Sonntag, 28. April 2013

The Federal Reserve and the Financial Crisis


Buchbesprechung:

Ben Bernanke: The Federal Reserve and the Financial Crisis. Lectures by Ben S. Bernanke. Princeton University Press, Princeton and London, 2013.


Es hat didaktische Vorteile, die jüngste Finanzkrise im historischen Kontext zu betrachten. Genau das macht Ben Bernanke in seinem neulich veröffentlichten Buch. Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung einer Vorlesung, die der Fed-Präsident im März 2012 an der George Washington University gehalten hat. In der ersten Vorlesung erläutert Bernanke die Vorgeschichte der Gründung und die Aufgaben der US-Notenbank (Fed).

Was machen Notenbanken? Erstens versuchen sie, makroökonomische Stabilität zu erzielen: Ein stabiles Wirtschaftswachstum und eine niedrige und stabile Inflation. Zweitens wollen sie finanzielle Stabilität aufrechterhalten.

Welche Instrumente stehen Zentralbanken zur Verfügung, um diese zwei breiten Ziele zu erreichen? Das hauptsächliche Instrument ist (1) die Geldpolitik. Die Fed kann i.d.R. kurzfristige Zinsen erhöhen und senken. Dies geschieht durch den Ankauf und den Verkauf von Wertschriften im offenen Markt.

Das zweite Instrument ist (2) die Versorgung von Liquidität. Notenbanken können an Finanzinstitute kurzfristige Kredite gewähren. Diese Aktivität ist im Allgemeinen unter dem Begriff „lender of last resort“ bekannt. Wenn Finanzinstitute sich nicht refinanzieren können, stehen Zentralbanken bereit, die Liquidität anzubieten, um das Finanzsystem zu stabilisieren.

Es gibt ein drittes Instrument: (3) Regulierung und Aufsicht: Notenbanken spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Überwachung des Banking Systems. Diese Aufgabe entfällt aber nicht allein auf die Notenbanken. In den USA gibt es z.B. eine Reihe andere öffentliche Behörden wie z.B. FDIC (Einlagensicherungsbehörde) und das Office of the Comptroller of the Currency (OCC), welche mit der Fed zusammenarbeiten, um das Finanzsystem zu beaufsichtigen.

In der zweiten Vorlesung diskutiert Bernanke die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt steht die sog. Great Moderation. Bernanke geht auf die Frage ein, warum die Wirtschaft zwischen Mitte 1980er und Mitte 2000er Jahren so stabil verlaufen ist: (a) Die Geldpolitik, die eine Rolle gespielt hat, eine bessere Stabilität zu gewährleisten. Es gibt aber andere Faktoren wie (b) praktische Produktions- und Liefermethoden. Das heisst „just-in-time inventory management“ und (c) weniger Schocks im Hinblick auf die Ölpreise.

Ein weiterer Aspekt der Great Moderation ist, dass es in diesem Zeitraum kaum Finanzkrisen mit grossen Schäden gegeben hat. Es kam zwar 1987 zu einem Aktienmarkt-Crash, aber ohne viel Schaden. Das Platzen der dot-com Aktien in den 1990er Jahren war hingegen ein wesentliches Ereignis.

Was Bernanke ausführlich schildert, ist die Entwicklung am Immobilienmarkt. Die Preise der Einzelfamilienhäuser sind von späten 1990er Jahren bis 2006 um 130% gestiegen. Der Verfall der Hauspreise hatte aber auf das Finanzsystem und die Wirtschaft wesentlich grössere Auswirkungen als die Rezession von 2001, die milde ausfiel und nur acht Monate gedauert hat. Was ist der Unterschied? Man muss zwischen Auslöser und Schwachstellen unterscheiden, erklärt Bernanke.

Welche Schwachstellen gab es? Fed-Präsident erwähnt dazu erstens den Privatsektor und zweitens den öffentlichen Sektor. Im Privatsektor fallen folgende Punkte auf:  (i) Der zu viele Fremdkapitaleinsatz (leverage). (ii) Die Finanztransaktionen sind komplexer geworden. Aber die Banken haben damit nicht Schritt halten können, was v.a. das Risiko Management betrifft. (iii) Die Finanzunternehmen waren auf kurzfristige Finanzierung (via Commercial Papers) angewiesen. (iv) Der Einsatz von exotischen Finanzinstrumenten wie z.B. CDS und CDO hat kräftig zugenommen.

Was den öffentlichen Sektor angeht, deutet Bernanke auf die schwache Struktur der Regulierung hin. Die Fed hat im Hinblick auf die Aufsicht und Regulierung Fehler gemacht, hält der Wirtschaftsprofessor fest: (a) Die Fed hat die Banken und Bank-Holdinggesellschaften nicht darauf gedrängt, Massnahmen und Kapazitäten zur Risikomessung zu verbessern. (b) Die Fed hat den Verbraucherschutz im Bereich Hypothekenkredite vernachlässigt. (c) Das regulatorische System ist so aufgebaut, dass die einzelnen Behörden nur für bestimmte Arten von Unternehmen zuständig sind. Es wurde für das Finanzsystem als Ganzes kaum Aufmerksamkeit geschenkt.

Vor diesem Hintergrund erläutert Bernanke, dass er mit der Vorstellung nicht einverstanden ist, dass die Niedrigzinsen in den frühen 2000er Jahren durch die Fed die Housing Bubble ausgelöst hätten.

In der dritten Vorlesung befasst sich Bernanke mit der Rolle der Fed in der Finanzkrise. Was hier auffällt,  ist die Betonung der Bagehot-Regel („lending freely against good collateral“), die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht. Bernanke veranschaulicht in diesem Kapitel mit konkreten Beispielen die modernen Finanzmärkte vor dem Hintergrund des wachsenden Einsatzes von Verbriefung, Money Market Funds, Commercial Papers und Wholesale Funding (kurzfristige Refinanzierung am Interbankengeldmarkt).

In der vierten und letzten Vorlesung befasst sich Bernanke mit Nachwirkungen der Finanzkrise und wie die Fed dabei ihre „lender of last resort“-Funktion wahrgenommen hat. Der Fed-Chef erläutert den Übergang von konventioneller Geldpolitik zu der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: Quantitative Easing). Zugleich analysiert er die Entwicklung der Aktiv- und Passiv-Seite der Fed-Bilanz im Sog der Finanzkrise. Bernanke unterstreicht hier, dass die Fed nicht, wie man sonst höre, Geld drucke. Es handelt sich dabei um elektronische Buchungen (assets für das Banking System und liablitities für die Fed), die einfach da liegen, in den sog. reserve accounts. Sie sind nicht im Umlauf, sondern ein Teil der Notenbankgeldmenge (monetary base).

Bernanke legt ausserdem dar, wie die Fed mit der lockeren Geldpolitik nicht nur die Inflation unter Kontrolle hält, sondern auch für sorgt, die Deflation zu vereiteln. Die Fed hat mit der QE-Politik (LSAP) sogar Gewinn eingestrichen. In den vergangenen drei Jahren wurde dem US-Schatzamt (Treasury) ein Gewinn in Höhe von 200 Mrd. $ gutgeschrieben, womit sich das Haushaltsdefizit verringert hat.

Wer nicht viel Zeit hat, und sich kurz und ohne Floskeln über die Finanzkrise und die Rolle der US-Notenbank sachlich angemessen informieren will, muss auf dieses schmale Buch zurückgreifen. Bernanke liefert eine allgemein zugängliche Analyse der jüngsten Finanzkrise und zeigt auf, wie eine moderne Zentralbank sich in einer solchen Situation in Zukunft zu verhalten hat.

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