Freitag, 30. April 2010

US-Wirtschaft legt im ersten Quartal um 3,2% zu

Das Wachstum der US-Wirtschaft hält an. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im I. Quartal 2010 annualisiert um 3,2% zu, wie das Handelsministerium heute in Washington mitteilte. Im IV. Quartal 2009 war die Wirtschaft mit 5,6% schneller gewachsen. Die Konsumausgaben (+3,6%) legten kräftig zu und leisteten den höchsten Beitrag zum BIP-Wachstum. Das war das kräftigste Wachstumstempo seit 3 Jahren. Unternehmensinvestitionen in Ausrüstung und Software sind raketenhaft um 13,4% gestiegen.


US-Wirtschaftswachstum, BIP, Graph: Fed St. Louis

Die US-Wirtschaft erholt sich allmählich von der Rezession. Aber die Renditen der US-Staatsanleihen verlaufen relativ moderat. Ein kräftiger Anstieg des Renditeniveaus scheint nicht in Sicht. Das ist auf die weitverbreitete Angst vor einem Dominoeffekt des globalen Länderrisikos zurückzuführen.


US-Wirtschaftswachstum, BIP, Graph: Washingtonpost

PS: Das ist die erste Schätzung des BIP. Die zweite wird am 27. Mai erfolgen.

Euro in Gefahr

Das Augenmerk richtet sich zur Zeit der Staatsverschuldung. Das beherrschende Thema ist Staatsausgaben. Es entsteht der Eindruck, als ob das Deficit Spending aus dem Ruder liefe. Das ist aber nur ein Teil der Geschichte für Griechenland, noch viel weniger für Portugal und schon gar nicht für Spanien, schreibt Paul Krugman in seiner Freitagskolumne in NYT. Tatsache ist, dass vor drei Jahren keines dieser Länder, die jetzt in der Krise oder in der Nähe der Krise stehen, fiskalisch in tiefen Schwierigkeiten zu stecken schien. Griechenlands Haushaltsdefizit (als Prozent am BIP) war nicht höher als das Defizit der USA in der Mitte der 1980er Jahre, bemerkt Krugman. Spanien wies einen Überschuss auf. Alle Länder lockten hohe Kapitalzuflüsse aus dem Ausland, v.a. weil Märkte glaubten, dass die Mitgliedschaft in der Euro-Zone aus griechischen, portugiesischen und spanischen Anleihen sichere Investitionen macht, erklärt Krugman.

Dann kam es zu der weltweiten Finanzkrise, was die Zuflüsse von Kapital trocknete. Die Umsätze stürzten ab. Und die Defizite begannen, zu steigen. Die Mitgliedschaft in der Euro-Zone verwandelte sich in eine Falle, argumentiert Krugman weiter. Die Falle sieht so aus: In den Jahren des „easy money“ kletterten die Löhne und die Preise in den Krisenländern wesentlich schneller als im Rest von Europa. Nun, wo das Geld nicht mehr rollt, müssen die Länder die Kosten wieder in Einklang bringen. Im Übrigen argumentieren auch Heiner Flassbeck und Gustav Horn (hat tip NachDenkSeiten) in Europa so, wenn sie die aktuelle Krise der EU-Zone analysieren. Griechenland könnte die Löhne im Verhältnis zu den deutschen Löhnen kürzen, indem es die eigene Währung abwertet. Da Griechenland und Deutschland die Gemeinschaftswährung haben, geht das nicht. Der einzige Weg für Griechenland, relative Kosten zu senken, ist daher eine Kombination aus Inflation (Deutschland) und Deflation (Griechenland), hält Nobelpreisträger fest. Da Deutschland Inflation nicht akzeptieren wird, bleibt Deflation übrig. Das Problem ist, dass Deflation (fallende Preise und Löhne) immer und überall ein tief schmerzlicher Prozess ist, hält Krugman fest. Sie geht mit einer längeren Flaute und einer hohen Arbeitslosigkeit einher. Und sie verschärft Schuldenproblematik, sowohl die öffentliche als auch die private, weil das Einkommen fällt, während die Schuldenlast nicht sinkt. Griechenlands fiskalische Probleme wären handhabbar, wenn die Wirtschaftsaussichten für die nächsten Jahre moderat positiv wären, erklärt Krugman. Das ist aber nicht der Fall. Die Ratingagentur S&P, die Griechenlands Kreditwürdigkeit herabgestuft hat, geht davon aus, dass Griechenland bis 2017 nicht auf das Wachstumsniveau von 2008 kommen kann. Wenn die Krisenländer in Zahlungsverzug (default) geraten, dann dürfte es zu Bank Runs kommen, was Notfall-Massnahmen erzwingen würde, wie z.B. temporäre Beschränkung der Geldabhebung von den Banken. Das würde die Tür öffnen, den Euro zu verlassen. Ist der Euro also in Gefahr? Ja, sagt Krugman.

Bubills rutschen auf nahe Null

Infolge der zunehmenden Sorgen um die griechische Schuldenkrise sind die Renditen der deutschen 3-Monats-Schatzanweisungen (Bubills) indes auf nahe Null gesunken. Investoren suchen verzweifelt nach sicheren Wertpapieren. Das nennt man „flight-to-quality“-Momentum, was sich in den USA nach der Pleite von Lehman Brothers 2008 abgespielt hatte. Die Renditen mit der Laufzeit von 3 Monaten waren ins Negative gerutscht. Am 20. April fiel die Rendite der Bullis auf 0,09%. Das markiert das niedrigste Niveau seit mindestens 1993, berichtet Bloomberg. Die Bubills (Schatzanweisungen des Bundes), die monatlich (im Tenderverfahren) neu begeben werden, heissen eigentlich „unverzinsliche Schatzanweisungen“, da sie Diskontpapiere sind (d.h. Abzinsungspapier). Die Verzinsung entspricht der Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis. Die unverzinslichen Schatzanweisungen werden nach Angaben der Deutschen Finanzagentur an der Börse nur in Freiverkehr gehandelt.


German Bubills, Graph: Bloomberg.com

Tracy Alloway von FT Alphaville erinnert daran, dass die Renditen gerade an dem Tag, als Axel Weber, der Präsident der Deutschen Bundesbank am 20. April angekündigt hat, dass Griechenland mehr als das bisher geplante Bailout-Geld benötige, auf fast Null Prozent gefallen sind. Zur Zeit beläuft sich die Rendite der Bubills auf rund 0,19%.


Bundeswertpapiere, Graph: Deutsche Finanzagentur

Fazit: Wer in diesem Marktumfeld vor Inflation warnt, will bloss Angst schüren. Das ist intellektuell unredlich. Die EU und v.a. Deutschland ist eher mit einem Deflationsrisiko konfrontiert als Inflationsgefahr.

Türkei: Inflationsprognose der Zentralbank

Die türkische Zentralbank (CBT) hat gestern ihren zweiten Inflationsbericht in diesem Jahr vorgelegt. Die Währungshüter erhöhten ihre CPI-Prognose für 2010 von 6,9% auf 8,4%. Für 2011 bleibt die Inflationsprognose 5,4%. Für 2012 5,0%. Der Grundtenor des Berichts ist so, dass die Inflation bis Ende Jahr hoch verbleiben wird. Erst dann, im ersten Quartal 2011 ist mit einem spürbaren Rückgang zu rechnen. Die CBT pflegt mit ihrem Inflationsbericht und dem jeweiligen Zinsentscheid beigefügten Statement des geldpolitischen Aussschusses mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Es gilt daher als sicher, dass sie ihre Exit-Strategie in den kommenden Monaten fortsetzen wird, wie Tevfik Aksoy von Morgan Stanley erwartet, bis sie im vierten Quartal die Zinsen anhebt, falls es inzwischen nicht zu einem externen Schock kommt. Der Anstieg der Kerninflation im ersten Quartal ist weitgehend auf „cost push effect“ und „base effects“ zurückzuführen, nicht auf Nachfragedruck, wie der Abbildung zu entnehmen ist. Das niedrige Vorjahresniveau war (1) durch Steuersenkungen für dauerhafte Konsumgüter und (2) durch den Lageraufbau-Prozess verursacht.



Türkei Output Gap (Produktionslücke) und Inflationsprognose, Graph: CBT, Inflationsbericht April 29, 2010

Die türkische Zentralbank hatte von November 2008 bis November 2009 die Zinsen um sage und schreibe insgesamt 1025 Basispunkte gesenkt. Seit Dezember 2009 werden die Leitzinsen stabil gehalten.

Der schwache Kurs der externen Nachfrage lastet anhaltend auf wirtschaftlichen Aktivitäten und dem Beschäftigungswachstum. Trotz der kürzlich beobachteten allmählichen Erholung der Wirtschaft legen die Indikatoren nahe, dass die Kapazitätsauslastung weiterhin auf niedrigem Niveau verharrt. In diesem Zusammenhang basiert die überarbeitete mittelfristige Prognose der CBT auf einer disinflationären Produktionslücke (Output Gap), wenn auch etwas geringer als im Vorbericht.

