Buchbesprechung:
Ben
Bernanke:
The Federal Reserve and the Financial
Crisis. Lectures by Ben S. Bernanke. Princeton
University Press, Princeton and London, 2013.
Es hat didaktische Vorteile, die jüngste Finanzkrise
im historischen Kontext zu betrachten. Genau das macht Ben Bernanke in seinem
neulich veröffentlichten Buch. Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung
einer Vorlesung, die der Fed-Präsident im März 2012 an der George Washington University gehalten hat. In der ersten Vorlesung
erläutert Bernanke die Vorgeschichte der Gründung und die Aufgaben der
US-Notenbank (Fed).
Was machen Notenbanken? Erstens versuchen sie,
makroökonomische Stabilität zu erzielen: Ein stabiles Wirtschaftswachstum und
eine niedrige und stabile Inflation. Zweitens wollen sie finanzielle Stabilität
aufrechterhalten.
Welche Instrumente stehen Zentralbanken zur Verfügung,
um diese zwei breiten Ziele zu erreichen? Das hauptsächliche Instrument ist (1)
die Geldpolitik. Die Fed kann i.d.R. kurzfristige Zinsen erhöhen und senken.
Dies geschieht durch den Ankauf und den Verkauf von Wertschriften im offenen
Markt.
Das zweite Instrument ist (2) die Versorgung von
Liquidität. Notenbanken können an Finanzinstitute kurzfristige Kredite
gewähren. Diese Aktivität ist im Allgemeinen unter dem Begriff „lender of last resort“ bekannt. Wenn
Finanzinstitute sich nicht refinanzieren können, stehen Zentralbanken bereit,
die Liquidität anzubieten, um das Finanzsystem zu stabilisieren.
Es gibt ein drittes Instrument: (3) Regulierung und
Aufsicht: Notenbanken spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf die
Überwachung des Banking Systems. Diese Aufgabe entfällt aber nicht allein auf
die Notenbanken. In den USA gibt es z.B. eine Reihe andere öffentliche Behörden
wie z.B. FDIC (Einlagensicherungsbehörde) und das Office of the Comptroller of the Currency (OCC), welche mit der Fed
zusammenarbeiten, um das Finanzsystem zu beaufsichtigen.
In der zweiten Vorlesung diskutiert Bernanke die Ära
nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt steht die sog. Great Moderation. Bernanke geht auf die Frage ein, warum die
Wirtschaft zwischen Mitte 1980er und Mitte 2000er Jahren so stabil verlaufen
ist: (a) Die Geldpolitik, die eine Rolle gespielt hat, eine bessere Stabilität
zu gewährleisten. Es gibt aber andere Faktoren wie (b) praktische Produktions-
und Liefermethoden. Das heisst „just-in-time
inventory management“ und (c) weniger Schocks im Hinblick auf die Ölpreise.
Ein weiterer Aspekt der Great Moderation ist, dass es
in diesem Zeitraum kaum Finanzkrisen mit grossen Schäden gegeben hat. Es kam
zwar 1987 zu einem Aktienmarkt-Crash, aber ohne viel Schaden. Das Platzen der
dot-com Aktien in den 1990er Jahren war hingegen ein wesentliches Ereignis.
Was Bernanke ausführlich schildert, ist die
Entwicklung am Immobilienmarkt. Die Preise der Einzelfamilienhäuser sind von
späten 1990er Jahren bis 2006 um 130% gestiegen. Der Verfall der Hauspreise hatte
aber auf das Finanzsystem und die Wirtschaft wesentlich grössere Auswirkungen
als die Rezession von 2001, die milde ausfiel und nur acht Monate gedauert hat.
Was ist der Unterschied? Man muss zwischen Auslöser und Schwachstellen
unterscheiden, erklärt Bernanke.
