Der technologische Fortschritt stand im Mittelpunkt des Wirtschaftswachstums für zwei Jahrhunderte. Einige Autoren deuten jedoch an, dass Produkt- und Prozessinnovationen die Puste ausgehe.
In diesem Zusammanhang verweist Joel Mokyr in einem lesenswerten
Artikel („Is technological progress a
thing of the past?“) in voxeu auf Robert Gordon uind Tyler Cowen, die die Ansicht vertreten, dass der
technologische Fortschritt sich verlansamt. Jan Vijg stellt sich vor, dass die
industrialisierte Welt des 21. Jahrhunderts den untergehenden Imperien von Rom
und Qing China ähnele.
Der grundlegende Punkt der
zitierten Wissenschaftler ist, dass die technologische Dynamik im Sande
verlaufe. Die niedrig hängenden Früchte, die das Leben im 20. Jahrhunder
verbessert hatten, seien alle bereits abholt. Wir sollen uns auf eine
stagnierende Welt mit einem wenig, wenn überhaupt, steigenden Lebensstandard
einstellen.
Die Geschichte war immer ein
schlechter Anhaltspunkt für die Zukunft und die Wirtschaftshistoriker sollen
sich mässigen, Vorhersagen zu machen. Solche Einsichten können wiederum als
Basis dafür verwendet werden, zu beurteilen, wie wahrscheinlich ist, dass ein
Rückgang stattfindet, unterstreicht Mokyr.
Die Antwort ist kurz und einfach:
wir haben bisher nichts gesehen. Das Beste kommt noch, hebt der an der Northwestern University lehrende
Wirtschaftsprofessor hervor.
Sein Argument betrifft sowohl das
Angebot als auch die Nachfrage in Sachen Innovation. Zum Angebot: Was ist es,
was zum nachhaltigen technologischen Fortschritt zählt? Das Verhältnis zwischen
dem wissenschaftlichen Fortschritt und der Technologie ist eine komplexe
Einbahnstrasse. Zum Beispiel hat die Energie-Physik im 19. Jahrhundert mehr von
der Dampfmaschine gelernt als umgekehrt, erklärt Mokyr.
Die historischen Aufzeichnungen
machen deutlich, das die Wissenschaft von der Technologie abhängt, die wiederum
von den Instrumenten und Werkzeugen abhängt, die für die Wissenschaft notwendig
sind, um voranzukommen. Neue Instrumente öffnen neue Horizonte, was Derek Price als „artifical revelation“ („künstliche Offenbarung“) nennt: Beobachtungen
durch Instrumente, die uns erlauben, die Dinge zu sehen, die sonst unsichtbar wären.
Beispiele:
Die wissenschaftliche Revolution
des 17. Jahrhunderts hing wesentlich von der Entwicklung des Teleskops, des
Mikroskops, des Barometers, der Vakuumpumüe und ähnlicher Apprate ab.
Das achromatische
Objektiv-Mikroskop, welches von Joseph
Lister (Vater des berühmten Chirurgen) in den 1820er Jahren entwickelt
wurde, hat den Weg für die Keim-Theorie geebnet, den grössten Durchbruch in der
Medizin vor 1900.
Mokyr will es sicherstellen, dass
es keinen automatischen Mechanismus gibt, der eine bessere Wissenschaft in eine
verbesserte Technik verwandelt. Aber es gibt einen Grund, zu glauben, dass es
in Zukunft besser und effizienter funktionieren wird als je zuvor. Der Grund
ist laut Mokyr der Zugang.
Sind aber alle niedrig hängenden
Früchte abgeholt worden?
Die Antwort ist, dass die
Analogie fehlschlägt. Wissenschaft baut grösser werdende Leiter, sodass wir die
oberen Zweige erreichen, und die Zweige darüber.
Eine weniger offensichtliche
Antwort ist, dass der technologische Fortschritt grundlegend ein destabilisierender
Prozess ist, so Mokyr.
Wenn die Technologie aber die
Arbeiter ersetzt, was wird die Rolle der Menschen werden? Von Kurt Vonnegut bis Erik Brynjolfsson haben Dystopien über das untätige und geistlose Menschsein
in einer automatisierten Wirtschaft Menschen besorgt. Es wird Störungen und
Schmerzen geben. Aber die neue Technologie wird auch neue Nachfrage nach
Menschen schaffen, um Aufgaben zu erledigen, die die neue Technologie erzeugt,
ist Mokyr überzeugt.
In seinem Werk „Economic Possibilities for our Grandchildren“
(1931) hat Keynes viele der
zukünftigen Auswirkungen der Technologie vorhergesehen. Seine Erkenntnisse
mögen überraschen, die in Keynes den Propheten der Arbeitslosigkeit sehen: „all
die technologischen Veränderungen bedeuten, dass die Menschheit auf lange Sicht
ihr wirtschaftliches Problem lösen wird“.
Nachsinnend über eine Welt, in
der die Arbeit selbst dank der Wissenschaft und dem Kapital überflüssig würde,
dachte Keynes, dass das Zeitalter der Freizeit und des Wohlstands die Menschen
erschreckt, weil „wir zu lange geschult wurden, um uns anzustrengen, und nicht
zu geniessen“, fasst Mokyr als Fazit zusammen.
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