Mittwoch, 4. September 2013

Frankreich-Kritik: Geht es wirklich um verantwortungsvolle Finanzpolitik?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Brüssel und Berlin Frankreichs Wirtschaftspolitik gelegentlich harsch kritisieren. Selbst Bundesbankpräsident Jens Weidmann fordert von Paris einen härteren Sparkurs. Ist Frankreich aber wirklich „Europas grösstes Sorgenkind“? Was sagen die Zahlen?

Frankreichs Produktionslücke (output gap) beträgt laut OECD rund -4% für 2013 und -4,5% für 2014. Der zugrunde liegende Primärsaldo (primary balance) ist der beste Indikator für das, was die Regierungspolitik macht, schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog und wirft sachlich einen näheren Blick auf Frankreich. Die Fiskalpolitik wird seit der kräftigen Expansion im Anschluss an die Rezession von 2008/09 immer restriktiver. Seiner Ansicht nach hat Paris eine Menge Austerität auf sich gezogen, und zwar weit mehr als sinnvoll, angesichts der gesamtwirtschaflichen Situation.

Das Beste ist natürlich, die Sparmassnahmen (fiscal tightening) sofort zurückzustellen, bis die Produktionslücke geschlossen ist. Die finanzpolitischen Vorschriften (Fiscal Compact) in der Eurozone lassen dies aber nicht zu. Stattdessen fördert die EU pro-zyklische Fiskalpolitik

Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor stellt fest, dass Frankreich sein strukturelles Primärdefizit hauptsächlich durch Steuererhöhungen (top tax rate) statt durch Ausgabenkürzungen abgebaut hat, was ja richtig ist, wenn es darum geht, der Wirtschaft in einer schweren Rezession weniger Schaden hinzuzufügen. Die Regierung Hollande scheint in erster Linie durch vorübergehende Erhöhung des Spitzensteuersatzes genau diesem Ziel zu folgen.




Frankreich, Entwicklung des finanziellen Gleichgewichts, Graph: OECD via Prof. Simon Wren-Lewis

Ist die EU aber damit zufrieden? Nein. Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung vertritt die Meinung, dass Steuererhöhungen das Wachstum zerstören und die Schaffung von Arbeitsplätzen behindern: „Haushaltsdisziplin muss von der Senkung der Staatsausgaben herkommen, nicht von neuen Steuern“.

Wie Wren-Lewis betont, unterstreicht auch Paul Krugman in seinem Blog, dass Frankreich ein souveränes Land ist, mit einer ordnungsgemäss gewählten Regierung. Und es ersucht darüber hinaus die EU-Kommission nicht um eine spezielle Beihilfe. Es geht Rehn nichts an, Frankreich „Big Government“ vorzuwerfen.

Der Punkt ist, erklärt Krugman, dass es Rehn gar nicht um eine verantwortungsvolle Finanzpolitik geht. Es ging immer darum, durch Überspitzung über die Gefahren der Verschuldung den Sozialstaat abzubauen.

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