Die Fed will die Zinsen nicht erhöhen, bevor die
Arbeitslosenquote unter 6,5% gefallen ist. Fed-Chef Ben Bernanke hat damit
einen Schwellenwert festgelegt. Die Orientierung am Arbeitsmarkt
(via Arbeitslosigkeit) gilt als ein unkonventionelles Instrument der
Geldpolitik und das Ganze geschieht im Rahmen der sog. Forward Guidance, die Bernanke vor rund zwei Monaten erläutert hat.
Ist es aber sinnvoll, die Arbeitslosenquote als einen
wichtigen Indikator für den Zustand des Arbeitsmarktes zu verwenden? Gavyn Davies befasst sich in einem
lesenswerten Artikel („Lies, damned lies
and the US unemployment statistics“) in FT genau mit dieser Frage und erklärt den gesamten
Zusammenhang anhand von vier anschaulichen Abbildungen.
Die Arbeitslosenquote
ist in den USA von 10,0% im Oktober 2009 auf 7,3% im August 2013 gesunken, was
ein beeindruckender Rückgang bedeutet. Doch hat sich die Erwerbsquote (employment-population
ratio) im selben Zeitraum kaum verändert, was nahelegt, dass der Rückgang
der Arbeitslosenquote auf einen Rückgang der Erwerbsbeteiligung (participation
ratio) zurückzuführen ist, weil enttäuschte Arbeitsuchende sich aus dem
Arbeitsmarkt verabschieden.
Auf dieser Basis argumentieren viele Keynesianer, dass
der Arbeitsmarkt sich inzwischen überhaupt nicht erholt hat. Die logische Folge
ist, dass die Arbeitslosenstatistik eine irreführende Indikation im Hinblick
auf geldpolitischen Spielraum der US-Notenbank liefert, um die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter anzukurbeln.
Vier standardisierte Indikatoren für den Arbeitsmarkt,
Graph: Gavyn Davies in FT
John
William, San Francisco Fed Präsident
hat argumentiert, dass die Beweise überwiegend zeigen, dass die
Arbeitslosenquote die beste Statistik bleibe, während die Erwerbsquote
strukturelle und konjunkturelle Einflüsse verwische.
Seiner Meinung nach sei die Arbeitslosenquote stets
der beste einzelne Messwert in Bezug auf die Flaute am Arbeitsmarkt gewesen.
Die Arbeitslosenquote liegt heute auf etwa 0,7 Standardabweichung über dem
langfristigen Mittelwert, bemerkt Davies und verweist auf die erste Abbildung,
wo drei andere Messwerte für die Beobachtung der Flaute auf dem Arbeitsmarkt
dargestellt werden, die sich auf ganz andere Quellen beziehen. Und alle liegen
auf der Region 0,0 bis 0,1 Standardabweichung vom normalen Wert entfernt.
Was sagt aber das über die Flaute am gegenwärtigen
Arbeitsmarkt aus? In der zweiten Abbildung ist ein Vergleich der
Arbeitslosenquote mit der natürlichen Arbeitslosigkeit (NAIRU: inflationsstabile Arbeitslosenquote)
dargestellt, beruhend auf Schätzungen des CBO.
Vier standardisierte Indikatoren für den Arbeitsmarkt, Graph: Gayvn Davies in FT
Das CBO betrachtet die NAIRU als vorübergehend
gestiegen, auf 6% der Arbeitskräfte (labour
force: Erwerbsbevölkerung). Aber auf lange Sicht würde sie wieder auf 5,5%
fallen. Beträgt die Arbeitslosenquote heute 7,3%, dann ergibt sich daraus, dass
sich die Flaute auf dem Arbeitsmarkt derzeit auf 1,3 bis 1,8% beläuft, rechnet
Davies aus. Das heisst, dass die Flaute sich in 19 bis 27 Monaten ablegen
würde. Daraus würde folgen, dass die Fed die aggressiv lockere Geldpolitik demnächst
bremsen müsste.
Was ist aber, wenn der Rückgang der Erwerbsquote auf
die Schwere der Rezession zurückzuführen ist? In diesem Fall würde es
nahe liegen, anzunehmen, dass die Arbeitslosenquote eine irreführende
Schlussfolgerung zulässt, weil eine grosse Anzahl von Menschen wieder an den
Arbeitsmarkt zurückkommen würde, wenn sie wüsste, dass geeignete Arbeitsplätze
mit akzeptablen Löhnen zur Verfügung stehen.
Wie findet man
heraus, wie viele Menschen sich aus dem Arbeitsmarkt vorübergehend
zurückgezogen haben, weil eben keine akzeptable Arbeitsplätze verfügbar sind?
Erwerbsbeteiligung am US-Arbeitsmarkt, Graph: Gayvn Davies in FT
Man muss die Erwerbsbeteiligung (participation ratio) mit der Rate vergleichen, die es gegeben
hätte, wenn die demographische Zusammensetzung der Arbeitskräfte (labour force) nach 2008 gleich geblieben
wäre. Nach dieser Methodik ergibt sich, dass 1,3% der Arbeitskräfte aus dem
Arbeitsmarkt ausgefallen ist, wobei zu erwarten ist, dass sie an den
Arbeitsmarkt zurück käme, wenn der Zustand des Arbeitsmarktes sich verbessern
würde.
Dies impliziert, dass die echte Höhe der Flaute am
Arbeitsmarkt zwischen 1 bis 1,5% höher liegen dürfte als die Arbeitslosenquote.
Diese Methodik setzt jedoch voraus, dass ein Rückgang der Erwerbsbeteiligung,
welcher in demographischen Gruppen auftritt, der Rezession zugeschrieben werden
müsste, anstatt längerfristigen Trends der Erwerbsbeteiligung für junge
Arbeitnehmer.
Davis deutet aber auf die folgende Abbildung hin, und
bemerkt, dass diese Annahme eher zweifelhaft ist. Der entscheidende Punkt ist
seiner Meinung nach, dass es sehr schwierig ist, zwischen einem dauerhaften,
strukturellen Wandel und einer vorübergehenden Veränderung in der
Erwerbsbeteiligung zu unterscheiden.
Erwerbsbeteiligung (langfristige Trends) am US-Arbeitsmarkt für ausgewählte Gruppen, Graph: Gayvn Davies in FT
Daher sind politische Entscheidungsträger besser
beraten, wenn sie nicht zu viel Gewicht auf die Genauigkeit der
Arbeitslosenquote legen, weil sie sonst das Risiko eingehen, Arbeitskräfte
dauerhaft zu verschwenden. Aber es ist auch nicht ohne Risiko, wenn auf der
anderen Seite auf die Erwerbsquote zu viel Gewicht gelegt wird, weil dann der
nicht-existente Inflationsdruck zu lange anhalten würde. Das heisst, dass eine
Deflationsgefahr sich ergeben könnte.
PS:
Employment-Population Ratio: Das ist eine statistische
Auswertung, die den Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zeigt, die
eine Beschäftigung hat.
Participation Ratio: Das ist der Anteil der
Bevölkerung über 16 Jahre (Männer und Frauen), die erwerbstätig oder auf
Stellensuche sind.
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