Kerninflation H = (CPI minus Energie, Nahrungsmittel, alkohol. Getränke und Tabakwaren und Gold)



Türkei Kerninflation H, Graph: CBT, Inflationsbericht April 29, 2010

Kerninflation I = (H Index minus verarbeitete Nahrungsmittel)


Türkei Kerninflation I, Graph: CBT, Inflationsbericht April 29, 2010

Wirtschaftswachstum und Erparnisschwemme

In der Regel wird erwartet, dass Schwellenländer niedrige Sparquote und eine hohe Investitionsquote haben. Es wird nicht angenommen, dass die Bürger der „Emerging Markets“ viel sparen, da ihr Einkommen rasant wächst. Warum sollen sie sparen, und auf den Konsum verzichten, wenn sie in Kürze reicher werden? So argumentiert Yi Wen in einem aktuellen Research Paper der Fed St. Louis. Eine Kombination aus einer niedrigen Sparquote und einer hohen Investitionsquote bedeutet, dass die aufstrebenden Länder tendenziell Geld borgen, um Investitionsgüter einzuführen. Damit weisen sie Leistungsbilanzdefizit und Kapitalbilanzüberschuss auf. Die Industrieländer haben hingegen geringere Investitionen und höhere Ersparnisse und sie weisen einen Leistungsbilanzüberschuss auf, erklärt Wen. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall.


China, Haushalte Sparquote und Wachstum des Einkommens, Graph: Yi Wen, Fed St. Louis

Viele aufstrebende Ländern, insbesondere China sparen viel und verbuchen Leistungsbilanzüberschüsse, während die USA weniger sparen und ein Defizit in der Leistungsbilanz aufweisen. Folglich fliesst das Kapital, wo es knapp ist (in den Entwicklungsländern) in die Industrieländer, wo es relativ viel vorhanden ist. Was sind die Ursachen? Ein Grund ist, so Wen, dass Schwellenländer viel sparen, trotz oder gerade deswegen, weil ihr Einkommen schnell wächst. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass hohes Wachstum zu hohen Ersparnissen führt. Nicht umgekehrt. Die Idee, dass hohes Einkommenswachstum hohe Ersparnisse zu Folge hat, scheint Friedman’s Permanent Income Hypothesis (PIH) zu widersprechen. Die PIH argumentiert nämlich, dass Leute „smooth“ Konsum vorziehen. Das heisst, dass sie es nicht gern haben, in einer Periode zu verhungern und einer anderen zu schlemmen. Daher ist ihr Konsum, wenn sie Geld leihen und verleihen können, durch das durchschnittliche Einkommen ihrer Lebensdauer bestimmt, nicht durch das laufende Einkommen. Leute, die in Zukunft ein höheres Einkommen erwarten, würden Geld leihen im Hinblick auf das künftige Einkommen oder sie würden zumindest nicht sparen. In der Realität aber, v.a. in den Entwicklungsländern sparen Menschen oft, obwohl sie mit einem höheren Einkommen in Zukunft rechnen, erklärt Wen. Ein wesentlicher Grund für diesen scheinbaren Widerspruch ist, dass die PIH davon ausgeht, dass die Menschen frei Geld leihen können, um das künftige Einkommen zu konsumieren, wenn ihr gegenwärtiges Einkommen gering ist. Wenn die Menschen aber bei der Kreditaufnahme Einschränkungen begegnen, dann steigt ihre marginale Sparquote mit dem steigenden Einkommen, weil sie für Notfälle aus vorsorglichen Gründen sparen. Die ökonomische Theorie prognostiziert, so Wen, dass schnelles Wachstum zu höheren Ersparnissen führen kann, wenn es Menschen an Finanzinstituten mangelt, die Kreditaufnahme erleichtern. Wie in der Abbildung deutlich zu sehen ist, stieg die durchschnittliche Sparquote in China trotz niedriger Zinsen, als in den vergangenen 30 Jahren das Einkommen wuchs. Das Ungleichgewicht zwischen globalen Ersparnissen und Investitonen werde voraussichtlich bestehenbleiben, bis Schwellenländer anspruchsvolle Finanz- und Banksysteme aufgebaut haben, schlussfolgert Wen.

Donnerstag, 29. April 2010

Fed-Sitzung vom 28. April

Der Offenmarktausschuss (FOMC) der amerikanischen Notenbank (Fed) hat gestern das Leitzinsniveau zwischen 0% und 0,25% belassen und eine Fortsetzung der Niedrigzinspolitik für einen „längeren Zeitraum“ bestätigt. Was heisst aber ein längerer Zeitraum. Immerhin benutzt die Fed diese Wortwahl seit genau 13 Monaten. Analysiert man die Wortwahl der Fed bislang, wie calculate risk es getan hat, dann bedeutet es, dass es, nachdem Wegfall dieser Phrase aus dem FOMC-Statement zu einer Zinssenkung kommt, und zwar „6+ Monate“ danach. Da die nächste Fed-Sitzung am 23. Juni stattfindet, nehmen manche Marktbeobachter an, dass eine Zinserhöhung theoretisch erst im Dezember möglich ist. Das muss natürlich nicht sein. Es gibt andere Faktoren, die in Erwägung gezogen werden müssten. Zum Beispiel die Arbeitslosigkeit.


Effective Fed Funds Rate, Graph: Fed New York
Daily Effective Rate am 28. April 2010: Hoch: 0,40%, Tief: 0,0625%

Die Fed hatte im Anschluss der Rezession von 2001 erst nach 3 Jahren begonnen, die Zinszügeln wieder zu straffen. Da die Krise diesmal viel schwerer wiegt, wäre es nicht abwegig, mit der ersten Zinserhöhung erst im Jahr 2012 zu rechnen. Zumal die Inflation gemessen am getrimmten Mittelwert (Trimmed Mean CPI) rückgängig ist, und der Geldschöpfungsmechanismus derzeit nicht funktioniert, wie der Geldmultiplikator und die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes anzeigen.

Fed Funds Rate Erwartungen gemäss Futuremärkte:

Juni: 0,36%
Sept.: 0,54%
Dez. : 0,84%

Wie realistisch ist Euro-Austritt für Griechenland?

Paul Krugman schreibt, dass er für eine lange Zeit der Meinung gewesen sei, dass der Euro ein Fehler war. Aber was vergangen ist, ist vergangen. Es kann nicht rückgängig gemacht werden. Er sei stark von der Auffassung von Barry Eichengreen beeinflusst gewesen, gesteht Krugman. In einem Artikel aus dem Jahr 2007 argumentiere Eichengreen, dass jeder Schritt, den Euro zu verlassen, Zeit und Vorbereitung bedarf. Und die Übergangszeit wäre verheerend, mit Bank Runs. Es wäre also keine gute Idee, den Euro zu verlassen, erklärt Krugman. Nun überlege er sich, dass Eichengreens Argument ein Grund ist, die Euro-Zone nicht zu verlassen. Was aber würde passieren, wenn es im Sog der Finanzkrise ohnehin zu Bank Runs käme? In diesem Fall würden die Grenzkosten, den Euro zu verlassen, dramatisch sinken, erklärt Krugman. Und die Entscheidung würde der Politik aus den Händen genommen.

Die griechische Regierung kann nicht ankündigen, die Euro-Zone zu verlassen, argumentiert Nobelpreisträger weiter. Er sei sicher, dass die Regierung nicht die Absicht habe, dies zu tun. Aber jetzt sei es leicht, sich einen Default-Fall vorzustellen, der eine Vertrauenskrise auslösen würde. Die Regierung wäre dann gezwungen, eine „Bank Holiday“ auszurufen. Ab diesem Punkt würde die Logik, den Euro nicht zu verlassen, weniger überzeugend, argumentiert Krugman. Wenn aber Griechenland tatsächlich gezwungen wäre, den Euro zu verlassen, was würden mit anderen wackeligen Mitgliedern passieren?

Ein EU-Mitglied kann aus der Währungsunion austreten. Ein freiwilliges Verlassen der Euro-Zone ist eigentlich nicht vorgesehen. Notwendig wäre eine Vertragsänderung:

Der EU Vertrag von Lissabon, Artikel 50

English:
Here

Deutsch:
Hier

Hier ist ferner ein lesenswerter offener Brief (hat tip NachDenkSeiten) an die EU-Politiker von Heiner Flassbeck, Direktor der Welthandelsorganisation UNCTAD und Prof. an der Uni Hamburg.

The Greek Crisis is a European crisis and needs European solutions“ (pdf, English).

Eine synthetisch-synthetische CDO

Eine CDO dient dazu, einen Pool an Krediten am Markt abzuwälzen und dafür Geld zu bekommen. Bei einer synthetischen CDO verfügt die Bank über mehr Spielraum. Sie muss die Kredite nicht verkaufen. Sie kann sie behalten, indem sie sich durch den Kauf von CDS absichert. Klassische Vorgehensweise ist so, dass man die „Debt“-Tranche kauft und auf die „Equity“-Tranche Absicherung (durch CDS) verkauft. Man streicht also die Rendite aus der oberen Klasse (geringeres Risiko) plus die Prämie aus dem Verkauf der CDS auf die „Equity“-Klasse (das höchste Risiko). PS: Den Versicherungsschutz, den die Bank kauft, verkauft die synthetische CDO (als Rechtsträger) weiter. James Kwak unternimmt im von ihm selbst und Simon Johnson geführten Blog The Baseline Scenario einen neuen Versuch, den ABACUS Deal technisch zu rekonstruieren. Dabei stützt er sich auf zwei Abhandlungen (Warnung: Sehr komplex! hier und hier) von Steve Randy Waldman ab.

