essay in new deal 2.0. Das ist umso ärgerlicher, als eben diese Leute, nachdem sie zum grössten Nutzniesser der staatlichen Grosszügigkeit in den vergangenen zwei Jahren zählten, nun den Staat wegen „unverantwortlicher und untragbarer Fiskalpolitik“ anprangern, schreibt Auerback weiter. Wieso haben wir jetzt ein Defizit von rund 10% des BIP, während es vor drei Jahren weniger als 2% betrug? Die Gründe dafür sind: (1) Konjunkturprogramm der Obama-Regierung, (2) TARP und (3) schwaches Wirtschaftswachstum, was eine Folge der grossen Finanzkrise ist, erklärt Auerback. Schwächeres Wirtschaftswachstum führt zu geringeren Einnahmen (weniger Einkommen = weniger Steuern, da die meisten Steuereinnahmen auf Einkommen beruhen und niedrigere Steuersätze) und höhere Ausgaben fürs soziale Auffangnetz, bemerkt Auerback. In diesem Furor über Defizit geht es jedoch verloren, wer die Nutzniesser der staatlichen Grosszügigkeit sind. Es sind sicherlich nicht die Arbeitslosen oder die überwiegende Mehrheit der Menschen, die nicht im Finanzdienstleistungssektor arbeiten. Abgesehen von Simon Johnson berichtet aber kein Analyst davon, dass der Anstieg der Staatsquote in den USA von 40% auf 90% des BIP in den vergangenen zwei Jahren auf die Finanzmarktkrise von 2008 zurückzuführen ist.

Donnerstag, 27. Mai 2010

US-Konjunkturprogramm: Früchte im ersten Quartal

Das CBO (Congressional Budget Office), hat gestern seine jüngste
Einschätzung
des amerikanischen Konjunkturpakets (ARRA : American Recovery and Reinvestment Act, 2009) für das erste Quartal 2010 veröffentlicht, wie The Economist berichtet. Das CBO ist eine Behörde des US-Kongresses, die sich mit der Prüfung und Schätzung der nötigen Ausgaben innerhalb eines Haushaltsjahres befasst. Hier ist eine kurze, von Calculated Risk zusammengefasste Übersicht: Das Konjunkturprogramm („fiscal stimulus“) hat

das Niveau des realen BIP um 1,7% bis 4,2% gesteigert,
die Arbeitslosigkeit um 0,7% bis 1,5% gesenkt,
die Zahl der Beschäftigten um 1,2 bis 2,8 Mio. erhöht,
die Zahl von vollzeit-äquivalenten Arbeitsplätzen zwischen 1,8 bis 4,1 Millionen steigen lassen.


Das CBO geht davon aus, dass das Konjunkturprogramm auf die Produktion und die Beschäftigung noch während des Kalenderjahres 2010 auswirken, aber dann im Jahr 2011 sich zurückbilden und Ende 2012 verblassen wird. In der Tat dürften die Auswirkungen ihren Höhepunkt im laufenden Quartal erreicht haben. Nach dem Spitzenwert ist zu erwarten, dass der positive Stimulus abnehmen wird.


Schätzung der makroökonomischen Auswirkungen des ARRA, Graph: CBO Bericht zum US-Konjunkturprogramm 2009

Fazit: Die Wirtschaft wächst wieder. Aber die Massenarbeitslosigkeit hält an. Was kann noch getan werden? Mehr Konjunkturmassnahmen, schreibt Paul Krugman. Aber der US-Kongress kann sich mit der Idee nicht anfreunden. China könnte angehalten werden, seine Landeswährung aufwerten zu lassen. Tim Geithner, der amerikanische Finanzminister hat deshalb gerade Peking besucht. Nun kommt er jedoch mit leeren Händen zurück. Kann die Geldpolitik noch mehr tun, wenn z.B. die Zentralbanken eine höhere Inflationsrate in Kauf nehmen? Die Fed und die BoJ lehnen die Idee ab. „Es ist deprimierend: Parolen und die gängige Meinung blockieren alle Routen aus diesem Einbruch“, bemerkt Krugman. Die politischen Entscheidungsträger scheinen dazusitzen und sich gegenseitig wegen ihrer soliden Politik zu beglückwünschen. Kontraproduktiv wäre auf alle Fälle ein Haushaltsausgleich für alle EU-Länder mitten in einem tiefen Abschwung, wie von der Kanzlerin Merkel angestrebt wird. Viel wichtiger ist, die Handelsbilanzen auszugleichen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Euro und Basis Swap

Die europäische Schuldenkrise lastet auf Euro. Die Gemeinschaftswährung fällt und fällt. China überprüfe seine Euro-Bestände, berichtet FT. Wie schlecht ist um die Wirtschaft in der Euro-Zone bestellt? Die Politiker sind unfähig, für Klarheit zu sorgen. Mit ihrem infantilen Verhalten, indem sie andauernd auf „Spekulanten“ schimpfen, verstärken sie sogar den Euro-Absturz. Das Vertrauen in Euro schwindet. Der 5 Jahre Euro-Dollar Basis Swap ist bereits vergangene Woche stark gefallen. Ein Basis Swap besteht aus dem Austausch von Cash Flows, indem beispielsweise Zinszahlung in Euro in Dollar gewandelt werden. Die Basis Swaps Kontrakte sind auf Minus 26 Basispunkte abgerutscht. Die Flucht in einen sicheren Hafen ("flight to quality") scheint die Nachfrage nach Dollar zu steigern. Der negative Wert bedeutet, dass die Kreditnehmer weniger Euro erhalten, wenn sie Zahlungen in Dollar (gestützt auf Libor) im Austausch für einen im voraus vereinbarten Betrag Dollar leisten.


