Jean Claude Trichet, Präsident der EZB und Dominique Strauss-Kahn, Chef des IWF sind diese Woche nach Berlin geflogen, um sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble zu treffen. Der Grund war, die Bundesregierung zu bitten, rasch über eine mögliche Unterstützung für Griechenland zu entscheiden. Simon Johnson und Peter Boone vergleichen diesen Besuch in einem lesenswerten Essay in NYT mit dem Vorbeieilen von Henry Paulson, dem ehem. Finanzminster beim US-Kongress nach September 2008, um für ein Rettungspaket in Höhe von 700 Mrd. $ für die US-Banken zu werben. „Das Problem ist diesmal grösser und es geht nicht nur um die Banken, sondern um das Wesen der Euro-Zone und das politische Überleben aller zuständigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“, schreiben die Autoren. „Wären Trichet und Strauss-Kahn ehrlich, müssten sie Frau Merkel gestehen, dass sie es vor mehr als einem Jahrzehnt vermasselt haben, als sie Gouverneur der Banque de France bzw. französischer Finanzminister waren“, so Johnson und Boone. Die Träume dieser beiden Gründer einer einheitlichen EU haben nach ihrer Art kleine Fehler verursacht, die zu grossen Gefahren geführt haben, argumentieren die Autoren.
Das zugrunde liegende Problem ist die Regel zum Gelddrucken, erklären Johnson (ehem. Chefökonom des IWF) und Boone (London School of Economic). In der Euro-Zone kann jede Regierung sich durch die Ausgabe von Anleihen direkt oder indirekt bei den Geschäftsbanken finanzieren. Die Geschäftsbanken bekommen dann im Repo-Geschäft mit der EZB (indem sie die Anleihen als Sicherheit hinterlegen) frisches Geld dafür. Die Geschäftsbanken machen Gewinn, weil die EZB für die Kredite nur wenig belastet, während die Regierungen das Geld kriegen. Und sie können ihre Haushaltsdefizite finanzieren. Das Problem ist, dass die Regierungen ihre Schulden zurückzahlen oder zumindest die öffentliche Verschuldung stabilisieren müssen, argumentieren die Ökonomen. Die gleiche Struktur verzerrt die Anreize der Geschäftsbanken. Sie haben einen „Fänger“ bei der EZB, die als „lender of last resort“ gilt. Die EZB und die EU setzen Mitgliedsstaaten unter Druck, Banken, die in Schwierigkeiten geraten, zu retten, so Johnson und Boobe. Wenn ein Land der Euro-Zone beitritt, dann erhalten seine Banken Zugriff auf eine grosse Menge von billiger Finanzierung, zusammen mit der Erwartung, dass sie gerettet werden, wenn sie Fehler machen. Dies wiederum ermöglicht Banken, ihre Bilanzen stark auszuweiten, die Gelder in die Immobilienmärkte zu stecken und in Übersee zu expandieren oder verrückte Ramsch-Produkte von Goldman Sachs zu kaufen, halten die beiden Autoren fest. Man denke nur an die Banken in Irland und Spanien, die riesige Kredite aufgenommen haben und nun das Land senken. Es gibt drei mögliche Szenarien: (1) Die EZB kauft alle Anleihen von in eine Schieflage geratenen Ländern in der Euro-Zone auf. Deutschland würde sich aber wegen Inflationsgefahr dagegen wehren, (2) Die Behörden hoffen, dass die Spreads sich ausweiten, aber dann stabilisieren. Das ist ein „trickle-down“-Szenario oder einfach ein Wunder, (3) die Situation wird höchst wahrscheinlich schlimmer. Der Alptraum für Europa ist nicht über Griechenland oder Portugal, sondern über die spanischen und italienischen Anleiherenditen, erklären Johnson und Boone. Das steigende Renditeniveau in Spanien und Italien würde die Asset-Preise in diesen Ländern in den Keller schicken. Das Bankensystem würde sich verschlechtern. Es käme zu Kreditverknappung und zu Kapitalflucht. Eine düstere Prognose. Wenn dieses schreckliche, aber leider plausible Szenario kommt, dann gibt es eine klare Lösung: Eine starke Euro-Abwertung, sind die Autoren überzeugt. Die Umstrukturierung der Finanzpolitik bzw. Geldpolitik in der Euro-Zone, damit sie mit der finanziellen Stabilität und der grossen externen Unterstützung der Liquidität kompatibel sind. Nicht weil Europa ein externes Zahlungsproblem hat, sondern es ist der einzige Weg, um für eine glaubwürdige Förderung des Haushalts zu sorgen, um den Schlag der benötigten Sparprogramme zu erleichtern, schlussfolgern die Autoren.
Simon Johnson und Peter Boone schlagen desweiteren die Ausgabe von Anleihen durch die EZB vor. Die EZB-Anleihen sollen für geldpolitische Operationen verwendet werden, um auf diese Weise die Liquidität zu steuern. Die Anleihen müssten allerdings durch eine „Euro-Zone-Steuer“ gesichert werden, damit die EZB wie andere Zentralbanken auf der ganzne Welt agieren kann. Sie müsste nicht mehr Bonds der „regionalen Regierungen“ in der EU als Sicherheit (collateral) akzeptieren. Stattdessen würde die EZB „Euro-Zone-Anleihen“ kaufen und verkaufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen