Die Anzahl der Theorien über die anhaltende Finanzkrise überschlagen sich. Mittlerweile hat jeder Mensch seine eigene Version darüber, von absurd bis glaubwürdig. Was wissen wir aber bisher? Mit der Frage setzt sich Paul Krugman in seiner Montagskolumne in NYT auseinander. Er schlägt vor, den Blick zuerst auf die Länder zu richten, die das Schlimmste verhindert haben: Zum Beispiel Kanada. Was hat Kanada getan? Kanada hat (1) den Verschuldungsgrad begrenzt, (2) Verbraucher geschützt und (3) es gemieden, in eine Ideologie verwickelt zu sein, wonach es keiner Regulierung bedarf.
Man kann sich andererseits Länder und deren Finanzunternehmen und Politik ansehen, die von denen der USA verschieden sind. Zum Beispiel Irland, bemerkt Krugman. Fast alle offensichtlichen Ursachen der Krise in den USA fehlen im Fall von Irland. Das gilt auch umgekehrt. Doch die Form der Krise in Irland ist sehr ähnlich:
Eine riesige Immobilienmarkblase. Die Preise sind in Dublin höher gestiegen als die in Los Angeles oder Miami. Gefolgt sind Bankpleiten, die nur dank einer schweren Rettungsaktion im Zaum gehalten werden konnten. Irland hat weder Fannie Mae noch Freddie Mac, hält Krugman fest. Irland’s Reinfall war auch keine Geschichte von CDO oder CDS, sondern von Exzessen an Standardkonstruktionen (d.h. altmodische, einfache Finanzinstrumente wie Plain-Vanilla-Fälle), in denen die Banken Darlehen an, was die Bonität betrifft, fragwürdige Kreditnehmer vergeben haben, betont Nobelpreisträger. Am Schluss haben die Steuerzahler für die Kosten aufkommen müssen. Was ist aber der gemeinsame Nenner?: Es gibt vier Faktoren, so Krugman aus einer aktuellen Studie drei irischer Ökonomen zitierend: (a) Irrationaler Überschwang: In beiden Ländern glaubten Kreditnehmer und Kreditgeber, dass die Preise am Immobilienmarkt weiter steigen würden, (b) riesiger Zustrom von billigem Geld: Im Fall der USA kam das billige Geld vorwiegend aus China. Im Fall von Irland aus der Euro-Zone. Deutschland war ein gigantischer Kapitalexporteur, (c) Anreiz für hohe Risiken: Warum? Kopf: ich gewinne, Zahl: jemand anderer verliert. Das heisst Moral Hazard-Problematik. Das Top-Management von amerikanischen Finanzunternehmen haben „leistungsbezogene“ Milliarden an Bonus gekriegt, bevor ihre Unternehmen fehlschlugen und (d) regulatorische „Unvorsichtigkeit“: Die Menschen, die mit der Aufsicht der Banken beauftragt waren, haben ihre Arbeit nicht getan. Zum Teil wegen Vetternwirtschaft.
Worauf es ankam, war der Markt-Fundamentalismus, hebt Krugman hervor. Das ist genau das, was Ronald Reagan erklärte, dass nämlich die Deregulierung alle Probleme lösen würde. Und Alan Greenspan bestand darauf, dass die Verbreitung von Derivaten das Finanzsystem stärken würde. Dank dieser Theorie ignorierten die Regulierungsbehörden die Risiken. Lehre daraus: Wir müssen uns weniger auf die Regulierung, sondern viel mehr auf die Regulatoren konzentrieren. Sowohl der Verschuldungsgrad als auch Verbriefung sollen limiert werden, erläutert Krugman. Solche Massnahmen spielen aber keine Rolle, wenn sie nicht von Menschen überwacht werden, die es für ihre Aufgabe betrachten, den mächtigsten Banken Stirn zu bieten. Daher brauchen wir eine unabhängige Agentur für Verbraucherschutz, argumentiert Krugman als Fazit.
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