Euro / Dollar Wechselkurs (1 Jahr Chart), Graph: finance.yahoo.com

Der 5 Jahre Euro-Dollar Basis Swap Satz gilt als Mass für die Nachfrage nach US-Dollar. Der negative Wert zeigt, dass die Investoren mehr als bereit sind, im Austausch weniger Zinszahlungen auf Kapital, das in nicht-Dollar-Währungen ausgeliehen wurde, zu bekommen. Der US-Dollar 3 Monats Libor steigt heute den 13. Tag in Folge. Die anhaltende Ausweitung des Basis Swap Spreads deutet darauf hin, dass das gefragte Premium, den Dollar gegen den Euro auszutauschen, sehr hoch ist, v.a. in der langen Frist. Mit der Einführung von temporären Swap-Fazilitäten für US-Dollar Liquidität versuchen die führenden Zentralbanken, die Anspannungen zwischen Angebot und Nachfrage für/nach Dollar in kurzer Frist zu normalisieren.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Finanzmarktreform: Business as usual – Banker gewinnen

„Inzwischen haben Sie wahrscheinlich zu Recht realisiert, dass „Finanzreform“ zu einem Triumphzug für die Wall Street geworden ist“, schreibt Simon Johnson in The Baseline Scenario. „Als sie vor einem Jahr die grossen Banken mit massiver bedingungsloser Unterstützung (sowohl explizit als auch implizit) gerettet haben, haben die Regierungsbeamte gesagt, dass sie später darauf zurückkämen, um die zugrunde liegenden Probleme anzupacken. Sie und der Kongress haben offensichtlich versagt“, resümiert Johnson. „Die Struktur des Bankensystems bleibt unverändert. Die Regeln werden an den Rändern optimiert und das Anreizsystem, welches hinter der rücksichtslosen Risikobereitschaft liegt, ist nur viel gefährlicher geworden“, bemerkt der ehem. Chef-Ökonom des IWF. „Es gibt nur eine kleine Chance für jeden vernüftigen Fortschritt, der übrig bleibt. Und Sie werden sehen, dass die von den Anhängern der entfesselten Grossbanken zerschlagen werden wird“, argumentiert Wirtschaftsprofessor an der MIT’s Sloan School of Management.


Relative Financial Wage and Financial Deregulation, Graph: Courtesy of James Kwak, 13 Bankers

Blanche Lincoln’s Vorschlag (demokr. Senatorin) im Hinblick auf Derivate ist lobenswert. Eine Fürsorgepflicht für Swap-Händler vis-à-vis Kunden einzuführen, ist durchaus angebracht und ist in der Tat längst überfällig, erklärt Johnson.

Business as usual“ ist das verbleibende Vermächtnis der Obama-Regierung in Bezug auf die systemischen Risiken,die vom Finanzsystem ausgehen. Das US-Schatzamt und das White House haben uns im Stich gelassen. Im Frühjahr 1998 rief Larry Summers Brooksley Born an. Frau Born war die Chefin der CFTC („Commodity Futures Trading Commission“), die versucht hat, die Gefahren, die aus den Derivaten ausgehen, unter Kontrolle zu bringen. Summers soll ihr am Telefon gesagt haben: „Ich habe 13 Banker in meinem Büro, die sagen, dass Sie, wenn Sie so weiter fahren, die schlimmste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg verursachen werden“.

Der Kreis schliesst sich jetzt. Wir sehen, dass genau die gleichen Leute genau die gleichen Dinge sagen. Ohne Zweifel rufen die Top Leute in der Regierung Senatorin Lincoln an, um ihr dasselbe Argument, das Summers damals Born entgegenhielt, wieder einzuprägen. Johnson’s Fazit: Die „13 Bankers“ haben komplett gewonnen.

Fall Japan: Keine Entwarnung bei Deflation

US-Notenbankchef Ben Bernanke sieht für die USA keine akute Inflationsgefahr. Die Preiserwartungen sind sehr stabil, sagte Bernanke („Central Bank Independence, Transparency and Accountability“) heute in der Fragerunde einer Veranstaltung („Monetary and Economic Studies International Conference“) der japanischen Notenbank (BoJ) in Tokio, wie FTD berichtet. In einem deflationären Umfeld vor Inflationsgefahr zu warnen, ist ohnehin absurd. Dennoch tun es viele Mainstream-Ökonomen und reaktionäre Kreise, um Angst zu schüren. In einer Liquiditätsfalle löst der Anstieg der Geldbasis keine Inflation aus. Das belegt Japan’s Erfahrung während der Zeit des verlorenen Jahrzehnts.


UST 10 Y yield, Graph : Bloomberg.com

Dass eine expansive Fiskalpolitik nicht zu einem Anstieg der Zinsen führt, hatte Paul Krugman mehrmals überzeugend dargelegt. Heute verweist Nobelpreisträger in seinem Blog darauf hin, dass die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen am 1. Mai 2009 3,17% betragen hat. 12 Monate später beläuft sich die Rendite auf 3,14%. Das heisst niedriger. Krugman zeigt zudem auf die von uns gestern in diesem Blog zusammengefassten (sehr aufschlussreichen) Präsentation von Adam Posen bei Bank of England mit vielen anschaulichen Abbildungen und erklärt, dass die Geldbasis (=Notenbankgeldmenge, d.h. Giroguthaben der Banken bei der Notenbank + Notenumlauf) infolge der Politik der mengenmässigen Lockerung ("quantitative easing") durch die BoJ drei Jahre lang angestiegen ist, ohne inflationäre Folgen. Ganz im Gegenteil: Die Deflation hält noch an. Was lässt sich daraus für die gegenwärtige Situation der Wirtschaft schliessen? (1) Man braucht sich über die Inflation keine Sorgen zu machen, (2) In einer Liquiditätsfalle ist es schwer, eine effektive Geldpolitik auszuführen und (3) den Fall Japan weiterhin zu studieren, ist sehr nützlich, um zu verstehen, was sich heute in der Wirtschaft abspielt.

