Freitag, 28. Mai 2010

Disinflationäre Tendenz – heuchlerische Defizitfalken

Die europäische Schuldenkrise hängt wie das Damoklesschwert über dem Markt. Soll man auf dem stark korrigierten Niveau an den Aktienmärkten einsteigen oder noch abwarten? Während der eine Analyst zum Kauf empfiehlt, empfiehlt der andere zum Verkauf. Was machen aber Medien? Die Medien empfehlen vorwiegend Panik und Angst. Sie geben freimütig Tipps, wie man sich vor Inflation schützt, obwohl Kerninflation in den USA deutlich unter Minus 1,0% verläuft und die EZB nicht darum herumkommt, die Geldpolitik weiter zu lockern. Politiker empfehlen rigoroses Sparen. Mitten im schwersten Abschwung seit den 1930er Jahren! Obwohl es offensichtlich ist, dass eine Schuldenbremse in Zeiten wirtschaftlicher Depression nur eine verwüstende Deflation auslösen kann. Spanien verbucht bereits minus Inflation. Auch Portugal und Griechenland dürften von der Deflation nicht verschont bleiben, solange sie "Fiscal Austerity" betreiben.


Disinflationärer Abschwung, Graph: Courtesy of Jim Caron, Morgan Stanley

„Die grösste von all den Lücken zwischen Elite und Masse in den USA ist heute, dass die Eliten wirklich nicht glauben, dass wir immer noch in der Rezession sind. Oder vielleicht, dass sie sich nicht darum kümmern“, bemerkt Marshall Auerback in einem lesenswerten Essay in new deal 2.0. Das ist umso ärgerlicher, als eben diese Leute, nachdem sie zum grössten Nutzniesser der staatlichen Grosszügigkeit in den vergangenen zwei Jahren zählten, nun den Staat wegen „unverantwortlicher und untragbarer Fiskalpolitik“ anprangern, schreibt Auerback weiter. Wieso haben wir jetzt ein Defizit von rund 10% des BIP, während es vor drei Jahren weniger als 2% betrug? Die Gründe dafür sind: (1) Konjunkturprogramm der Obama-Regierung, (2) TARP und (3) schwaches Wirtschaftswachstum, was eine Folge der grossen Finanzkrise ist, erklärt Auerback. Schwächeres Wirtschaftswachstum führt zu geringeren Einnahmen (weniger Einkommen = weniger Steuern, da die meisten Steuereinnahmen auf Einkommen beruhen und niedrigere Steuersätze) und höhere Ausgaben fürs soziale Auffangnetz, bemerkt Auerback. In diesem Furor über Defizit geht es jedoch verloren, wer die Nutzniesser der staatlichen Grosszügigkeit sind. Es sind sicherlich nicht die Arbeitslosen oder die überwiegende Mehrheit der Menschen, die nicht im Finanzdienstleistungssektor arbeiten. Abgesehen von Simon Johnson berichtet aber kein Analyst davon, dass der Anstieg der Staatsquote in den USA von 40% auf 90% des BIP in den vergangenen zwei Jahren auf die Finanzmarktkrise von 2008 zurückzuführen ist.

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