Eine gewöhnliche CDO ist eine neue Einheit (Rechtskörper), die Geld aufnimmt, indem sie Anleihen in Tranchen ausgibt. Mit dem Geld kauft sie einige andere Anleihen (z.B. RMBS: Residential Mortgage-Backed Securities) und verwendet die Cash Flows aus diesen Schuldverschreibungen, um die eigene Anleihen auszuzahlen.

Eine synthetische CDO ist ähnlich, nur statt, die zugrunde liegenden Anleihen zu kaufen, verkauft die Einheit CDS (Credit Deafult Swap) auf diese Anleihen (Referenzportfolio) und verwendet die Prämien daraus, um die eigenen Anleihen auszuzahlen. Das Geld, das durch den Verkauf der Anleihen aufgenommen wird, wird i.d.R. in Wertpapieren mit geringem Risiko geparkt, sodass es für die Abzahlung der CDS zur Verfügung steht, falls erforderlich.

ABACUS 2007-AC1 war aber anders. Es war ein Referenzportfolio. Doch statt CDS Schutz auf diese Anleihen zu verkaufen, sagte Goldman: „Stellen Sie sich vor, wir verkaufen CDS Schutz auf diese Anleihen. Dann stellen Sie sich vor, dass wir diese CDS Prämien verwenden, um Anleihen in Tranchen A-1, A-2, B, C, D and FL zu begeben. Die Derivative, die wir an Sie verkaufen, ist eine, die sich genau so verhalten wird, als wäre sie auf A-1 (oder A-2) Anleihe in diesem Szenario ausgestellt, auch wenn wir nicht alle Tranchen tatsächlich verkaufen“. Spielt das eine Rolle? Um darüber nachzudenken, ist ein weiterer Artikel von Steve Randy Waldman empfehlenswert. In dem Beitrag nimmt Waldman Goldman Sachs’ Behauptung auseinander, dass es ein Trade zwischen einer „long side“ und einer „short side“ vermittelt habe. Goldman sagt es natürlich gern, weil es impliziert, dass die „long side“ wissen müsste, dass es eine „short side“ gibt. Auf diese Weise wäre es nicht wichtig, dass Goldman Sachs Paulsons Rolle in dem Deal nicht offengelegt hat. Aber das ist natürlich nicht, was sich abgespielt hat. Goldman hat ein neues Unternehmen (eine CDO jeder Sorte ist eine neue juristische Person) geschaffen und die Anleihen, die von diesem Unternehmen begeben wurden, gezeichnet. In diesem Fall hatte das Unternehmen die Aufgabe, Derivative zu begeben, die im Grunde sehr individuelle CDS waren (weil die Swaps nachahmen, was passiert wären, wenn tatsächlich eine synthetische CDO ausgegeben worden wäre). Underwriter’s Aufgabe ist es, Investoren dazu zu bewegen, ihr Geld in das Unternehmen zu bringen, welches Anleihen begibt, was bedeutet, dass die Qualitäten dieses Unternehmens unterstrichen werden, während gleichzeitig seine Mängel offengelegt werden müssen. Es geht also nicht um eine Vermittlung eines Trades zwischen zwei Investoren, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Während also der eine Investor die Prosperität des Unternehmens wünscht und der andere Investor den Untergang des Unternehmens erwartet, d.h. darum wettet. Selbst wenn es sich dabei um eine synthetisch-synthetische CDO handelt, spielt es keine Rolle.

Mittwoch, 28. April 2010

Kluft zwischen Finanzsektor und Gesellschaft

Goldman Sachs Protagonisten haben gestern (live im Bloomberg TV) mit ihrem non-verbal Radikalismus einer überaus wichtigen Anhörung vor einem Senatsausschuss trotz Betrugsvorwürfe einen Hauch von Theater verpasst.

Ich weiss es nicht.
Ich erinnere mich nicht“
.
........
........
Wie war die Frage?
War das eine Frage?“
.
........
........

Es kommt daher nicht darauf an, was sie gesagt haben, sondern was sie nicht gesagt haben. Das lässt sich aus Ihrer Gestik und Mimik auf die folgende Formulierung schliessen: „It’s Capitalism, Idiot“. Das war die Botschaft, die sie mit Nachdruck an die Gesellschaft gesandt haben. Eine häufig ausgesprochene Phrase war: „Wir als Marktmacher“. Wer verleiht aber dem Finanzsektor die ungebändigte Macht, über die Märkte so zu herrschen? Politik? Die „Marktlogik“ überwiegt das Rechtsempfinden. Das Vertrauen ist das erste Opfer der Finanzkrise. Die Kluft zwischen dem Finanzsektor und der Gesellschaft wird tiefer.

Türkei: Länderrating und CDS-Prämien

Kreditwürdigkeit der Türkei nach:

S&P: Ba2
Moody’s: Ba2
Fitch: BB+

CDS-Prämien: 107 Basispunkte
Haushaltsdefizit: 5,5% des BIP (2009)
Staatsschulden: 45,5% des BIP (2009)



Rating Geschichte der Türkei, Graph: Turkish Treasury


Verschuldung der öffentlichen Hand, Graph : Turkish Treasury, April 2010



Banking Sector Asset Quality (NPL Ratio in %), Graph : Turkish Treasury, April 2010


Banking Sector Loan /Deposit Ratio, Graph : Turkish Treasury, April 2010

Kohäsionskrise: Kohäsion versus Konvergenz

„Was wir jetzt sehen, ist eine Krise der Kohäsion-Länder“, schreibt Paul Krugman in seinem Blog im Hinblick auf die Zuspitzung der Finanzierungskrise in der EU. Die Länder, die relativ arm der EU beigetreten sind, haben eine Zeit lang umfangreiche Hilfe in Form von Kohäsionsfonds erhalten. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen Kohäsion und Konvergenz zu kennen, betont Krugman: „Kohäsion (auf Deutsch Zusammenhalt) bedeutet Konvergenz des BIP pro Kopf, während Konvergenz bedeutet, dass die Inflationsraten in Einklang gebracht werden, sodass die monätere Kohäsion (Zusammenhalt) möglich ist“. Kompliziert?



Durchschnittliche Bank-CDS Spreads für Euro-Zone Länder, Graph: cma, via Business Insider

Griechenland scheint spiralförmig über den Rand in Verzug zu fallen und ich weiss nicht, wie es wieder daraus kommt, bemerkt Krugman. Könnte es Euro verlassen? Das wäre ein totales Durcheinander, argumentiert Krugman weiter. „Das würde die Mutter aller Bank Runs auslösen“, hält der Nobelpreisträger fest, obwohl es trotzdem geschehen könnte, wie er später erklären will.

Kohäsionsfonds der EU:

Ein Finanzierungsinstrument der EU, das ursprünglich errichtet wurde, Mitgliedsstaaten in den Bereichen Umwelt und Verkehrsinfrastruktur zu fördern. Die Kriterien, die im Protokoll zum EU-Vertrag festgelegt sind, begünstigten v.a. Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Zudem haben diejenigen Länder Anspruch auf die Fördermittel, die ein Programm zur Erfüllung der Konvergenzkritierien für die EU vorlegen können. Das Hauptziel ist, den Entwicklungsstand zwischen den entwickelten und entwicklungsfähigen Regionen der EU zu vermindern. Es geht also um den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt (Kohäsion) innerhalb der EU.

S&P/Case-Shiller National Home Price Index:
-0,1%, +0,6% y/y

Die aktuellen Daten von Standard & Poor’s Case/Shiller Index zeigen, dass der jährliche Rückgang der Preise für 10-City und 20-City Indices im Vergleich zum Januar 2010 verbessert hat. Erstmals seit Dezember 2006 ist die jährliche Veränderungsrate der beiden Komponente positiv.

Der 10 City-Index: +1,4% im Vergleich zum Februar 2009
Der 30-City-Index: +0,6% im Vergleich zum Februar 2009


S&P/Case-Shiller Home Price Index, Graph: Standard & Poor’s

Unter all den Daten gilt es jedoch auch Aktivitäten der Zwangvollstreckungen Beachtung zu schenken, welche ihre höchstes Niveau in den vergangenen fünf Jahren erreicht haben, berichtet S&P. All diese Immobilien stehen nun zum Verkauf. Das bedeutet eine Last auf Hauspreise.

Dienstag, 27. April 2010

Standard & Poor’s senkt Griechenlands Rating auf „Junk-Status“

Die Rating-Agentur S&P hat heute Nachmittag Griechenlands Länderrating auf „BB+“ gesenkt. Das bedeutet Junk-Status. Der Ausblick ist negativ. Die Rendite der 2-jährigen Staatspapiere Griechenlands sind auf mehr als 17% hochgeschnellt.

Die S&P hat zugleich auch die Kreditwürdigkeit Portugals auf „A-„ herabgestuft. Der Ausblick ist negativ.