Dienstag, 25. Mai 2010

Finanzmarktreform: Regulierung versus Strukturwandel

Das Wichtigste über den 1'500 Seiten umfassenden Gesetzentwurf zur Finanzreform, der vom Senat vergangene Woche verabschiedet wurde, ist, zu wissen, dass er regulatorisch ist. Er enthält nichts, die Struktur der Wall Street zu verändern, schreibt Robert Reich in seinem Blog. Der einzige Weg, um eine nachhaltige Wirkung auf Industrien, die so gross und unnachgiebig sind wie die Finanzbranche und das Gesundheitswesen, ist, ihre Struktur zu verändern, argumentiert der ehem. Arbeitsminister der Bill Clinton Regierung. Das sei der Ansatz von Franklin D. Roosevelt für den Finanzsektor in den 1930er Jahren gewesen, und von Lyndon Johnson für das Medicare (staatlicher Gesundheitsdienst für Rentner über 65) in den 1960er Jahren. Warum hat also Präsident Obama Regulierung über Umstrukturierung vorgezogen? Weil die Umstrukturierung der Wall Street oder des Gesundheitswesens sicherlich Feuerstürme in diesen Branchen auslösen würde. Beide sind mächtig und Obama will sich nicht direkt gegen sie stellen, erklärt Wirtschaftsprofessor an der University of Berkeley.

„Ich möchte hinzufügen, dass Obama als ein pragmatischer Politiker stark daran glaubt, dass etwas zu tun besser ist als gar nichts zu tun“, bemerkt James Kwak dazu in einem lesenswerten Essay in Huffington Post. Kwak ist überzeugt, dass Obama in Sachen Gesundheitsversorgung das Beste herausgeholt hat. Aber in Sachen Finanzreform hätte die Obama Regierung mehr tun können, betont Kwak. Vor allem wollte erstens die öffentliche Meinung mehr, und zweitens hat die Administration gegen einige der weitreichendsten Veränderungen wie von Kaufman-Brown und Blanche Lincoln’s Derivate-Vorschriften Lobby-Arbeit geleistet, hebt der Co-Author von „ 13 Bankers“ hervor. Der Strukturwandel ist härter als die Einführung von neuen Vorschriften, erklärt Mark Thoma zum gleichen Thema in seinem Blog. Die Tatsache, warum die Gesetzgeber sich zurückhalten, schwere Veränderungen zu verhängen, ist ihre Angst vor dem Verlust der Unterstützung der Finanzindustrie für die Wiederwahl, bemerkt Thoma. Und das deute auf die politische Macht der Finanzindustrie, die sie immer noch hat, hin. „Wenn wir den politischen Willen nicht aufbringen können, im Lichte des verheerendsten finanziellen Zusammenbruchs seit der Grossen Depression solche Veränderungen durchzusetzen, dann bedeutet das nichts Gutes für die Zukunft“, hält Thoma klagend fest.

Japan’s Grosse Rezession

Der Dow Jones startete heute unter 10'000 Punkten. Anleger schichten radikal um. Es findet eine panikartige Flucht aus riskanteren Vermögenswerten statt. Gesucht sind v.a. sichere Staatsanleihen. Die EU-Schuldenkrise zieht weitere Kreise. Aufschläge für spanische Anleihen steigen. Investoren sind alarmiert. Droht im Sog der Finanzkrise ein verlorenes Jahrzehnt für Europa, wie Japan es Ende der 1990er Jahren erlebt hat? Das heisst: Deflation und Null-Wachstum. Adam Posen, externes Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der britischen Notenbank (Bank of England) warnt davor, in ein Syndrom zu verfallen, dass „wir zu Japan werden“. Stattdessen sollten wir Japan’s Grosse Rezession als Nachweis für die Gültigkeit des Lehrbuchs nach keynesianischer Makroökonomie betrachten. Posen argumentiert, dass Japan’s Grosse Rezession das Ergebnis einer Reihe von makroökonomischen und finanzpolitischen Fehlleitungen war.


Japan’s BIP-Wachstum, annualisiert, Graph : Courtesy of Adam Posen

Sie wäre weitgehend vermeidbar gewesen, v.a. nachdem der erste Schock nach dem Platzen der Spekulationsblase vorbei war, erklärt Posen. Dies werde durch die unterschätzten Stärke Japans Erholung unterstrichen, bevor die Wirtschaftspolitik in den Jahren 2002-03 rückgängig gemacht wurde, so der amerikanische Ökonom, der als senior fellow beim Peterson Institute for International Economics tätig ist. Japan habe tatsächlich eine Reihe von strukturellen Vorteilen gehabt, die die Stagnation umso mehr vermeidbar gemacht hätten, insbesondere in Bezug auf die Fiskalpolitik.


Japan’s Quantitative Easing, Graph : Courtesy of Adam Posen

Die Abweichung in Japan’s Rezession war nicht durch Wachstum bedingt, welche als eine Reihe von Erholungen gesehen werde, die von politischen Fehlern abgebrochen worden ist, nicht als eine flache Linie, sondern in Form eines Sägezahns. Vielmehr war die Überraschung die anhaltende Stabilität der begrenzten Deflation, die auch nach der Erholung stattfand, erläutert Posen. Das sei eine grundlegende Herausforderung für das makroökonomische Verständnis. Die britische und die amerikanische Wirtschaft sind aber nicht mit dem Risiko behaftet, zu Japan zu werden, indem Sinne, dass sie wiederkehrende Rezessionen durch makroökonomische Fehler erleben. Die Deflation selbst kann aber nicht ausgeschlossen werden, betont Posen. Ein grosses Problem, mit dem Japan während der Grossen Rezession nicht konfrontiert wurde, seien schlechte Aussichten für externe Nachfrage und die Notwendigkeit, zu produktiven Ressourcen in Exportsektoren umzuschichten. Grossbritannien, die USA und viele Volkswirtschaften der Euro-Zone stehen jetzt vor dieser Herausforderung, welche das Tempo der globalen Erholung beeinträchtigen dürfte, legt Posen dar.


Japan’s Erfahrungen mit Inflation, Graph : Courtesy of Adam Posen

Hat tip FT Alphaville.

