Tim Duy fragt in seinem Blog, wann wir alle endlich zugeben werden, dass der Euro gescheitert
ist. Paul Krugman antwortet darauf
in seinem Blog: Natürlich nie.
Zu
viel Geschichte, zu viele Erklärungen, zu viel Ego wurden in die
Einheitswährung investiert, sodass diejenigen, die involviert sind,
wahrscheinlich jemals einräumen würden, dass sie einen Fehler gemacht haben,
erklärt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises. Wenn das Projekt Euro als
Katastrophe endet, dann ist es nicht so, dass der Euro Europa zum Scheitern
gebracht hat, sondern Europa den Euro.
Krugman
fasst die Ansicht, die er bislang vertreten hat, erneut zusammen, woran Europa leidet.
Der Startpunkt sind die späten 1990er Jahre. Europa war ein Kontinent mit
vielen Problemen, aber es sah nicht nach einer Krise aus. Und es gab auch nicht
viele Anzeichen, dass es auf einem untragbaren Weg war. Dann kam der Euro.
Die
erste Wirkung war ein Ausbruch von Europhoria. Plötzlich glaubten Investoren,
dass alle europäischen Staatsanleihen gleich sicher seien. Die Renditen sind rund
um die Peripherie von Europa gefallen, was einen enormen Zustrom des Kapitals
nach Spanien und in die anderen Volkswirtschaften ausgelöst hat. Der Kapitalzufluss
hat an vielen Orten eine riesige Immobilien-Blase gefüttert und im Allgemeinen
einen Boom in den Ländern ausgelöst, wo das Kapital ankam.
Die
Booms haben im Gegenzug unterschiedliche Inflationsraten erzeugt: Kosten und
Preise sind an der Peripherie stärker gestiegen als im Kern der Eurozone. Die peripheren
Volkswirtschaften wurden zunehmend wettbewerbsunfähig, was kein Problem
darstellte, solange die durch den Kapitalzufluss ausgelöste Blasen anhielten.
Aber es würde ein Problem entstehen, sobald der Zustrom des Kapitals versiegen
würde.
Und
der Kapitalzufluss kam zum Stillstand. Das Ergebnis war ein schwerer Einbruch
der Konjunktur an der Peripherie, wo die interne Nachfrage zum grössten Teil
verloren ging, aber dank dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit auf der externen
Seite schwach blieb.
Das
ist das tiefe Problem der Einheitswährung, legt Krugman dar. Es gibt keine
einfache Möglichkeit für die Korrektur, wenn man mit Kosten, die aus dem Rahmen
fallen, konfrontiert ist. Die Volkswirtschaften an der Peripherie fanden sich
einem längeren Zeitraum von hoher Arbeitslosigkeit gegenübergestellt, während eine
langsam schleifende „interne Abwertung“ (internal
devaluation) auf sie lastete.
Das
Problem wurde jedoch erheblich verschärft, wegen der Kombination aus dem
Rückgang der Einnahmen und der Aussicht auf eine lang anhaltende
Konjunkturschwäche, die zu einem Anstieg der Haushaltsdefizite führte sowie aus
den Bedenken hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit, auch wenn Länder wie Spanien am Vorabend der Krise einen
Überschuss im Haushalt und geringe Staatsverschuldung hatten. Es kam am
Anleihemarkt zu Panik. Und der Kern der Eurozone hat als Bedingung für die Finanz-Hilfe
harsche Austeritätsmassnahmen gefordert.
Die
Austerität hat wiederum den Abschwung an der Peripherie weiter vertieft. Und
weil die Austeritätspolitik nicht durch eine expansive Politik im Kern der
Eurozone ausgeglichen wurde, hat sich daraus in der Tat eine Rezession für die
gesamte Wirtschaft Europas ergeben. Die Austerität ist m.a.W. an eigenen
Konditionen gescheitert: Die Schuldenstandsquote (debt to GDP ratio) hat sich nicht verbessert, sondern deutlich
verschlechtert.
Diese
hässliche Szene hat damit eine sofortige Kernschmelze Europas fürchten lassen,
mit politischen Unruhen, welche drohten, zunächst einen „Staatsanleihen-Run“ und dann
einen „Bank-Run“ auszulösen: ein Teufelskreis. Die EZB hat es aber irgendwie
geschafft, die drohende Kernschmelze durch Interventionen zu unterbinden,
unmittelbar oder mittelbar, um die Staatsanleihen zu stützen. Während aber die
Finanzpanik abgewehrt wurde, hat sich die zugrunde liegende makroökonomische Situation
weiter verschlechtert.
Was
hätte Europa anders machen können? Zu Beginn der Krise haben Kritiker wie Paul
Krugman eine Antwort mit drei Teilen geliefert. (1) Die EZB muss eingreifen, um
die Finanzierungskosten zu stabilisieren. (2) Eine aggressive expansive Geld- und
Fiskalpolitik im Kern der Eurozone, um den Prozess der internen Korrektur zu
erleichtern. Und (3) Eine Aufweichung der Austerität an der Peripherie, nicht keine
Austerität, sondern weniger, sodass die menschlichen Kosten weniger ausfallen.
Der erste Teil ist mehr oder weniger erfüllt worden. Aber der Teil 2 und 3
bestimmt nicht.
Und
die europäischen Behördern streiten heute die Grundlagen der Situation immer
noch ab. Sie halten daran fest, das Problem als fiskalpolitische Verschwendung
(haushaltspolitische Unverantwortlichkeit) zu definieren, was laut Krugman für Griechenland zutreffen mag, aber nicht
für den Rest der Eurozone. Die europäischen Entscheidungsträger stellen die
Austeritätspolitik und die interne Abwertung immer noch als Erfolg dar, mit
jedem Vorwand zur Hand, dass z.B. in Irland
die Produktivität gestiegen sei und die interne Abwertung funktioniere. Und der
Rückgang der Rendite der Staatsanleihen durch die Intervention der EZB rechtfertige
die Austeritätspolitik.
Das ist, wo wir jetzt sind,
hält Krugman als Fazit fest. Und es ist schwer vorstellbar, ein Happy Ending zu
sehen.
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