CDS-Prämien:
Griechenland: 814 Basispunkte
Portugal: 349 (+38)
Spanien: 204 (+16)

Die ersten Reaktionen:
Der Euro verliert gegenüber dem US-Dollar an Wert.
Die Aktienkurse lassen Federn.

Warum gibt es keine „Checks and Balances“ für Finanzmärkte?

Bereits in der Antike gab es „checks and balances“, um Verfassungsorgane eines Staates durch gegenseitige Kontrolle ins Lot zu bringen. Die Grundsätze der Gewaltentrennung gelten heute aber nicht für die Finanzmärkte. Warum wird im 21. Jahrhundert die Diktatur der Finanzmärkte hingenommen? Eliot Spitzer und William Black schreiben in einem lesenswerten Essay in new deal 2.0, dass die aktuellen Enthüllungen über Goldman Sachs die Notwendigkeit einer ernsthaften Finanzreform unterstreichen. SEC’s Vorwurf des Betrugs verweise auf das grundlegende Problem in der Finanzbranche, welches die Wurzel der Finanzkrise ist, die heute noch existiert, argumentieren die beiden Regulierungsexperten: „Der Markt ist nicht transparent“. Es wird in betrügerischer Weise manipuliert, um Manager zu bereichern, halten Spitzer und Black fest. Anleger verfügen über keine klaren Informationen, um Entscheidungen darüber zu treffen, was sie kaufen, so die Autoren dieser informativen Abhandlung.

Wegen des anhaltenden Fehlens eines wirklichen Schutzes der Verbraucher werden die Anleger gnadenlos abgezockt. Ohne Transparenz können die Regulierungsbehörden diese Art von Deals in der Summe nicht erblicken. So können sie weder den Betrug noch katastrophale Folgen stoppen, bemerken der ehem. Staatsanwalt und Gouverneur von New York und der ehem. Senior S&L-Regulierer.

„Wir begrüssen die SEC-Klage“, betonen die beiden Experten. „Sie wird aber das Problem nicht lösen. Es sei denn, das Finanzsystem wird reformiert, sodass entsprechende Schutzvorkehrungen und „checks and balances“ in Kraft gesetzt werden. Ansonsten erwarten wir, dass die Art von Betrugsfällen sich fortsetzen wird. Und die Entscheidungsträger (financial executives) werden weiterhin Risiken eingehen, die sie nicht verstehen“, argumentieren Spitzer und Black.

Umschuldung: Harte Auflagen für Gläubiger scheinen unvermeidlich

Willem Buiter, der Globalökonom der Citigroup argumentiert, dass der einzige plausible Ausweg ist, wenn Griechenland nicht einseitig „default“ (Zahlungsverzug) erklärt, sondern standardmässige Anpassungen vornimmt, höchstwahrscheinlich mit Umschuldung, wobei die EU-Zone Länder finanzielle Unterstützung mit harten Auflagen bieten würden. Buiter nennt es „tough love“. Eine freiwillige Umschuldung würde zumindest geglättet ablaufen und das Rückzahlungsprofil Griechenlands verlängern, indem der klumpige Finanzierungsbedarf von 40 Mrd. Euro in den beiden Jahren 2011 und 2012 vermieden werden würde, so Buiter. Währenddessen würde der Kapitalwert (NPV) des Schuldendienstes konstant bleiben. Buiter hält einen Abschlag („haircut“) von 20 bis 25% für Gläubiger im Rahmen der Transaktion für möglich. Der IWF besteht i.d.R. auf eine Lastenverteilung dieser Art, wenn er einem hochverschuldeten Land mit einem Program zur Strukturanpassung hilft, erklärt Buiter.

Ein Default wäre für den Rest der Euro-Zone nicht ohne Folgen. Der Grund ist, dass die meisten Exposures gegenüber den griechischen Kreditnehmern von Banken aus den anderen Mitgliedsstaaten der Euro-Zone stammen. Die Wahl, mit der die deutschen und die französischen Behörden konfrontiert sind, ist, entweder Griechenland aus der Patsche zu helfen oder eigene Banken zu retten („bail out“). Es ist plausibel, dass ein Rettungspaket für Griechenland mit harten Auflagen billiger wäre als eine Rettungsaktion für die eigenen Banken der Euro-Zone Länder. Eine Rettungsaktion mit harten Auflagen würde die Rückfallquote Griechenlands abhalten und eine Emulation seiner fiskalischen Verantwortungslosigkeit durch andere Möchtegern-Bewerber wie Spanien, Portugal, Italien, Irland usw. entmutigen, argumentiert Buiter. Auf diese Weise legt Buiter die Blaupause für die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF) vor.

Hat tip: FT Alphaville.

PS: Daniel Gros schlägt in seiner Kolumne („Adjust and Reschedule or Delay and Default“) in Project Syndicate vor: Umschuldung + nationale Abkommen über Löhne und Sozialabgaben.

Schuldenklemme und Auswirkungen auf CEEMEA

Griechenlands Verschuldungsproblematik hat die EU-Peripherie (Southern European Countries: SE) bereits angesteckt. Wie sieht es mit einem eventuellen Dominoeffekt einer bevorstehenden Umschuldung Athens in Richtung CEEMEA Region (Central Eastern Europe, Middle East and Africa Länder) aus? Muss man mit einer Entgleisung in der Region rechnen? Starke Fundamentaldaten in CEEMEA sollten eine erheblich Ansteckungsgefahr aus den südeuropäischen Ländern verhindern, ist Paolo Batori von Morgan Stanley überzeugt. Der Kapitalmarkt dürfte also nicht festfahren. Eine scharfe vorübergehende Korrektur kann in den nächsten Monaten allerdings nicht ganz ausgeschlossen werden, als eine Kombination aus sich verlangsamenden Kapitalzuflüssen, hektischen Aktivitäten an den Primärmärkten, verlangsamter Verbesserung der Fundamentaldaten und externen Schocks (d.h. Griechenland).


Erwartete Basiszinssätze (Zentralbanken), Graph : Courtesy of Chuan Lim, Morgan Stanley

Markit iTraxx SovX CEEMEA erfasst Kreditrisiken von 15 Ländern in der Region.

CDS-Prämien:
Israel: 109 Basispunkte
Türkei: 107
Spanien: 187
Irland: 201
Portugal: 314
Griechenland: 718

Fazit : Eine anhaltende Abkopplung der Region CEEMEA von der SE zu erwarten, ist also durchaus realistisch.

Montag, 26. April 2010

CDS-Prämien für Portugal und Spanien legen kräftig zu

Während die CDS-Prämien für Griechenland auf die Marke 700 Basispunkte zusteuern, sind die Risikoabschläge für Portugal heute um 45 Basispunkte auf 315 Basispunkte und für Spanien auf 191 Basispunkte geklettert. Kenneth Rogoff warnt indes in einem Gespräch mit Bloomberg vor einem Dominoeffekt in der Euro-Zone. Der ehem. IWF-Chefökonom und Harvard-Wirtschaftsprofessor vertritt die Ansicht, dass Irland, Portugal und Spanien „auffällig anfällig“ (conspicuously vulnerable) sind. Portugal hat zwar deutlich weniger Schulden als Griechenland, aber die Kosten für eine Absicherung gegen einen Zahlungsausfall des Landes sind inzwischen auf einen neuen Rekordwert gestiegen.


CDS-Prämien für Griechenland, Portugal und Spanien, Graph: Markit.com
(H/T FT Alphaville)


Wer portugische Staatsanleihen im Wert von 10 Mio. Euro für fünf Jahre absichern will, muss 315'000 Euro jährlich zahlen. Die Summe hat vor einem Jahr weniger als die Hälfte betragen.




Quelle: eurostat; die Daten beziehen sich auf das Jahr 2009.

Anleihemärkte: Wo sind Bond Vigilantes?

Die Bond Vigilantes, die in den vergangenen Jahren die Regierungen wegen des starken Anstiegs der Staatsausgaben verärgern wollten, verstecken sich jetzt, berichtet Bloomberg. Die Rendite der Staatsanleihen beträgt derzeit mit 2,385% im Durchschnitt so hoch wie im Vorjahr und liegt damit unter dem Durchschnitt des Jahres 2008 (3,08%), wie die Daten von Bank of America Merrill Lynch Index zeigen. Die Kreditkosten bleiben stabil. Während die globale Wirtschaft sich dank der erhöhten Staatsausgaben von der schwersten Rezession seit den 1930er Jahren erholt, scheinen Anleiheinvestoren unbesorgt, was die Inflationsaussichten betrifft. In der 30 Länder erfassenden OECD beläuft sich die Kerninflation laut Bloomberg annualisiert auf 1,5%.


Interest Expense and Average Interest Rate, Graph: US-Treasury

Die USA zahlten im vergangenen Jahr 383 Mrd. $ an Zinsen auf die Schulden in dem im September 2009 zu Ende gehenden Fiskaljahr. Das bedeutet ein Rückgang um 15% im Vergleich zum Jahr 2008, wie das US-Schatzamt berichtet. Der Wert repräsentiert 3,2% des BIP. Vor einem Jahrzehnt betrug die Quote 4,6%, als die Clinton Regierung einen Überschuss im Haushalt aufwies. Die UST-Auktionen zeigen, dass die Nachfrage nach amerikanischen Staatspapieren steigt. Das hat damit zu tun, was eigentlich Bond Vigilantes frustriert, dass die aktuellen Daten auf ein bescheidenes Wachstum und eine abnehmende Inflation hindeuten. Der Begriff „ Bond Vigilantes“ geht auf Ed Yardeni zurück, als er 1984 die Verkaufswelle von Staatsanleihen durch Investoren beschrieb, die damals aus Angst vor Inflation die Geld- und Finanzpolitik vehement protestierten.