Finanzkrise – Staatsverschuldungskrise: Folgt nun Finanzrepression?

Zunächst kommt die Finanzkrise, dann Staatsverschuldungskrise und schliesslich Finanzrepression. Das sind Worte von Carmen Reinhart, der Co-Autorin des Buches „ This Time is Different“, wie sie von Martin Wolf heute in FT zitiert wird. Die Frage ist aber im Gegenzug, wie wahrscheinlich eine finanzielle Repression ist? Welche Formen sie einnehmen mag? Könnte sie auch das Ende der globalen Finanzkrise bedeuten? Wirtschaftsprofessorin Reinhart argumentiert, dass die Regierungen zunächst die Kreditexpansion durch den privaten Sektor ermutigen. Dann häufen sich Schulden an. Am Schluss kommt es zu Panik. Die Staaten greifen ein, indem sie ihre Ausgaben erhöhen. Zugleich gehen aber ihre Einnahmen zurück. Die Verbindlichkeiten des Finanzsektors werden anschliessend verstaatlicht. Das Fiskaldefizit steigt an. Es kommt zu einer staatlichen Schuldenkrise. Was machen aber Staaten, wenn die Finanzierungskosten steigen, v.a. Länder, die sich in Fremdwährungen verschulden? Verzweifelte Staaten könnten Finanzinstitutionen zwingen, Staatsanleihen zu kaufen. An diesem Punkt beginne die Finanzrepression, so Reinhart.


LIBOR USD 3 M: 0,536%. Das höchste Niveau seit Juli, Graph: Bloomberg.com

Könnte die Globalisierung der Finanzmärkte sogar zerfallen, fragt Martin Wolf. In der Tat spitzt sich die Schuldenkrise in der EU-Zone allmählich zu. Der IWF zweifelt an Spanien. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Land an der hohen Schuldenlast strauchelt. Der Euro steht unter Abwertungsdruck. Anleger schichten von Aktien in die sicheren Staatsanleihen um. German Bunds sind gefragt. Die Rendite der deutschen Bundesanleihen sind mittlerweile auf 2,586% gesunken. Das ist ein Rekordtief. Der Bund-Future notiert bei 129,28%. Der Spread zwischen den Kosten für den Kauf und den Verkauf von Unternehmensanleihen hat indes den höchsten Wert seit 10 Monaten erreicht. Das ist ein anderes Anzeichen dafür, dass die Investoren die Risikobereitschaft radikal kürzen und Zuflucht bei den sicheren Staatsbonds suchen. Der bid-ask-Spread für CDS auf US-Unternehmensanleihen mit Investment Grade sind laut Bloomberg auf 8,86 Basispunkte geklettert, von 5,42 Basispunkten vor einem Monat.

Griechenland: Schattenwirtschaft mit Anteil von 20 bis 30%

„Griechenland ist ein relativ wohlhabendes Land. So scheint es jedenfalls, wenn man sich die Zahlen ansieht: Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 30'000 $. Rund drei Viertel des Niveaus von Deutschland“, schreibt Tyler Cowen in einem lesenswerten Essay in NYT. Was die Zahlen von Einkommen nicht erfassen, ist die relative Schwäche der wirtschaftlichen Institute in Griechenland. „Sie sind nicht im entferntesten vergleichbar mit denen von Deutschland und einigen anderen besser geführten EU-Nationen, weshalb die aktuelle Krise so schwer zu lösen ist“, argumentiert Wirtschaftsprofessor an der George Mason University. Die EU und der IWF haben ein enormes Rettungspaket geschnürt. Aber es ist nicht eine Frage der Finanzierung, sondern die des Wirtschaftswachstums. „Betrachten wir den Doing Business Index der Weltbank“, bemerkt Cowen weiter. Ein Index, der Länder nach der Qualität ihres ordnungspolitischen Umfelds für den Handel rangiert. Griechenland kommt auf Platz 109, hinter Ägypten, Äthiopien und dem Libanon.

Für die Kategorie „Länder mit hohem Einkommen“ ist das griechische Ranking gleich neben dem letzten, noch vor Äquatorial-Guinea, einem Land mit Ölreichtum. „Griechenland hat ein fehlgeleitetes Steuersystem mit Schattenwirtschaft, die schätzungsweise rund 20 bis 30% der Wirtschaft ausmacht. Steuerhinterziehung verschluckt jährlich rund 30 Mrd. $“, so Cowen. Allein die Einnahmen von Steuern, die legal geschuldet sind, würde Griechenlands Bücher ins Gleichgewicht bringen, erklärt Cowen. Doch selbst diese einfache Abhilfe scheint nicht unmittelbar bevorzustehen. „Die Produktion wird durch Staatsausgaben oft behindert, als unterstützt. Das gibt einen Anhaltspunkt dafür, warum die Zahlen Griechenland so reich erscheinen lassen als es wirklich ist“, behauptet Cowen. Griechenlands Währung, Euro ist stärker als die seines Nachbarn Türkei, sodass Ferien in Griechenland teuerer ist. Zumal Griechenland nicht genug Luxus-Hotels, Golf Clubs und Resorts gebaut hat, um die Kostenunterschiede zu rechftfertigen, schildert Cowen weiter. Die höheren Kosten der griechischen Waren und Dienstleistungen, die in Euro abgegolten werden, senken die Wettweberbsfähigkeit des Landes. Im Verlauf der Zeit werde sich dieses Problem verschärfen, wenn die Produktivität in Deutschland und Frankreich durchweg mit höherem Tempo wächst und der Wert des Euros griechische Exporte aus dem Rennen schmeisst. Ein schmerzhafter Weg aus diesem Dilemma wäre für Griechenland, eine anhaltende Deflation für Löhne und Preise in Angriff zu nehmen. Aber griechische Wähler gehen auf die Strasse, um Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie Löhne und Sozialleistungen behalten, erklärt Cowen. Deutschland und Frankreich sind mitschuldig, Griechenland als reicheres Land als es ist zu behandeln, betont der Ökonom. Der starke Euro hält die Ausfuhren aus finanzschwachen Euro-Zone-Ländern nicht-kompetitiv und macht es für Griechenland leichter, deutsche und französische Exporte zu kaufen. Beide Tendenzen kommen deutschen und französischen Handelsinteressen zu Gute, erläutert Cowen. Die EZB hat Griechenland als fiskalpolitisch verantwortliches Land behandelt, indem sie griechische Staatsanleihen gekauft hat, welche hochbewertet worden sind. Die europäischen Banken folgten. Und das bedeutete ein ungerechtfertigter Kreditboom für Griechenland. „Das ist jetzt die Ära des rohen wirtschaftlichen Erwachens. Griechenland ist einfach eine extreme Ausprägung. Der europäische Rettungsplan ist daher eine Leugnung dieser Wahrheit, dass viele Länder v.a. Griechenland nicht so reich sind, wie wir zu denken pflegen“, schlussfolgert Cowen.

