Es ist ja bekannt, dass die überaus hohe Entlöhnung im Finanzsektor von Protagonisten öfters mit dem Hinweis auf den angeblich hohen Beitrag zur nationalen Wertschöpfung gerechtfertigt wird. Wie sieht es aber mit der Herkunft der Erträge aus? Diese Frage warf gestern Jean-Pierre Dantline, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in einem Vortrag in Zürich auf: „Sind die Erträge wirklich das Ergebnis einer hohen Produktivität oder sind sie eine Folge von Leverage?“. Wie der Untersuchungsbericht zum Konkurs von Lehman Brothers in den USA aufzeigt, hat die Bank mit Schattentransaktionen und Bilanzierungstricks ihre Bücher arglistig verfälscht. Die Bank hat unter dem Deckmantel „Repo 105“ temporäre Transaktionen (Repo-Geschäfte) als Verkauf gebucht. Auf diese Weise hat die Bank gestützt auf ausserbilanzielle Buchungen (bzw. Hilfsmittel) den wahren Wert der Leverage Ratio (Verschuldungsgrad) gegenüber der Öffentlichkeit verschleiert. Folglich hat die Bank dank Bilanzverfälschung höhere Erträge aufgewiesen.
Jean-Pierre Dantline vertritt die Meinung, dass „Ertrags- und Gewinnberechnungen auf mittlere und lange Sicht angestellt und angemessen um Risiken und Leverage bereinigt werden sollten“. Beispiel: „Wird die Eigenkapitalrendite angeführt, um die Effizienz eines Instituts zu belegen, so sollten die Zahlen um die Leverage bereinigt sein, um sich nicht dem Vorwurf der Verfälschung auszusetzen“. In wiefern sind aber die in den Büchern ausgewiesenen Leverage Ratios verlässlich? Erst kürzlich bemerkten drei ehem. Führungskräfte von Lehman Brothers in einem Interview, dass es vollkommen normal sei, Ende Quartal die Bilanz zu verfälschen. Jeder tue das. Wer sich darüber aufrege, sei „Dummschwätzer“. Ist das das wahre Gesicht der Wall Street? Wo bleibt die Wahrhaftigkeit?
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