Der amerikanische Anleihenmarkt steht seit sechs Monaten im Fokus eines besonderen Interesses. Vor allem wird dem Verlauf der Renditen der US-Treasuries eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen ist von 2,07% im Dezember 2008 inzwischen auf 3,90% geklettert. Das entspricht einem Zuwachs von rund 88 Prozent. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten? I. Schwarzmaler: Niall Ferguson und John Taylor beschwören Unheil herauf. Sie befürchten wegen der steigenden Staatsverschuldung die Gefahr einer Hyperinflation. II. Realisten: Paul Krugman und Martin Wolf erkennen darin Anzeichen der Normalisierung. III. Fed-Chef: Ben Bernanke deutet den Anstieg der Renditen als Folge von (1) Verbesserung der Aussichten für die Wirtschaft und (2) Anstieg des Haushaltsdefizits.
Bernanke Conundrum?
Die Renditen der US-Treasuries gelten als Referenz („Benchmark“) für fast alle Kredite an Unternehmen und private Haushalte und determinieren damit die Kreditkosten der Wirtschaft. Die Fed kauft am offenen Markt Anleihen auf, um die Finanzierungskosten für Unternehmen und private Haushalte zu senken. Auch wenn der jüngste Anstieg der Renditen Bernanken’s Plan zu vereiteln scheint, ist es dem Fed-Chef gelungen, den Risikoaufschlag zwischen den 10-jährigen Treasuries und den 30-jährigen Hypotheken von 3,37% im Dezember auf 1,77% jetzt zu verringern. Die Entwicklung hat weniger mit Conundrum als viel mehr mit technischen Faktoren zu tun. Das aktuelle Geschehen am Anleihenmarkt ist vielschichtig. Gewinnmitnahmen, Rückgang der Risikoaversion, Convexity Hedging usw. gehören dazu.
Das Convexity Hedging hat mit Schutz gegen die Volatilität der Zinssätze zu tun. Die Investoren versuchen, die Restlaufzeit einer Anleihe mit der eigenen Planungsperiode in Einklang zu bringen. Die MBS (Mortgage-backed Securities) haben technisch gesehen eine negative Konvexität, da ihr Preis bei fallenden Zinsen nicht so steigt wie bei einer normalen Anleihe. Bei sehr niedrigen Zinsen machen Hausbesitzer von der Möglichkeit der Refinanzierung Gebrauch und zahlen ihre alte Hypotheken zurück. Die MBS-Besitzer müssen dann die Duration ihres Portfolios sofort anpassen, indem sie länger laufende Staatsanleihen oder US-Dollar Swaps kaufen. Bei steigenden Zinsen passiert genau das Gegenteil. Die MBS-Besitzer fangen dann an, zu verkaufen.
Die Kennzahl Konvexität dient zur Beschreibung des Verhaltens einer Anleihe bei Veränderung des Marktzinses. Es geht im grunde genommen um die Zinsempfindlichkeit von Wertpapieren, der sog. Duration einer Anleihe. Die Duration ist eine Sensitivitätskennzahl, die über die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer einer Anleihe (in Jahren) aussagt. Die Duration ist der gewichtete Mittelwert der Zeitpunkte, an denen der Anleger die Zinszahlungen (aber auch die Tilgung) aus einer Anleihe bekommt. Die Duration berücksichtigt die erste Ableitung, die Konvexität hingegen die zweite Ableitung (die Steigung der Steigung). Die Konvexität wird herangezogen, um Schätzfehler, die bei Duration unterlaufen, zu berücksichtigen. Schätzfehler rühren daher, dass die Abhängigkeit des Anleihenpreises vom Zins nicht linear verläuft, sondern konvex. Eine Anleihe mit hoher Konvexität wird demnach von Zinssänderungen weniger stark beeinflusst als eine Anleihe mit weniger Konvexität. Folglich haben Anleihen mit grösserer Konvexität einen höheren Preis als Anleihen mit weniger Konvexität, unabhängig davon, ob die Zinsen steigen oder fallen.
Fazit: Convexity Hedging ist eine Art Schutz oder Sicherstellung der erwarteten Rendite eines Anleihenportfolios. Das geschieht entweder durch den Verkauf oder den Kauf von US-Staatsanleihen. Folgende Faktoren beeinflussen im allgemeinen die Konvexität: (1) Das Preis-Rendite-Verhältnis der Anleihe, und (2) Kündbare Anleihen („Callable Bonds“) und MBS (hypothekenbesicherte Wertpapiere). Wegen der Option vorzeitiger Rückzahlung weisen solche Anleihen bei bestimmten Preis-Rendite-Verhältnissen eine negative Konvexität auf. Als Faustregel gilt: Je höher der Kupon, desto niedriger ist die Konvexität einer Anleihe. Negative Konvexität bedeutet, dass die Duration einer Anleihe (wegen der Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung) abnimmt, wenn die Renditen zurückgehen.
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