Montag, 24. Mai 2010

US-Notenbank: Jahresbericht 2009

Die US-Notenbank (Fed) hat nicht die Absicht, alle ihre Wertpapiere einschliesslich mehr als 1'200 Mrd. $ MBS (mortgage-backed securities) zu verkaufen, bevor sie begonnen hat, die Zinsen zu erhöhen. Das teilt die Fed in ihrem heute vorgelegten Jahresbericht 2009 (Seite: 43) mit, wie Bloomberg Businessweek berichtet. Um die Grösse der Bilanz und die Quantität der Reserven zu reduzieren, will die Fed die Schuldverschreibungen der Agenturen und die MBS auslaufen lassen.


Zusammensetzung der Vermögenswerte der Fed, Graph : Fed St. Louis, May 2010

Die Fed verfügt per 19. Mai über MBS im Wert von 1'120 Mrd. $ und Agenturen-Schuldverschreibungen im Wert von 167,7 Mrd. $, wie der wöchentlichen Bilanz zu entnehmen ist.

Der Verkauf von Vermögenswerten würde laut Fed zu einem Anstieg von kurzfristigen Zinsen führen und die Geldpolitik straffen, indem das Niveau an Bankeinlagen reduziert wird. Darüber hinaus könnten Verkäufe einen Aufwärtsdruck für die langfristigen Zinssätze durch die Expansion des Angebots an längerfristigen Vermögenswerten für die Anleger auslösen, so die Fed im Bericht (96th Annual Report, Seite: 95).

Bank of Israel: Leitzins bleibt bei 1,50% unverändert

Die Bank of Israel (BoI) hat heute ihren Leitzins zum zweiten Mal in Folge bei 1,50% unverändert belassen. Der Zinsentscheid ist laut BoI ein Teil des schrittweise erfolgenden Prozesses, um die Zinsen auf ein „normales“ Niveau zu bringen, um die Inflation im Zielbereich fest zu positionieren, und damit zur Erholung der wirtschaftlichen Aktivität weiter beizutragen, bei gleichzeitiger Unterstützung der Stabilität des Finanzsystems. Der Verlauf des Zinssatzes werde in Übereinstimmung mit dem Inflationsumfeld, dem Grad der Festigkeit des Wirtschaftswachstums sowohl in Israel als auch weltweit und dem Satz, um den die Zinsen in den Industrieländern erhöht werden, und im Lichte der Entwicklungen des Wechselkurses von Schekel bestimmt, so die israelischen Währungshüter. Die Begründung zum heutigen Zinsentscheid blieb im Vergleich zum vergangenen Monat fast unverändert. Die Geldpolitik bleibt also weiterhin expansiv.


Bank of Israel, Benchmark Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Die Hauptüberlegungen, die hinter dem heutigen Zinsentscheid der BoI stehen: (1) Nach der Veröffentlichung der CPI Daten von April beträgt die Inflationsrate nun seit Beginn des Jahres Null Prozent. Sie lag in den vergangenen 12 Monaten oberhalb der Zielgrenze. Die Inflationserwartungen für die kommenden 12 Monate bleiben unverändert. Der Rückgang der Rohstoff- und Energiepreise rund um die Welt dürfte mässigend auf die Inflation in den kommenden Monaten auswirken, (2) Die in diesem Monat verfügbaren Daten über die realwirtschaftliche Entwicklung in Israel unterstützen weiterhin die Einschätzung, dass die Wirtschaftstätigkeit sich auf einem steigenden Trend befindet, obwohl es Anzeichen einer Verlangsamung der Zuwachsrate der Aktivitäten gibt. Der Grad der Unsicherheit ist in diesem Monat vor dem Hintergrund der Besorgnisse über die Schuldenkrise in einigen EU-Ländern gestiegen. Das würde negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität in Israel haben, (3) Die Zinssätze der Zentralbanken in den führenden Industrieländern sind sehr niedrig und sie werden voraussichtlich in den nächsten Monaten auch so bleiben. Zudem werden manche unkonventionelle Instrumente der geldpolitischen Akkomodation wieder eingeführt und (4) In Anbetracht der weiter ansteigenden Hauspreise und des steilen Anstiegs in Wohnungsdarlehen, was teilweise auf niedrige Zinsen zurückzuführen ist, hat die Aufsichtsbehörde für Banken heute einen Entwurf (Leitlinien) für Banken veröffentlicht, um die Vergabe von Darlehen im Wohnungswesen strenger zu kontrollieren und zusätzliche Vorschriften für Wohnungsbaukredite mit hohen „loan-to-value“-Ratio aufzuerlegen.


Israel’s Wirtschaftswachstum (BIP), Graph: Bloomberg.com

Das Protokoll der heutigen Beratung wird am 7. Juni veröffentlicht. Die nächste Sitzung der BoI findet am 28. Juni statt.

Die CDS-Prämien für israelische Staatsanleihen sind im Mai im Einklang mit dem Anstieg der Risikospreads auf der ganzen Welt um 14 Basispunkte auf 125 Basispunkte geklettert.