Israelische Zentralbank belässt Leitzins unverändert

Die Bank of Israel (BoI) hat heute ihren Leitzins bei 1,50% unverändert belassen. Der Zinsentscheid ist laut BoI ein Teil des schrittweise erfolgenden Prozesses, um die Zinsen auf ein „normales“ Niveau zu bringen, um die Inflation im Zielbereich fest zu positionieren, und damit zur Erholung der wirtschaftlichen Aktivität weiter beizutragen, bei gleichzeitiger Unterstützung der Stabilität des Finanzsystems. Der Verlauf des Zinssatzes werde in Übereinstimmung mit dem Inflationsumfeld, dem Grad der Festigkeit des Wirtschaftswachstums sowohl in Israel als auch weltweit und dem Satz, um den die Zinsen in den Industrieländern erhöht werden, und im Lichte der Entwicklungen des Wechselkurses von Schekel bestimmt, so die israelischen Währungshüter. Die Geldpolitik bleibt also weiterhin expansiv.


Bank of Israel, Benchmark Interest Rate, Graph: Bloomberg.com

Die Hauptüberlegungen, die hinter dem heutigen Zinsentscheid der BoI stehen:

(1) Die Inflationsrate ist in den vergangenen 12 Monaten auf 3,2% gesunken. Seit Beginn des Jahres 2010 hat das Preisniveau um 0,9% zurückgebildet. Saisonbereinigt und ohne die Reduzierung der indirekten Steuern und die Abschaffung des Zuschlags fürs Wasser beträgt die Inflation seit Jahresbeginn 0,6%. Die BoI rechnet damit, dass die Inflation nach der Veröffentlichung des CPI für April in den Zielbereich eintreten wird. Später im Jahr dürfte die Inflation unter die Mitte des Zielbereichs fallen.

Was die Inflationsprognosen betrifft, teilt die BoI mit, dass die durchschnittlichen Erwartungen sich (a) laut Prognosen von Analysten (forecasters) in den nächsten 12 Monaten auf 2,7% belaufen. Die 12 Monate Inflationserwartungen, die (b) aus dem Kapitalmarkt abgeleitet werden, deuten ebenfalls auf 2,7% hin.

(2) Die Daten, die in diesem Monat verfügbar sind, unterstützen die Einschätzung, dass sich das Wirtschaftswachstum in Israel immer fester verankert. Die BoI geht davon aus, dass die Produktionslücke (output gap) sich allmählich schliessen wird.

(3) Die Zinssätze der Zentralbanken in den führenden Industrieländern sind sehr niedrig und sie werden voraussichtich in den nächsten Monaten auch so bleiben. Dennoch gehen einige von ihnen dazu über, den Einsatz von unkonventionellen Instrumenten der geldpolitischen Akkommodation zu reduzieren und andere Notenbanken beginnen damit, ihre Zinsen zu erhöhen.

Diese drei Faktoren unterstützen eine schrittweise Anhebung der Zinsen. Und die BoI belässt daher nach der Zinserhöhung im Vormonat den Leitzins für Mai unverändert bei 1,50 Prozent.


Israel, CPI, Graph: Bloomberg.com

Die Bank of Israel hat ihre Wachstumsprognosen für 2010 von 3,5% auf 3,7% angehoben.

Die CDS-Prämien für israelische Staatsanleihen sind im April um 7 Basispunkte auf 109 Basispunkte gesunken.

Pikante E-Mails und Finanzmarktkrise

Der ständige Ermittlungsausschuss des amerikanischen Senats hat am vergangenen Freitag interne E-Mails aus Goldman Sachs veröffentlicht. Pikante E-Mails bestärken den Verdacht, wie zynisch und unverschämt die Mitarbeiter der Investmentbank bei der Vermarktung von undurchsichtigen Anlageprodukten (wie z.B. von ABACUS 2007-AC1) vorgehen. Belastendes Material? Die meisten Schlagzeilen sind über die falschen E-Mails, schreibt Paul Krugman in seiner Montagskolumne in NYT. „Es ist hässlich, aber es hat nicht zum Unrecht beigetragen“, bemerkt der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften. Die E-Mail-Nachrichten, auf die man das Schwergewicht legen sollte, sind die von Mitarbeitern der Rating-Agenturen, die auf Hunderte von Milliarden Dollars von zweifelhaften Vermögenswerten „AAA“-Rating verliehen haben, von denen sich fast alle als „giftig“ (toxic waste) herausgestellt haben, so Krugman.

Das ist keine Übertreibung. 93% der subprime-MBS-Securities (hypothekenbesicherte Wertpapiere) mit „AAA“-Rating, die im Jahr 2006 ausgegeben wurden, wurden inzwischen auf „Junk-Status“ (Müll) herabgestuft. Was diese E-Mails offenbaren, ist ein zutiefst korruptes System. Und es ist ein System, welches die Finanzreform in der derzeitigen Form nicht flicken kann. Die Rating-Agenturen waren ein grosser Teil dieser Korruption, argumentiert Krugman. Die verdrehten Urteile, die die Rating-Agenturen vergeben haben, führten dazu, dass das Finanzsystem viel mehr Risiken übernommen hat, als es jemals handhaben könnte, so Krugman. Paul McCulley von Pimco, der den Begriff „Schatten-Bankensystem“ geprägt hat, beschreibt das Ganze so: „Das explosive Wachstum des Schatten-Bankensystems ging über eine unsichtbare Hand, die eine unregulierte Sauf-Party veranstaltete, wobei die Rating-Agenturen falsche IDs verteilten“.

Sonntag, 25. April 2010

Derivate und ihr Gewicht in Bank-Bilanzen

Es ist Banken inzwischen gelungen, wieder so viel Geld zu verdienen wie vor der Krise, wie die Abbildung deutlich vor Augen führt. Es ist ein offenes Geheimnis, welche entscheidende Rolle die Derivate dabei spielen. In der grauen Welt der Derivate mit undurchsichtigen Strukturen werden versteckte Risiken aufgrund der fehlenden Transparenz an die Endkunden übertragen. Finanzinnovationen haben Vermögenswerte geschaffen (v.a. Asset-backed Securities), die für eine lange Zeit fälschlicherweise als sicher empfunden und dementsprechend bewertet wurden, schreibt Paul Krugman. Das hohe Wachstum des Finanzsektors hat zu einem Aufwärtstrend der Preise von Vermögenswerten geführt, wobei die tatsächlichen Risiken versteckt bleiben, bemerkt Krugman weiter.


Durchschnittliche Vergütung im Vergleich : Finanzsektor vs. Nicht-Finanzsektor, Graph: Courtesy of James Kwak, „13 Bankers

Wie zum Beispiel die Immobilienblase die wahren Risiken von Subprime-Krediten maskiert hat. Das ist ein zentrales Element, aber nicht einzigartig. Früher oder später platzt eine Blase und das Ganze bricht zusammen. Krugman geht ferner davon aus, dass zwischen 1980 und 2008 das Finanzsystem, indem Gewinne aufgrund mangelnden Wettbewerbs generiert wurden, durch ein Finanzsystem ersetzt wurde, indem Gewinne durch Fehlinformationen und Fehleinschätzungen in einem grossen, nicht ganz unbeabsichtigten „Ponzi-Scheme“ (d.h. Schneeball-System) erzeugt wurden, welches schliesslich geplatzt ist. Ohne strenge Regulierung wird es wieder passieren, warnt Krugman.

