In der Regel wird erwartet, dass Schwellenländer niedrige Sparquote und eine hohe Investitionsquote haben. Es wird nicht angenommen, dass die Bürger der „Emerging Markets“ viel sparen, da ihr Einkommen rasant wächst. Warum sollen sie sparen, und auf den Konsum verzichten, wenn sie in Kürze reicher werden? So argumentiert Yi Wen in einem aktuellen Research Paper der Fed St. Louis. Eine Kombination aus einer niedrigen Sparquote und einer hohen Investitionsquote bedeutet, dass die aufstrebenden Länder tendenziell Geld borgen, um Investitionsgüter einzuführen. Damit weisen sie Leistungsbilanzdefizit und Kapitalbilanzüberschuss auf. Die Industrieländer haben hingegen geringere Investitionen und höhere Ersparnisse und sie weisen einen Leistungsbilanzüberschuss auf, erklärt Wen. Tatsächlich ist aber das Gegenteil der Fall.
China, Haushalte Sparquote und Wachstum des Einkommens, Graph: Yi Wen, Fed St. Louis
Viele aufstrebende Ländern, insbesondere China sparen viel und verbuchen Leistungsbilanzüberschüsse, während die USA weniger sparen und ein Defizit in der Leistungsbilanz aufweisen. Folglich fliesst das Kapital, wo es knapp ist (in den Entwicklungsländern) in die Industrieländer, wo es relativ viel vorhanden ist. Was sind die Ursachen? Ein Grund ist, so Wen, dass Schwellenländer viel sparen, trotz oder gerade deswegen, weil ihr Einkommen schnell wächst. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass hohes Wachstum zu hohen Ersparnissen führt. Nicht umgekehrt. Die Idee, dass hohes Einkommenswachstum hohe Ersparnisse zu Folge hat, scheint Friedman’s Permanent Income Hypothesis (PIH) zu widersprechen. Die PIH argumentiert nämlich, dass Leute „smooth“ Konsum vorziehen. Das heisst, dass sie es nicht gern haben, in einer Periode zu verhungern und einer anderen zu schlemmen. Daher ist ihr Konsum, wenn sie Geld leihen und verleihen können, durch das durchschnittliche Einkommen ihrer Lebensdauer bestimmt, nicht durch das laufende Einkommen. Leute, die in Zukunft ein höheres Einkommen erwarten, würden Geld leihen im Hinblick auf das künftige Einkommen oder sie würden zumindest nicht sparen. In der Realität aber, v.a. in den Entwicklungsländern sparen Menschen oft, obwohl sie mit einem höheren Einkommen in Zukunft rechnen, erklärt Wen. Ein wesentlicher Grund für diesen scheinbaren Widerspruch ist, dass die PIH davon ausgeht, dass die Menschen frei Geld leihen können, um das künftige Einkommen zu konsumieren, wenn ihr gegenwärtiges Einkommen gering ist. Wenn die Menschen aber bei der Kreditaufnahme Einschränkungen begegnen, dann steigt ihre marginale Sparquote mit dem steigenden Einkommen, weil sie für Notfälle aus vorsorglichen Gründen sparen. Die ökonomische Theorie prognostiziert, so Wen, dass schnelles Wachstum zu höheren Ersparnissen führen kann, wenn es Menschen an Finanzinstituten mangelt, die Kreditaufnahme erleichtern. Wie in der Abbildung deutlich zu sehen ist, stieg die durchschnittliche Sparquote in China trotz niedriger Zinsen, als in den vergangenen 30 Jahren das Einkommen wuchs. Das Ungleichgewicht zwischen globalen Ersparnissen und Investitonen werde voraussichtlich bestehenbleiben, bis Schwellenländer anspruchsvolle Finanz- und Banksysteme aufgebaut haben, schlussfolgert Wen.
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