Monetisierung von Staatsschulden

Regierungen können „deficit spending“ (erhöhte Staatsausgaben zur Konjunkturbelebung in Zeiten wirtschaftlicher Depression) finanzieren, indem sie Anleihen ausgeben oder Geld drucken. In den meisten Ländern steuern Zentralbanken das Geldangebot. In den USA ist das Federal Reserve System (Fed) mit dieser Aufgabe betraut. Das bedeutet, dass das US-Finanzministerium (Treasury) nur eine Option für die Finanzierung von „deficit spending“ hat, bemerkt Daniel L. Thornton in einem lesenswerten Essay („Monetizing the Debt“) auf der Internetseite der Fed St. Louis. Natürlich könnte die Regierung „deficit spending“ finanzieren, wenn die Zentralbank Geld schafft, indem sie Staatsanleihen aufkauft. Angenommen kauft die Fed staatliche Wertpapiere. Das Schatzamt würde Zinsen auf die Staatspapiere zahlen. Die Fed könnte im Gegenzug die Zinserträge an das Schatzamt zurückschicken. Die Fed würde dadurch effektiv deficit spending finanzieren, indem sie Geld druckt. Die Regierung könnte die Anleihen an die Öffentlichkeit verkaufen und die Fed würde die öffentlichen Schuldscheine, die von der Allgemeinheit gehalten werden, in Geld austauschen.

Manche Analysten nennen diesen zweistufigen Prozess „Monetisierung der Schulden“. Thornton argumentiert aber, dass diese Definition von „Monetisierung der Schulden“ zu eng gefasst und uninteressant ist. Er macht eine interessantere und ökonomisch relevante Perspektive geltend. Die Fed müsste (1) nicht US-Treasuries aufkaufen, um Staatsschulden zu monetisieren, und die Monetisierung der Schulden (2) hänge entscheidend von dem von der Fed verfolgten Zweck ab. Die Idee, dass die Fed Staatsschulden durch den Austausch von Geld für Staatspapiere monetisiere, sei laut Thornton zu eng, da die Fed die Geldpolitik in erster Linie durch ihre Offenmarktgeschäfte, d.h. den Kauf und Verkauf von Wertpapieren ausführt. Kauft die Fed Wertpapiere, steigt die monetäre Basis. Verkauft sie Wertpapiere, sinkt die monetäre Basis (Geldbasis). „Falls „Monetisierung der Schulden“ als Konvertierung der Staatsschulden ins Geld definiert wird, dann gäbe es keinen Grund zu fragen, ob die Fed die Schulden monetisiert hat. Die Antwort wäre klar: Ja, jedes Mal, wenn die Fed Staatsbonds erwirbt“, erklärt Thornton. Das Ziel der Fed ist aber, wie die meisten anderen Zentralbanken, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern und die Preisstabilität zu gewährleisten. In dem Prozess, um dieses Ziel zu erreichen, expandiert das Geldangebot im Lauf der Zeit mit den Bedürfnissen einer wachsenden Wirtschaft, so Thornton. Während die Fed Massnahmen trifft, um das Geldangebot zu erhöhen, würde sie in der Tat „deficit spending“ finanzieren, indem sie Geld druckt, was aber nicht Fed’s Absichten entspricht. Deswegen wäre es nicht richtig, zu behaupten, dass die Fed die Schulden monetisiert, argumentiert Thornton weiter. Seiner Ansicht nach sollte die Definition der „Schulden-Monetisierung“ auf Fed’s Motiven zur Erhöhung des Geldangebots basieren. Die Fed hat z.B. während des Zweiten Weltkriegs ein exklusives Abkommen mit dem Schatzamt geschlossen, um die Kriegskosten zu finanzieren, erklärt Thornton. Die Fed habe dann eine hohe Menge an Staatspapieren gekauft, um einen Anstieg der Zinsen zu unterbinden. Die Aktion habe die monetäre Basis und das Geldangebot angehoben. Nach dem Ende des Kriegs kamen die Fed und das Schatzamt zu einer Übereinstimmung, die Unabhängigkeit der US-Notenbank per Gesetz (04. März 1951) festzulegen. Damit bekam die Fed die Freiheit, das Geldangebot zu kontrollieren. Dieses Beispiel mag also helfen, die Aspekte der Motivation versus Massnahmen, die die Fed trifft, zu unterscheiden. Wenn die Fed ausschliesslich zur Erreichung ihrer Ziele von Preisstabilität und nachhaltigem Wirtschaftswachstum Staatsanleihen kauft, dann ist es keine Monetisierung der Schulden, hält Thornton fest. Die Fed will also mit dieser Aktion nicht die Staatsbonds in den Händen der Öffentlichkeit reduzieren, sondern für ein angemessenes Wachstum der Geldmenge sorgen, im Einklang mit den Zielen der Preisstabilität und dem maximalen Wirtschaftswachstum. Es ist jedoch schwierig, diese Definition einsatzfähig zu machen. Da (a) Unsicherheit über die primäre Motivation und den Zeitpunkt der Fed-Interventionen herrscht, und (b) die Geldbasis steigt, wann immer die Fed Vermögenswerte (nicht nur Staatspapiere) kauft. Der einzige effektive Weg, um festzustellen, ob die Fed (oder eine andere Notenbank) Schulden monetisiert, ist der Vergleich ihrer Performance mit ihren erklärten Zielen, schlussfolgert der Ökonom. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass es desto leichter ist, je explizierter eine Zentralbank ist, was ihre Ziele betrifft, um zu bestimmen, ob eine Monetisierung der Schulden vorliegt oder nicht.

13 Bankers

Buchbesprechung:

Simon Johnson & James Kwak: 13 Bankers. The Wall Street Takeover and the Next Financial Meltdown. Pantheon Books, New York, 2010.