Auch James Kwak befasst sich in einem lesenswerten Essay in Huffington Post mit dem Thema Derivate. Und zwar in der Bilanz der Banken. Die Frage ist, wie gross Grossbanken sind? Zählt man Derivate nicht, wissen wir in der Tat nicht, wie gross Grossbanken sind. Kwak plädiert in seinem Buch „13 Bankers“ (mit Simon Johnson) dafür, die Grösse der Banken zu deckeln. Kein Finanzunternehmen soll über Vermögenswerte verfügen, die mehr als 4% des BIP betragen. Das Problem hat jedoch zwei Dimensionen: (1) Vermögenswerte. Konventionell gemessen spiegelt die Summe der Vermögenswerte nicht alle Exposures einer Bank wider, genauso wie die Passiva nicht alle Verpflichtungen einer Bank angemessen reflektieren. Der wichtigste Grund für diese Diskrepanzen sind Derivate und ausserbilanzielle Positionen („off-balance-sheet entities“), wie z.B. Zweckgesellschaften („Structured Investment Vehicles“: SIV). (2) Systemrelevanz eines Finanzinstitutes. Der Schaden, den ein Finanzunternehmen für das System verursacht, hängt zum Teil davon ab, wem die Verpflichtugen geschuldet sind. Das ist der einfache Sinn des berühmten Begriffs „eng vernetzt“ („interconnectedness“). Traditionell fokussiert die Regulierung auf die Aktivseite der Banken, um das relative Risiko verschiedener Vermögenswerte zu beurteilen. Diese werden in „risikogewichtete Aktiva“ konvertiert und dienen dann als Grundlage für Eigenkapitalanforderungen. Kwak schlägt vor, das Gewicht auf die Passivseite der Bankbilanzen zu verlegen. Für jede Klasse von Verpflichtungen soll bestimmt werden, wie viel Anleger oder Gegenparteien verlieren würden, falls das Finanzinstitut ausfallen sollte, so Kwak. Natürlich ist es dabei notwendig, Derivate und ausserbilanzielle Engagements des Finanzinstitutes zu berücksichtigen. Wie sich aber herausstellt, verwenden amerikanische und europäische Banken unterschiedliche Rechnungslegungsstandards. Während US-Banken GAAP als Massstab zu Grunde legen, verwenden europäische Banken IFRS, mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Die Deutsche Bank hat beispielweise Vermögenswerte in Höhe von 1'000 Mrd. Euro unter GAAP, aber 2'200 Mrd. Euro unter IFRS. Der Unterschied ist v.a. auf verschiedene Arten von Bilanzierung von Derivaten zurückzuführen. Daniel Gros zeigt auf, dass Goldman Sachs' Bilanz Ende 2008 Vermögenswerte in Höhe von 900 Mrd. $ aufgewiesen hat. Gemessen nach IFRS wäre die Summe jedoch 4'600 Mrd. $ gewesen. Der Verschuldungsgrad beträgt im ersten Fall: 15, im zweiten Fall 72! Was heisst das also? Es bedarf eines Rechnungslegungsstandards, der das „Netting von Derivaten“ nicht zulässt, damit gezeigt werden kann, wieviel Schaden für das Finanzsystem im Fall einer Krise verursacht werden würde. Kwak vertritt also die Ansicht, dass „wir ein Mass für die Grösse der Banken haben müssen, welches alle Verpflichtungen der Grossbanken gegenüber anderen Unternehmen erfasst, wenn wir die Grösse der Grossbanken beschränken, und zwar unter den Bedingungen, wenn Krise herrscht und ein Gegenpartei-Risiko besteht“, schlussfolgert Kwak.

William K. Black: Homo oeconomicus als Soziopath

In einem lesenswerten Interview mit new deal 2.0 nimmt Bill Black zu aktuellen Themen „Regulierung“, „Finanzkrise“, „SEC-Klage“ u.v.m. Stellung. „Das Finanzwesen ist in den meisten entwickelten Nationen ein Parasit geworden. Es sollte als Vermittler (intermediary) der Realwirtschaft dienen. Seine Funktion ist, das Kapital zu seinem wertvollsten Einsatz zu möglichst niedrigen Kosten zu bewegen. Stattdessen erzeugt es massive Boni und Krisen, wenn es schlecht funktioniert. Funktioniert es „gut“, dann führt es zu einer Fehlallokation des Kapitals und finanziert spekulative Angriffe auf Rohstoffe und nationale Währungen. Es ist besonders schädlich für die Arbeitnehmer in Europa und den USA“, argumentiert Black. Das Finanzwesen laufe nicht im Interesse von Finanzunternehmen, erklärt Black weiter. Es ist im Interesse der leitenden Angestellten, die die Unternehmen kontrollieren, so Black. Sie maximieren einfach ihr Einkommen, häufig durch Bilanz-Betrug, hält Associate Professor für Wirtschaft und Recht an der University of Missouri, Kansas City fest.

„Homo economicus ist ein Soziopath. Zunehmend werden unsere Elite Unternehmen (und dies gibt ihnen auch grosse politische Macht) zu Soziopathen“, erklärt der ehem. Senior S&L-Regulierer. „Das ist das Rezept für wiederkehrende, sich intensivierende Krisen und wachsende Ungleichheit“. Eines der peinlichsten Elemente der Krise sie, was sowohl für Europa als auch für die USA gilt, „der Tod der Berechenbarkeit unserer finanziellen Elite“, erklärt Black.

Der hoch angesehene Wirtschafts- und Juraprofessor vertritt die Ansicht, dass Deutschland eine typische schwache Finanzaufsicht hatte. „Deutsche Banken sind weit grösser und in der Wirtschaft integriert als in vielen anderen Ländern“ Sie haben schwere Schäden für die Wirtschaft verursacht“. Deutschland spielte laut Black eine bedeutende Rolle bei der Aufhebung einer der erfolgreichsten US-Reformen aus der „Grossen Depression“-Ära: Glass-Steagall Act. Das Gesetz erforderte eine Trennung zwischen den Geschäfts- und Investmentbanken, wegen der inhärenten Interessenkonflikte in der Kombination der beiden Operationen in der gleichen Einheit (Stichwort: Chinese Wall). Die Gegner des Glass-Steagall-Gesetzes argumentierten in den USA, dass das Gesetz abgeschafft werden solle, um den Wettbewerbsvorteil gegenüber deutschen Universal-Banken zu Ende zu bringen. „Das war natürlich ein gefährlicher Unsinn, da es keine Grössenvorteile („economies of scale“) für deutsche Banken gibt und der Konflikt die Banken gefährdet. Aber es hält eine perverse Dynamik am Leben: Die „Konkurrenz in Laxheit“, ist Black überzeugt. Diese Dynamik schaffe Anreize, Regulierung kontinuierlich zu schwächen, bis zu einem Punkt, wo es dann ausfällt. „Das war das Ziel der Gegner der Regulierung. Sie machten regulatorisches Versagen eine sich selbst erfüllende Prophezeiung“. Ferner argumenitert Black, dass Deutschland bei der Reaktion auf die Krise eine negative Rolle spielt. Der EU-Stabilitätspakt ist von Natur aus nicht stichhaltig, so Black. Von Nationen, die sich in einer ernsten Rezession befinden, „Austerity“ (Sparpolitik) zu verlangen, macht die Dinge schlimmer, erklärt Black weiter. Ohne die Interventionen der US-Notenbank (Fed) im Namen der Nationen wie die Schweiz (oder genauer gesagt ihrer Banken) hätten die EU-Banken sich in grösseren Rettungsaktionen massiv engagieren müssen“, so Black.

Fazit: Banken verstecken die Risiken und verdienen heute wieder so viel wie vor der Krise. Ein ausgezeichnetes Interview, das Lob und Anerkennung verdient.

Samstag, 24. April 2010

Wall Street’s Aufstieg: 1980 – unaufhaltsam

James Kwak, Mitautor des lesenwerten Buches „13 Bankers. The Wall Street Takeover and the Next Financial Meltdown“ erklärt in einem kurzen Essay in Huffingtonpost anhand von vier anschaulichen Abbildungen, warum Wall Street’s Gewinne aus dem Gleichgewicht geraten sind. Die Charts erzählen selbst eine interessante Geschichte. Der erste Teil der Geschichte ist „Finanzialisierung der Wirtschaft“ („financialization of the economy“), so nennt Kwak den phänomenalen Anstieg der Gewinne der Wall Street. Da bieten sich Quoten wie „Vermögenswerte im Verhältnis zum BIP“ („ratio of financial assets to GDP“) und das „Verhältnis der Schulden zum Einkommen“ („ratio of debt to income“). Der beste Weg ist aber, das Verhältnis der Unternehmensgewinne des Finanzsektors zum Nicht-Finanzsektor aufzuzeigen, argumentiert Kwak. Die beiden Linien kreuzen sich im Jahre 1980. Rückblickend stellt man fest, dass die Gewinne des Finanzsektors und des Nicht-Finanzsektors im Grunde seit dem Crash 1929 im gleichen Schritt zugelegt haben. Dann hoben die Gewinne des Finanzsektors in den 1980er Jahren ab in die Stratosphäre und trotzten sogar dem Zusammenbruch der Aktienmärkte im Jahr 2000, so Kwak.


Unternehmensgewinne : Finanzsektor vs. Nicht-Finanzsektor, Graph: Courtesy of James Kwak (The Baseline Scenario)

Kwak erinnert daran, dass Finanzdienstleistungen ein Zwischenprodukt ("intermediate product") sind. „Wir essen sie nicht, oder wir leben nicht in ihnen oder wir ziehen sie nicht an“. Sie sollen eine effiziente Allokation des Kapitals ermöglichen, sodass der Nicht-Finanzsektor produktiver ist. Was wir in der Abbildung sehen, ist, dass der Finanzsektor sich ab 1980 vom Rest der Wirtschaft abgehoben hat. Der rechte Rand der Figur ist extrem aussagekräftig. Das Absacken der Gewinne im Finanzsektor im IV. Quartal 2008. Drei Monate nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, Washington Mutual und Wachovia. Aber dann schiessen die Gewinne des Finanzsektors in den nächsten Quartalen wieder durch die Decke, wieder auf das Niveau des Booms. Das nennt man „business as usual“. Und es ist nicht, was in der Realwirtschaft passiert.

PS: Ich habe das Buch über amazon.com gekauft und lese gerade mit grossem Interesse.