Welche Schwachstellen gab es? Fed-Präsident erwähnt
dazu erstens den Privatsektor und zweitens den öffentlichen Sektor. Im
Privatsektor fallen folgende Punkte auf:
(i) Der zu viele Fremdkapitaleinsatz (leverage). (ii) Die Finanztransaktionen sind komplexer geworden. Aber
die Banken haben damit nicht Schritt halten können, was v.a. das Risiko
Management betrifft. (iii) Die Finanzunternehmen waren auf kurzfristige
Finanzierung (via Commercial Papers) angewiesen.
(iv) Der Einsatz von exotischen Finanzinstrumenten wie z.B. CDS und CDO hat
kräftig zugenommen.
Was den öffentlichen Sektor angeht, deutet Bernanke auf
die schwache Struktur der Regulierung hin. Die Fed hat im Hinblick auf die
Aufsicht und Regulierung Fehler gemacht, hält der Wirtschaftsprofessor fest:
(a) Die Fed hat die Banken und Bank-Holdinggesellschaften nicht darauf
gedrängt, Massnahmen und Kapazitäten zur Risikomessung zu verbessern. (b) Die
Fed hat den Verbraucherschutz im Bereich Hypothekenkredite vernachlässigt. (c)
Das regulatorische System ist so aufgebaut, dass die einzelnen Behörden nur für
bestimmte Arten von Unternehmen zuständig sind. Es wurde für das Finanzsystem
als Ganzes kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Vor diesem Hintergrund erläutert Bernanke, dass er mit
der Vorstellung nicht einverstanden ist, dass die Niedrigzinsen in den frühen 2000er Jahren durch die Fed die Housing Bubble ausgelöst hätten.
In der dritten Vorlesung befasst sich Bernanke mit der
Rolle der Fed in der Finanzkrise. Was hier auffällt, ist die Betonung der Bagehot-Regel („lending
freely against good collateral“), die sich wie ein roter Faden durch das
ganze Buch zieht. Bernanke veranschaulicht in diesem Kapitel mit konkreten Beispielen
die modernen Finanzmärkte vor dem Hintergrund des wachsenden Einsatzes von Verbriefung,
Money Market Funds, Commercial Papers und Wholesale Funding (kurzfristige
Refinanzierung am Interbankengeldmarkt).
In der vierten und letzten Vorlesung befasst sich
Bernanke mit Nachwirkungen der Finanzkrise und wie die Fed dabei ihre „lender of last resort“-Funktion
wahrgenommen hat. Der Fed-Chef erläutert den Übergang von konventioneller
Geldpolitik zu der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (QE: Quantitative Easing). Zugleich analysiert
er die Entwicklung der Aktiv- und Passiv-Seite der Fed-Bilanz im Sog der Finanzkrise.
Bernanke unterstreicht hier, dass die Fed nicht, wie man sonst höre, Geld drucke. Es handelt sich dabei um elektronische Buchungen (assets für das Banking System und liablitities für die Fed), die einfach da liegen, in den sog. reserve accounts. Sie sind nicht im
Umlauf, sondern ein Teil der Notenbankgeldmenge (monetary base).
Bernanke legt ausserdem dar, wie die Fed mit der
lockeren Geldpolitik nicht nur die Inflation unter Kontrolle hält, sondern auch
für sorgt, die Deflation zu vereiteln. Die Fed hat mit der QE-Politik (LSAP) sogar Gewinn eingestrichen. In den
vergangenen drei Jahren wurde dem US-Schatzamt (Treasury) ein Gewinn in Höhe
von 200 Mrd. $ gutgeschrieben, womit sich das Haushaltsdefizit verringert hat.
Wer nicht viel Zeit hat,
und sich kurz und ohne Floskeln über die Finanzkrise und die Rolle der
US-Notenbank sachlich angemessen informieren will, muss auf dieses schmale Buch
zurückgreifen. Bernanke liefert eine allgemein zugängliche Analyse der jüngsten
Finanzkrise und zeigt auf, wie eine moderne Zentralbank sich in einer solchen
Situation in Zukunft zu verhalten hat.
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