„Ich habe 13 Banker in meinem Büro, die sagen, dass Sie, wenn Sie so weiter fahren, die schlimmste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg verursachen werden“, warnte Larry Summers, der stellvertretende US-Finanzminister unter Bill Clinton am Telefon Brooksley Born, die Chefin der Commodity Futures Trading Commison (CFTC). Das ist die amerikanische Behörde, die für Derivate zuständig ist. Frau Born war 1998 besorgt über die mangelnde Aufsicht, die ihrer Ansicht nach zu einer Verbreitung von Betrug führen würde. Die mangelnde Transparenz machte es zudem schwer, zu beobachten, welche Risiken sich in diesem metastasierenden Sektor aufbauten. Sie bereitete deshalb ein „concept paper“ vor, indem sie die Frage aufwarf, ob die Regulierung von Derivaten verschärft werden müsste. Unmittelbar danach erhielt sie aber den ominösen Anruf von Summers, dem heutigen nationalen Wirtschaftsberater der US-Regierung Barack Obama. Es war Summers, der den „Glass Steagall Akt“ von 1933, der für die strikte Trennung von Investment-Banking und Einlagengeschäften sorgte, Ende der 1990er Jahre wieder aufhob.

Simon Johnson, der ehem. Chefökonom des IWF, ist Professor an der MIT’s Sloan School of Management. James Kwak studiert zur Zeit Rechtswissenschaften. In seiner Karriere hat er als Software-Unternehmer und als Berater bei McKinsey & Company gearbeitet. Johnson und Kwak sind die Mitbegründer und Co-Autoren von Baseline Scenario, einem der informativsten Wirtschaftsblogs weltweit.

Im ersten Kapitel dieses Buches liefern die Autoren einen kurzen, aber prägnanten Überblick über die amerikanische Finanzgeschichte. Besonders hervorgehoben wird dabei Thomas Jefforson’s Skepsis über die konzentrierte Macht der Banken und die Finanzaristokratie. Aus heutiger Sicht ist die damalige Entwicklung sehr aufschlussreich. Im zweiten Kapitel zeigen Johnson und Kwak auf, wie sich die Finanz- und Wirtschaftskrisen in den sog. Entwicklungsländern (wie z.B. Thailand, Korea, Brasilien und Russland) in den 1990er Jahren entwickelt haben. All diese Länder hatten drei Hauptcharakteristika, welche das Potenzial für ernsthafte Instabilität innehatten: (1) Hohes Schuldenniveau, (2) gemütliche Beziehungen zwischen der Regierung und den mächtigen Personen in der Privatwirtschaft und (3) die Abhängigkeit von schwankungsanfälligen Kapitalzuflüssen aus dem Ausland. Die Unterschiede zwischen Indonesien und den USA sind zwar offensichtlich. Was aber das Verhaltensmuster der Krisen betrifft, ist der gemeinsame Nenner unübersehbar: Finanzkrisen sind das Ergebnis der grundlegenden politischen Schwäche, argumentieren die Autoren. Das Kernproblem ist die Konzentration wirtschaftlicher Macht in einer Elite, die die Fähigkeit hat, das politische System zu beeinflussen, betonen Johnson und Kwak immer wieder. Im dritten Kapitel geht es um den kometenhaften Aufstieg von Wall Street. Angefangen im Jahre 1980 mit dem legendären Ausspruch von Ronald Reagan, dem damaligen US-Präsidenten: „Der Staat ist nicht die Lösung für unsere Probleme, sondern der Staat ist das Problem“. Seitdem wurde der Finanzsektor einfach immer grösser. Das meiste Wachstum im Finanzsektor rührte aus der zunehmenden „Finanzialisierung“ der Wirtschaft („financialization of the economy“) her. Zwischen 1978 und 2007 kletterte der Anteil des Finanzsektors von 3,5% auf 5,9% des BIP zu. Das reale BIP ist von 1947 bis 1973 annualisiert im Durchschnitt um 4,0% gewachsen. Das sog. „boring banking“ hat also Finanzierung und Entwicklung von Innovation keineswegs eingeschränkt. Vielmehr hat es eine Phase des enormes Wachstums der Wirtschaftsleistung und des Wohlstands vorangetrieben. Durch die 1980er Jahren hat sich die Finanzdienstleistungsbranche von den Zwängen der Ära der Depression losgelöst. Diese Entwicklung entstand aus dem Zusammentreffen von mehreren Faktoren: (I) Exogene Ereignisse wie die Hoch-Inflation der 1970er Jahren, (II) das Aufkommen des akademischen Finanzwesens und (III) eine breite Deregulierung, begonnen während der Jimmy Carter Regierung und dann transformiert in einen Kreuzzug von Ronald Reagan. Das „exciting banking“ wurde durch vier Geldmaschinen des modernen Finanzwesens markiert: (a) High-Yield Bonds, (b) Verbriefung, (c) Arbitrage Trading und (d) Derivate. Schliesslich kam es durch die Öffnung von zahlreichen Schlupflöchern in der Gesetzgebung zur Entstehung des „bigger banking“. Das Ziel war, gross zu sein und Risiken einzugehen. Zwischen 1980 und 2000 ist der Anteil der Vermögenswerte, die von Geschäftsbanken, Wertpapierunternehmen und Verbriefung gehalten wurde, von 55% des BIP auf 95% gestiegen. Die Gewinne des Finanzsektors legten von einem Durchschnitt von 13% aller Unternehmensgewinne von 1978 bis 1987 auf 30% im Durchschnitt von 1998 bis 2007. Der Gewinn der Grossbanken ist noch kräftiger gestiegen.