Swap Spreads und UST-Renditen: Positive Korrelation im April

In den vergangenen drei Wochen war es um das Thema „Swap Spreads“ ruhig geworden. Das hat mit dem Beginn der Berichtssaison zu tun. Während dieser Zeit nehmen Aktivitäten am Markt für Unternehmensanleihen deutlich ab. Das heisst, dass weniger Unternehmenspapiere ausgegeben werden, da Unternehmen mit der Bilanzsaison beschäftigt sind. Der Konvexität bedingte Handel mit Anleihen ist derzeit daher rückgängig. Die Swap Spreads bewegen sich wieder im Sog des Renditeniveaus der US-Staatsanleihen, berichtet Subadra Rajappa, Morgan Stanley Analyst. Das Zusammentreffen mehrerer Faktoren hatte im vergangenen Monat dafür gesorgt, dass die Swap Spreads ins Negative drehten.


10 Y Swap Spread Verengung, Graph: Courtesy of Subadra Rajappa, Morgan Stanley

Manche schwache Auktionen von US-Treasuries und das hohe Emissionvolumen an Unternehmensanleihen (das grösste Emissionsvolumen seit Mai 2009) hatten die Nachfrage nach „fixen“ Sätzen enorm angekurbelt. Alle Marktteilnehmer waren bemüht, „variable“ Sätze gegen „fixe“ Sätze zu tauschen („swap“). Aber seitdem richten sich die Veränderungen in Swap Spreads erneut an die Veränderungen in Renditen der US-Staatsanleihen (vgl. Abbildung). Die Folge: Enge Spreads. Die Korrelation mit UST-Renditen ist wieder positiv geworden. Was ist nun zu erwarten? Da die Konvexität-Absicherungen im Hypotheken-Universum erheblich abgenommen hat, rechnet Rajappa nicht mit grosser Erweiterung der Swap Spreads. Wenn es jedoch zu einem Ausverkauf von US-Treasuries kommen sollten, könnten Konvexität-Absicherungen genau wie im Mai 2009 zu einer Erweiterung der Swap Spreads führen, aber wahrscheinlich nicht im gleichen Masse wie vor einem Jahr, fügt der Analyst hinzu.


10 Y Swap Spread and 10 Y UST Yields, Positive Korrelation, Graph: Courtesy of Subadra Rajappa, Morgan Stanley

FDIC schliesst weitere 7 Banken am Freitag

Die FDIC hat am Freitag laut NYT 7 weitere Banken in Illinois geschlossen: 4 davon in Chicago. Damit ist die Anzahl der Banken, die im Jahre 2010 pleitegingen, auf 57 gestiegen. Die Banken verfügen insgesamt über ein Anlagevermögen von 6'330,2 Mio. $. Die Einlagensicherungsbehörde (FDIC) schätzt die Kosten aller 7 Banken auf 973,9 Mio. $ für die öffentliche Hand.

Bankpleiten:
2010: 57
2009: 140
2008: 25
2007: 3

In manchen Kommentaren ist das Argument zu lesen, dass viele kleine Banken im Sog der Finanzkrise ausgefallen sind, ohne systemische Folgen auszulösen. Das stimmt natürlich so nicht ganz. Denn diese Banken durften nicht zusammenbrechen, weil sie von der FDIC übernommen worden sind. Sie wurden verstaatlicht. Die Einleger wurden geschützt. In der Tat waren sie gerettet, obwohl die Aktionäre ausgeschlossen („squeezed out“) worden sind.

PS: Die FDIC hat im vergangenen Jahr 140 Banken geschlossen. Die Kosten für die Behörde: 30 Mrd. $.

Freitag, 23. April 2010

Derivate: Lizenz zum Töten

Der (ausserbörsliche) Derivatemarkt ist heute über 600’000 Mrd. $ schwer. Unreguliert. Das Geheimnis der Derivate ist, verdeckte Risiken zu übertragen. Wird ein Derivatekontrakt in kleinere Teile zerlegt, ist jeder Teil eine Risikoart. Legt der Derivatehändler beispielsweise 5 „AAA“ benotete Wertpapiere zugrunde, kann er durch Bündelung und Zerlegung 15 Teile daraus verpacken, die ebenfalls „AAA“ Rating innehaben. Das ist natürliche keine Finanzmathematik, sondern Finanzakrobatik. George Soros nimmt heute in einem lesenswerten Essay in FT die Anklage der SEC gegen die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs wegen Betrug zum Anlass und bemerkt, dass die in Frage stehende Transaktion eindeutig keinen sozialen Nutzen hat. Die synthetische CDO finanziere kein Eigentum an Immobilien und sorge auch nicht für eine effiziente Kapitalallokation. Sie hat nur das Volumen an Mortgage-backed Securities (hypothekenbesicherte Wertschriften) aufgeblasen, die dann an Wert verloren haben, als die Immobilienblase platzte.

Der primäre Zweck der Transaktion ist, Gebühren und Provisionen zu generieren, erklärt Soros. Das ist ein klarer Beweis dafür, wie Derivate und synthetische Wertschriften genutzt wurden, aus der Luft imaginäre Werte zu schaffen. Das darf nicht fortgesetzt werden, hält Soros fest. Der Einsatz von Derivaten und anderen synthetischen Instrumenten müssen reguliert werden, auch wenn alle Parteien versierte Investoren sind, so Soros. Gewöhnliche Wertpapiere müssen bei der Börsenaufsicht (SEC) registriert werden. Synthetische Wertpapiere sollten ebenfalls registriert werden, argumentiert der Hedge Fonds Legende, obwohl die Aufgabe an eine andere Behörde, nämlich an CFTC (Commodity Futures Trading Commission) übertragen werden könnte. Soros hebt besonders zwei Aspekte hervor: (1) Derivate können nützlichen Zwecken dienen, aber sie enthalten auch versteckte Gefahren. Zum Beispiel können sie versteckte Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage aufstocken, die plötzlich zum Vorschein kommen, wenn ein Schwellenwert überschritten wird. (2) Credit Default Swaps sind besonders verdächtig. Sie sollen Anleihegläubigern Versicherung gegen Zahlungsausfälle liefern. Da sie aber frei handelbar sind, können sie zusätzlich zur Versicherung von negativ eingestellten Investoren als Lizenz zum Töten genutzt werden. Ihr Einsatz sollte auf die jenigen reduziert werden, die ein Interesse an versicherbaren Anleihen eines Unternehmens und eines Landes haben, mahnt Soros an. Er ist der Ansicht, dass der von der SEC angestrente Zivilprozess gegen Goldman weitreichende Auswirkungen auf die Gesetzgebung zur Finanzreform hat. Über 95% der ausserbörslichen Geschäfte in den USA entfallen auf die fünf grossen Banken, die als Marktmacher fungieren.

US-Börsenaufsicht: Porno statt Regulierung

Ein neuer Bericht der amerikanischen Regierung, der ABC News vorliegt, habe festgestellt, dass bestimmte leitende Angestellte der SEC an ihren Computern Steunden mit Porno-Genuss verbracht haben, als die Finanzkrise sich entfaltete. Es handele sich dabei um höhere Mitarbeiter, die zwischen 100'000 $ und 222'000 $ im Jahr verdienen. Die SEC habe sich zu den Fällen nicht geäussert. Die Behörde nehme jedoch unangemessenen Einsatz von Ressourcen der Regierung ernst und würde sich mit Missbrauch auf Fall-Basis beschäftigen, heisst es laut ABC News.

Ponzi-Scheme und Porno-Scheme Hand in Hand in Wall Street.

Keine Tränen für Wall Street

Was ist eigentlich falsch an einem transparenten Derivatehandel? Warum wehren sich Banken mit allen Mitteln dagegen, den ausserbörslichen Handel mit Derivaten in einer zivilisierten Art und Weise zu regulieren? In einer Grundsatzrede in New York kritisierte US-Präsident Barack Obama die wütenden Versuche von Lobbyisten, die Reform zu verwässern. Obama arbeitet redlich daran, dass die Finanzreform bis Ende Mai beschlossen wird. Der Präsident setzt sich eine unabhängige Behörde zum Schutz der Verbraucher. Paul Krugman, der grundsätzlich mit den Reformvorschlägen der Obama-Regierung einverstanden ist, kann sich über den Inhalt der Rede des Präsidenten dennoch nicht ganz freuen. Denn seiner Meinung nach sollte die Reform Banken wehtun. Eine wachsende Zahl von Analysten deutet schliesslich darauf hin, dass die überdimensionierte Finanzindustrie die breitere Wirtschaft verletzt.

