Als
Präsident Obama in seiner Rede zur Lage der Nation eine Erhöhung des Mindestlohns von bisher 7,25$ auf
9,0$ vorschlug, fühlten sich konservative Politiker provoziert. Die Argumente lauteten im Allgemeinen, dass eine Erhöhung des Mindestlohns die Arbeitslosigkeit
steigern und auf Kleinunternehmen lasten würde. Dem Working Poor würde ausserdem damit nicht geholfen. Stimmt es?
Betsey Stevenson will in einem lesenswerten Artikel
(„Five myths about the minimum wage“)
in WAPO aufklären, welche falsche Annahmen seit
fast 80 Jahren sich um den Mindestlohn aufstapeln.
(1) Der
Mindestlohn deckt alle.
Der
Fair Labor Standards Act aus dem Jahr
1938 regelt den Mindestlohn in den USA. Ein Babysitter oder das Kind, das
jemandem die Rasen mäht, werden vom Mindestlohn nicht erfasst, solange sie
nicht mehr als 8 Stunden pro Woche arbeiten oder mehr als 1‘700$ pro Jahr von
einem Arbeitgeber bekommen. Einige Arbeitgeber wie z.B. kleine Betriebe
(Kleinbauer) müssen nicht Mindestlohn zahlen. Es gibt Ausnahmen für
Vollzeit-Studenten und Behinderte. Diejenigen, die jünger als 20 sind, werden
mit einem Sub-Mindestlohn von 4,25$ bis zu 90 Tagen entlohnt, während sie sich
einarbeiten müssen. Und Arbeitnehmer, die mehr als 30$ Tipps im Monat bekommen,
werden mit nur 2,13$ pro Stunde entlohnt. Aber die grösste Gruppe, die vom
Mindestlohn ausgenommen wird, betrifft den schnell wachsenden Bereich der häuslichen
Krankenpflege (home health care).
(2) Der
Mindestlohn bleibt unverändert, wenn der Kongress daran nichts ändert.
Der
Kongress legt den Mindestlohn nominal in US-Dollar fest, sodass der Mindestlohn
mit der Inflation nicht Schritt halten kann. Weil die Lebenshaltungskosten
immer steigen, beginnt der Wert des Mindestlohns, ab dem Zeitpunkt der
Festlegung zu sinken.
Obwohl
der Mindestlohn seither 22 mal erhöht worden ist, ist die Anpassung
erforderlich, um den durch die Inflation erodierten Wert auf seinem früheren
Niveau wiederherzustellen. Jedes Mal, wenn der Kongress über eine Erhöhung des
Mindestlohns debattiert, entfacht der alte Disput wieder von vorn.
(3) Anstieg
des Mindestlohn erhöht Arbeitslosigkeit.
In
einem perfekt funktionierenden Markt würde eine Erhöhung des Mindestlohns über
einem bestimmten Niveau, welches dem Angebot und der Nachfrage entspricht,
Arbeitslosigkeit auslösen. Aber ein Arbeitsmarkt mit perfektem Wettbewerb setzt
keine Verhandlungsmacht (bargaining power)
für Arbeitnehmer oder Unternehmen voraus, weil alle über die notwendigen
Informationen verfügen würden.
Eine
Familie, die versucht, mit dem Mindestlohn zu überleben, kann schnell in Armut rutschen.
Erhöhung des Mindestlohns würde nicht nur einige Familien aus der Armut holen,
sondern auch dazu führen, dass aufgrund des zusätzlichen Einkommens die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage steigt, was mit Job-Wachstum einher ginge, weil die Ausgaben in jeder
Gemeinde steigen würden.
(4) Der
Mindestlohn ist eine parteipolitische Frage.
Die
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Erhöhung des Mindestlohnes
von 7,25$ auf 9,0$ pro Stunden laut Gallup-Umfrage in den USA. Nicht überraschend, dass mehr
Demokraten als Republikaner Obamas Vorschlag befürworten. Aber 71% favorisiert
die Erhöhung, einschliesslich der Mehrheit der Befragten in jeder Partei.
(5) Erhöhung
des Mindestlohns würde Working Poor nicht helfen.
Die
Analyse zeigt, dass 20% der Menschen, die den Mindestlohn in Anspruch
nehmen Jugendliche, rund 50% Vollzeit-Arbeiter und ca. 50% Frauen sind. Die
überwiegende Mehrheit hat Einkommen unter dem Median-Wert von 50‘054$ (2011).
Diejenigen, die Vollzeit
beschäftigt sind, verdienen 15‘000$ im Jahr. Eine Familie mit zwei Kindern
bleibt mit dem Einkommen weit unter der Armutsgrenze von 19‘530$. Die Erhöhung
des Mindestlohns würde nicht nur die Armut reduzieren, sondern, wie die
Forschung zeigt, führt die Erosion des Mindestlohns zu einem Anstieg der
Ungleichheit in der Gesellschaft, hält der an der University of Michigan lehrende Wirtschaftsprofessor als Fazit fest.
1 Kommentar:
Neueste Forschungen haben ergeben, dass in den Ländern mit gesetzlichen Mindestlohn, in denen das Wirtschaftswachstum rückläufig ist, die Jugendarbeitslosigkeit explodiert. Dieser Umstand wurde in der vorgestellten Studie mit keinem Wort erwähnt.
Kommentar veröffentlichen