Michael Woodford will, dass die Fed mit dem Kauf von Anleihen so schnell wie möglich aufhört. Er ist einer der weltweit herausragenden Theoretiker der Geldpolitik.
Der an der University of Columbia lehrende Wirtschaftsprofessor gilt im Allgemeinen als Verfechter der unkonventionellen geldpolitischen Impulse. Deswegen ist es erstaunlich, dass er jetzt das Ende der Anleihekäufe durch die Fed fordert. Woodfords Name ist zumeist mit „forward guidance“ verbunden. Die Idee stammt aus einer Forschungsarbeit, die Woodford im Jahr 2003 mit Gauti Eggertson verfasst hat.
Es handelt sich dabei um ein unkonventionelles Instrument der Notenbanken, um auf die Markterwartungen im Hinblick auf den künftigen Kurs der Geldpolitik Einfluss zu nehmen, vorausgesetzt, dass die Zinsen an der Null-Grenze angekommen sind. Die Fed, die Bank of England (BoE) und die EZB bedienen sich zur Zeit dieses Konzeptes, das Niveau der kurzfristigen Zinsen über einen längeren Zeitraum niedrig zu halten.
Man muss sich vorstellen, dass sogar die EZB forward guidance auf die Fahnen geschrieben hat. Es war die EZB, die in den vergangenen Jahren keine Gelegenheit ausgelassen hat, zu betonen, dass sie sich nie im Voraus festlegt. Im Sommer hat Mario Draghi, EZB-Präsident jedoch angekündigt, dass die EZB die Schlüsselzinsen über einen längeren Zeitraum auf dem derzeitigen Niveau festhalten will.
Die verbale Lenkung der Markterwartungen kommt im Rahmen der QE-Politik (quantitative easing) v.a. dann zum Einsatz, wenn die nominalen Zinsen nahe null (zero lowe bound) liegen und die herkömmliche Geldpolitik an Wirksamkeit verliert, weil die Zinsen nicht einfach unter die Null-Marke fallen können. Die modernen Zentralbanken versuchen deshalb, via Vermögenseffekt (z.B. steigende Aktienkurse oder sich erholende Immobilienmärkte) die Konjunktur zu beleben.
Finanzmärkte im Gleichgewicht (ultra-kurzfristig), Graph: Prof. Paul Krugman
Woodford hat bisher die Meinung vertreten, dass die Fed nicht annähernd genug getan hat, um die Wirtschaft anzukurbeln. Warum setzt sich der amerikanische Ökonom aber jetzt für das sog. tapering (Verringerung des Umfangs der Anleihekäufe durch die Fed) ein? Bis vor kurzem erklärte Woodford, dass die Fed sich verpflichten soll, die kurzfristigen Zinsen nahe null Prozent zu behalten, bis die Produktionslücke (output gap), die sich zur Zeit schätzungsweise auf 2‘000 Mrd. USD beläuft, schliesst.
Matthew C. Klein von Bloomberg will vor diesem Hintergrund wissen, weshalb Woodford die QE-Politik für relativ unwirksam hält. Er sendet seine Fragen an Woodford per E-Mail und berichtet über das Ergebnis in einem inzwischen viel zitierten Bericht im Bloomberg. Woodford denkt, dass es wichtig ist, sich zu vergegenwärtigen, dass die Bilanzsumme der Fed nicht weiter wachsen kann, ohne Kosten für die Wirtschaft und die Finanzmärkte auszulösen, auch wenn die Inflation derzeit sehr niedrig verläuft und die Arbeitslosigkeit auf einem hohen Niveau verharrt. Um welche Kosten es sich dabei handelt, gibt Woodford aber nicht explizit an. Auch aus dem Rest des Textes geht nicht deutlich hervor, warum er jetzt (plötzlich) tapering unterstützt.
Bemerkenswert ist, dass neulich zwei Ökonomen am internationalen Treffen der Zentralbanken im amerikanischen Jackson Hole den Kauf von Anleihen durch die Fed als ein „weniger wirksames Instrument“ (als die US-Notenbank denke) zur Stimulierung des Wirtschaftswachstums bezeichneten. Die sog. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) funktioniere durch einen „Portfolio-Balance Kanal“, schreiben Arvind Krishnamurthy und Annette Vissing-Jorgensen. Der Portfolio-Balance-Kanal von QE funktioniere aber weitgehend durch enge Kanäle, die auf die Preise der erworbenen Vermögenswerte auswirken, mit Spillover je nach Vermögenswert und dem wirtschaftlichen Umfeld, nicht also durch breite Kanäle, wie die Fed annehme, mit Einfluss auf die Laufzeitprämie (term premium) aller langfristigen Anleihen.
Die Autoren vertreten die Meinung, dass die Einstellung des Kaufs oder des Verkaufs von MBS (mortgage-backed securities; d.h. hypothekenbesicherte Papiere) für den Privatsektor aus ökonomischer Sicht viel wichtiger sei als der Kauf oder der Verkauf von US-Staatsanleihen (UST).
Als Fazit lässt sich bisher festhalten, dass Woodford sich zugunsten von tapering ausspricht, aber zugleich für mehr forward guidance eintritt. Im Grunde genommen geht es immer noch um das Thema, was eine Zentralbank unternehmen kann, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, wenn die Zinsen nahe null liegen?
Paul Krugman hat in den vergangenen Monaten vielfach hervorgehoben, dass die Fed „glaubwürdig unverantwortlich“ auftreten soll. Sprich: Die Fed soll eine etwas höhere Inflationsrate zulassen, vorübergehend, bis die Wirtschaft wieder Fuss fasst. Krugman schreibt nun in seinem Blog, dass auch er gegenüber der Wirksamkeit der QE-Politik skeptisch sei und daher mehr forward guidance befürworte, und zwar seit 15 Jahren. Seiner Ansicht nach machen die Investoren aber heute keinen Unterschied zwischen QE und forward guidance. Die Debatte über tapering hat laut Krugman die Erwartungen so geprägt, dass die Marktteilnehmer demnächst mit der Erhöhung der kurzfristigen Zinsen rechnen, und zwar früher als später. Es sei daher nicht empfehlenswert, den Umfang der Anleihekäufe zum heutigen Zeitpunkt zu reduzieren, so der Träger des Wirtschaftsnobelpreises.
Krugman veranschaulicht ferner anhand eines Modells à la Tobin, warum Woodford mit seinem Misstrauen gegenüber dem Anleihekauf-Programm Recht haben dürfte. Dennoch verstehe er nicht, warum Woodford die Einstellung der Anleihekäufe fordere.
Das Ganze hat ausserdem mit der Bilanzsumme der Fed kaum etwas zu tun. Es kommt v.a. darauf an, in wiefern die US-Treasury Bonds (UST) und MBS gleichwertige Substitute darstellen. Krishnamurthy und Vissing-Jorgensen gehen davon aus, dass UST und MBS keine Substitute untereinander sind. Woodford hingegen scheint zu denken, dass die genannten Assets genau substituierbar sind. Ist das der Grund?
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