Eine schrumpfende Finanzindustrie würde also Wall Street gar nicht freuen. Was aber schlecht für Wall Street ist, wäre gut für Amerika, argumentiert Krugman. Er unterstütze die Reformpläne der Regierung. Das Problem sei aber, so Krugman, dass dei Reform das Finanzwesen sicherer, aber nicht kleiner machen will. Die Finanzbranche trage heute zu einem Drittel der gesamten inländischen Gewissen bei. Das ist doppelt so hoch wie vor zwei Jahrzehnten, erklärt Krugman. Die Bank-Branche will uns weismachen, dass die Profite gerechtfertigt sind. Sie kanalisiere das Kapital für produktive Zwecke, streue das Risiko und verbessere die finanzielle Stabilität. Keines dieser Argumente ist wahr, betont Krugman zu Recht. Das Kapital wurde nicht zur Schaffung von Arbeitsplätzen an Innovatoren kanalisiert, sondern in eine unhaltbare Immobilienblase. Das Risiko war nicht gestreut, sondern konzentriert. Als die Immobilienblase platzte, war es auch mit der „finanziellen Stabilität“ vorbei, hält Krugman fest. Die Folge: Die schwerste Rezession seit der Grossen Depression. Die Banker haben mit dem Geld von fremden Leuten gespielt. Sie haben zu hohe Risiken eingegangen, und zwar mit geliehenem Geld, bis zum geht nicht mehr. Sie haben Geld günstig borgen können, weil die Investoren nichts verstanden haben, was sie kauften und nicht wussten, wie fragil die Finanzindustrie war. Was ist also zu tun? Die Reform sollte der erste Schritt sein. Die Grösse der Banken müssen beschränkt werden, erklärt Krugman. Der Nobelpreisträger greift in diesem Zusammenhang auch auf den neulich in die Diskussion gebrachten „faszinierenden“ Vorschlag des IWF zur Einführung einer Bankenabgabe („Financial Activity Tax“: TAF) zurück. Eine solche Steuer, argumentiert der IWF, könnte die übermässige Risikonahme der Banken mildern, und darauf abzielen, die Grösse des Finanzsektors zu reduzieren. In dieselbe Kerbe haut auch Thomas Fricke in seiner Kolumne in FTD, dass die Banken zahlen müssen. Die deutschen Staatsschulden sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise um rund 180 Mrd. Euro gestiegen. Davon geht sage und schreibe 98 Mrd. Euro auf die Bankenrettungspakete zurück. Das heisst mehr als die Hälfte der neuen Lasten hat mit dem Versuch zu tun, die Finanzbranche vor dem Untergang zu retten.

US-Erzeugerpreise: Anstieg um 6,0% - Lauert Inflation um die Ecke?

In den USA sind die Erzeugerpreise (PPI) im März um 0,7% gestiegen. Annualisert legte der PPI um 6,0% zu. Die Kerninflation blieb mit 0,1% relativ niedrig. Auf Jahresbasis beträgt der Anstieg der Produzentenpreise 0,9%. Gelten die Zahlen als Warnung, dass die Inflation um die Ecke lauert? Vor allem die des annualisierten Anstiegs um 6,0%? Nein, bestimmt nicht. Weil die Weitergabe durch die Erzeugerpreise auf die Verbraucherpreise in jedem Fall weniger als 100% beträgt, schreibt Mark Thoma in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog. Und in einigen Fällen ist es nahe Null. Durchwirkung auf die Verbraucherpreise ist kleiner, wenn die Veränderung der Erzeugerpreise vorübergehender Natur ist, erklärt Thoma weiter. Die Kerninflation zeigt, dass der Anstieg der Produzentenpreise auf den Anstieg der Nahrungsmittel- und Energiepreise zurückzuführen ist. Die Kerninflation ist annualisiert um 0,9% gestiegen. Welche Art von Inflationsbemessung ist aber zu beachten, wenn man die künftige Inflation voraussagen will? Warum achtet man auf die Kerninflation statt „Headline Inflation“ für diesen Zweck?


US Erzeugerpreise im März, annualisiert, Graph: BLS, April 2010

(1) Die Kerninflation wird für künftige Inflationsprognose verwendet, erklärt Thoma. (2) Die Kernrate dient zur Messung des aktuellen Trends der Inflationsrate. Weil die Inflationsrate, die beobachtet wird, permanente und transitorische Komponente hat. Die genaue, langfristige Inflationsrate, mit der die Verbraucher konfrontiert sind, kann aber nicht direkt beobachtet werden. Sie muss geschätzt werden. Die Idee, die Nahrungsmittel- und Energiepreise auszuschliessen, um die Kerninflation zu berechnen, ist, die kurzfristigen Schwankungen abzustreifen, um auf diese Weise ein besseres Bild der Kern- oder langfristigen Inflationsrate zu bekommen. Es gibt dazu bespielsweise die Methode des getrimmten Mittelwerts („trimmed mean“). Die Kerninflation dient also dazu (a) die künftige Inflation zu prognostizieren, und (b) zu versuchen, die heutige Trendinflation zu messen, erläutert Thoma. Wenn die Frage lautet, was ist die heutige Inflationsrate? Dann ist die gesamte Inflationsrate die beste Massnahme. Nur wenn die Frage lautet, wie die Inflation in Zukunft aussieht, dann verwendet man unterschiedliche Massnahmen, wodurch politische Entscheidungsträger wesentliche Erkenntnisse durch Verzögerungen zwischen der Umsetzung der Politik und ihrer Auswirkungen gewinnen. (3) Die Inflationssteuerung. Das ist die wichtigste Funktion der Kerninflation, hebt Thoma hervor. Warum?


US Erzeugerpreise im März, monatlich, Graph: BLS, April 2010

In theoretischen Modellen wird ein Verfahren angestrebt, eine geldpolitische Regel herauszufinden, die dafür sorgt, das die Haushaltswohlfahrt maximiert wird, indem die Variation in Variablen wie Output, Konsum und Beschäftigung mininiert wird, so Thoma. Diese Regel variiert je nach Modell, aber sie beinhaltet i.d.R. ein gewisses Mass an Output und ein gewisses Mass an Preisen, d.h. sie bildet eigentlich eine Art Taylor-Regel-Rahmen. Nach Taylor-Regel richtet sich die Fed Funds Rate nach dem Mass von Output und Preisen. Allerdings sieht die Taylor-Regel so aus, wie die Kerninflation bemessen wird. Wenn also Preise „sticky“ sind, wie in wesentlichen, modernen Wirtschaftsmodellen angenommen wird, ist es der beste Weg, das Gewicht auf einen Index zu legen. Das ist dann erreicht, wenn man die schwankungsanfälligen Preise für Lebensmittel und Energie aus dem Index ausschliesst, argumentiert Thoma. Die Kerninflation liefert deswegen eine ziemlich gute Information für die Fed im Hinblick auf die künftige Inflation.

Privatverbrauch und Wirtschaftsleistung

Der Privatverbrauch hat einen Anteil von rund 70% an der gesamten Wirtschaftsleistung. Das bedeutet, dass eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft von der Erholung des privaten Konsums abhängt. Es gibt drei Indikatoren, schreiben Emre Ergungör und Kent Cherny in einem aktuellen Research Papier bei der Cleveland Fed, die auf die Konsumneigung auswirken: (1) Das Wachstum des verfügbaren Einkommens, (2) Die bestehende Schuldenlast und (3) Die gesamte Haushaltsbilanz. Zum 1) Die offensichtlich primäre Quelle für den neuen Verbrauch ist das verfügbare persönliche Einkommen. Zwischen 1990 und 2007 haben die jährlichen Veränderungsraten des persönlichen Einkommens im Bereich von etwa 2 bis 8% geschwankt, wobei die persönlichen Ausgaben diesem Trend fast immer eng gefolgt sind, erklären die beiden Autoren. Allerdings schickten die Rezession und die Finanzkrise die beiden Werte im Jahre 2008 ins Negative. Erstmals seit über 20 Jahren. Obwohl die beiden Werte wieder ins Positive gedreht haben, bleiben sie noch mit 2 bis 3% unter ihrem langfristigen Wachstumsdurchschnitt.


Household Borrowing, Graph: Ergungör und Cherny, Cleveland Fed

Zum 2) Die private Verschuldung (in Prozent des BIP) verlief in den vergangenen Quartalen negativ,was bedeutet, dass die Nettobasis Darlehen entweder ausbezahlt oder nicht verlängert worden sind, oder eine Kombination von beiden. Die durchschnittliche Kreditaufnahme entsprach, bevor die lockere Kreditvergabepolitik der 2000er Jahren eingestellt wurde, rund 4% des BIP. Die persönliche Sparquote zeigt, dass die Haushalte in der Tat mehr sparen, was die Schrumpfung der Kreditaufnahme erklärt. Die Schuldendienst-Quote, die die Rückzahlungen als Prozent des Einkommens misst, fällt seit dem III. Quartal 2008. Mit abnehmender Verschuldung geben die Verbraucher weniger ihres verfügbaren Einkommens für Rückzahlungen im Zusammenhang mit Hypotheken und Verbraucherkrediten aus, heben die Ökonomen hervor. Zum 3) Schliesslich ist es für Verbraucher unwahrscheinlich, auf einem hohen Niveau zu konsumieren, wenn ihre Schulden im Verhältnis zu ihrem Vermögen hoch sind. Die Schulden-Quote von Konsumenten ist von 13% im Jahre 2000 auf 22% im Jahre 2008 geklettert, zeigen die Autoren auf. Das lastet natürlich auf dem Wohlstand der Verbraucher und damit auf der Konsumneigung.


Household Balance Sheet, Graph: Ergungör und Cherny, Cleveland Fed

Fazit: Die Daten zeigen, dass für eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft noch ein langer Weg ist.