Real Corporate Profits, Financial vs. Non-Financial Sectors, Graph : Courtesy of James Kwak

Das grundlegende Prinzip hinter jeder Oligarchie ist, dass Wirtschaftsmacht die politische Macht ausbeutet, erklären die Autoren. Im vierten Kapitel zeigen sie überzeugend auf, wie die Wall Street ihre wachsende Wirtschaftsmacht in politische Macht wandelte. Die Ideologie der Finanzinnovation und der Deregulierung wurde zur konventionellen Weisheit in Washington, argumentieren Johnson und Kwak. Die politische Macht wurde in den USA jedoch nicht durch Korruption und Austausch von Geld unter dem Tisch für politische Gefälligkeiten gekauft. Die Wall Street benutzte stattdessen ein ganzes Arsenal von anderen, völlig legalen Waffen in ihrem Aufstieg zur Macht: (i) Traditionelles Kapital; Geld, das seinen Einfluss direkt über Wahlkampfspenden und Aufwendungen der Lobbyarbeit ausübte, (ii) Human Kapital; Wall Street Veterane, die nach Washington kamen, um die Regierungspolitik zu formen, formten eine neue Generation von Dienerschaft und (iii) Kulturelles Kapital; die Ausbreitung und schliesslich der Sieg der Idee, dass ein grosser, anspruchsvoller Finanzsektor gut für Amerika ist.

Die US-Finanz-Elite verdankt zwar ihren Aufstieg nicht Bestechungen und Schmiergeldern oder Blutsbande zu wichtigen Politikern, den üblichen Quellen der Macht in den Emerging Markets, die von Crony Capitalism geplagt sind, wie im fünften Kapitel geschildert wird. Sie hat aber wie in vielen Schwellenländern eine Oligarchie konstituiert; eine Gruppe, die wegen ihrer wirtschaftlichen Macht auch eine politische Macht gewonnen hat. Die Geldmaschine wurde v.a. von (1) Zweckgesellschaften (SPVs), (2) der Gestaltung und Verbreitung von CDOs bzw. synthetischen CDOs und (3) Subprime-Kreditvergabe angetrieben. Das sechste Kapitel ist dem Thema „TBTF“ gewidmet. Wie der bisherige Verlauf der staatlichen Vorgehensweise in der Krisenbewältigung zeigt, geht die Wall Street aus der Krise gestärkt heraus. Es standen von Anfang an zwei Optionen zur Wahl: (a) Die „blank check“-Option und (b) Die „take-over“-Option. Unter Unberücksichtigung der Moral-Hazard-Problematik hat die Regierung die erste Option an den Tag gelegt, erklären Johnson und Kwak. Die Gewinne wurden privatisiert. Die Verluste wurden der Allgemeinheit aufgetragen. Die Grossbanken wurden folglich noch grösser: Bank of America hat Countrywide und Merrill Lnych geschluckt. Ihre Assets sind von 1'700 Mrd. $ Ende 2007 auf 2'300 Mrd. $ im September 2009 geklettert. JP Morgan Chase hat Bear Stearns und Washington Mutual erworben und ihre Vermögenswerte sind von 1'600 Mrd. $ auf 2'000 Mrd. $ gestiegen usw. Die Grossbanken sind mittlerweile in der Lage, sich Geld zu 0,78% günstiger zu borgen als kleinere Banken. Zwischen 2000 und 2007 lag dieser Wert im Durchschnitt bei 0,29%. Im Bankwesen, wo die Gewinne vom Spread zwischen dem Satz, zudem man das Geld leiht, und dem Satz, zu dem man es verleiht, abhängt, bedeutet 0,78% ein enormer finanzieller Vorteil. Im siebten und letzten Kapitel legen Johnson und Kwak einleuchternd dar, dass langfristig das wirksamste Hindernis für den Finanzsektor die öffentliche Meinung ist. „Die Herausforderung, mit der wir heute konfrontiert sind, ist dieselbe, wovor Präsident Roosevelt vor einem Jahrhundert stand: Die kartellrechtliche Bewegung („antitrust movement“) war ursprünglich eine politische Bewegung“, betonen die Autoren. Während der „saving and loan crisis“ sind zwischen 1985 und 1992 über 2'000 Banken gescheitert, als Folge von Deregulierung, Mismanagement und Betrug. Das Finanzsystem, das infolge von Krisen Millionen Menschen den Job kostet und dem Staat enorme Schulden aufbürdet, muss reformiert werden, sind die Autoren überzeugt. Eine wirksame Reform muss zwei wesentliche Elemente angehen, die die jüngste Finanzkrise erzeugt haben: (A) Die leichtsinnige Kreditvergabe und Kreditaufnahme, (B) die TBTF-Problematik. Das erste Ziel: Die einzelnen Teilnehmer in der Real-Wirtschaft zu schützen. Das zweite Ziel: Die Wirtschaft vor einer systemischen Krise, die von Grossbanken ausgelöst werde, zu schützen.

So wie bisher aber aussieht, bleibt die TBTF-Problematik von der Finanzreform ausgeschlossen. Das ist bedauerlich. Aber es heisst nicht, dass sie ungelöst bleiben muss. Johnson und Kwak schlagen daher beharrlich vor, die Grösse der Grossbanken zu begrenzen,und zwar auf 4% des BIP. Nach heutigen Daten bedeutet das eine Limite von 570 Mrd. $. Eine Deckelung der Grösse ist zwar eine notwendige Voraussetzung für die finanzielle Stabilität, aber nicht ausreichend. Weil Banken ausserbilanzielle Geschäfte tätigen, ist nach Ansicht der Autoren auch eine Limitierung nach unten vonnöten. Das Ziel ist, Banken, die Risiken eingehen, in der Grösse so einzugrenzen, dass daraus keine Drohung für die Stabilität des Finanzsystems ausgeht. Die Grenzen sollten zudem nicht von den Regulierungsbehörden, sondern vom Kongress festgelegt werden, halten die Autoren fest. Die wirtschafliche und politische Macht der neuen Finanzoligarchie ist gefährlich, sowohl für die ökonomische Prosperität als auch für die Demokratie. Die Arbeit, die Roosevelt vor einem Jahrhundert gegen die konzentrierte Finanzmacht in Angriff genommen hat, muss zu Ende gebracht werden. Pflichtlektüre für alle, die Rechtsordnung und Demokratie schützen wollen.