Untersuchungen sind im Gange, ob eine Fehleingabe im computergestützten Handelssystem für den Crash von gestern an der Wall Street verantwortlich ist oder nicht. Die Frage ist aber im allgemeinen, warum die Aktienmärkte in den USA plötzlich zu einem Freifall übergehen konnten, und zwar für etwa 20 Minuten, wobei der Dow Jones Index um 998 Punkte abpurzelte. Der Hochfrequenzhandel macht in den USA mittlerweile 40% des Handelsvolumens aus. Der Absturz hatte das Aussehen eines monströsen Verkauforders, schreibt Yves Smith in naked capitalism. Eine glaubwürdigere Erklärung ist aber, dass es entweder der plötzliche Yen-Anstieg oder der Euro-Schlag der magischen Zahl von 1,225 Dollar war, der algorithmische Händler veranlasst hat, zu verkaufen, argumentiert Frau Smith.
Dow Jones Index, Graph : swissquote.ch
Und diese Händler blicken auf ähnliche Indikatoren und technische Levels. Als „Söhne des geistlosen computergetriebenen Programm-Tradings“ verkaufen sie, wenn der richtige Auslöser betätigt wird, erläutert Smith. Eine weitere Nebenwirkung der Aktienmarkt-Drehung vom Donnerstag ist das Misstrauen der Einzelhändler (sog. Retail Clients) in den Märkten. „Mir wurde gesagt, dass verschiedene Handelsplattformen für Einzelhändler einfach nicht mehr im Betrieb waren“, berichtet die angesehene Bloggerin. Die Idee, dass die Profis handeln können, während der kleine Kunde aus dem Handel ausgeschlossen ist, stärkt die Wahrnehmung, dass die Märkte tückisch sind und die Chancen nur für die grossen Spieler gut stehen. Das grössere Problem ist zudem, dass ziemlich alle Märkte wild gedreht haben, hält Smith fest. Die Kreditmärkte waren in einem Durcheinander, bevor die Aktien begonnen haben, zu tauchen: (1) Die Bank of Japan (BoJ) hat 21 Mrd. $ (emergency liquidity) in den Markt gepumpt. Das war die grösste Marktoperation seit 2008, (2) die Zentralbank Australien’s hat im Sog der europäischen Schuldenkrise vor einer möglichen scharfen Kontraktion der globalen Wirtschaft gewarnt, und (3) EZB-Chef Jean Claude Trichet hat sich gestern im Anschluss der EZB-Sitzung geweigert, zu handeln. Das alles geschah in einem Marktumfeld, welches nach wie vor von den Widrigkeiten einer Liquiditätsfalle gezeichnet ist, in der sich die Weltwirtschaft befindet. „Wenn Investoren sich en masse ins Abseits bewegen und es vorziehen, Bargeld oder ähnliche hoch liquide Assets zu halten, dann belasten der Rückgang an Risikokapital und die Beschränkungen in Sachen Kreditvergabe die produktive Wirtschaft“, erklärt Smith weiter. Die Welt in einer Liquiditätsfalle bedeutet Spar-Paradoxon (paradox of thrift), in der die tugenhafte individuelle Entschedung, mehr zu sparen, ein Laster aus Sicht der Wirtschaft als Ganzes ist, argumentiert Paul Krugman.
Fazit: Die Weltwirtschaft ist noch lange nicht aus dem Schneider. Die Aktienmärkte beruhen zur Zeit auf wackeligen Füssen. Das war also kein Börsen-Schock, der aus dem Nichts kam.
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