Die
Billigzinsen sind sicherlich
ein Krisensymptom, und nicht die Ursache der Finanzkrise.
Vor
diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Kenneth Rogoff in einem aktuellen Artikel („The long mystery of low interest rates“) in Project Syndicate von einem
„Langzeit-Mysterium niedriger Zinssätze“ spricht.
Der
an der Harvard University lehrende
Wirtschaftsprofessor verweist darauf, dass Ben
Bernanke 2005 eine „globale Ersparnisschwemme“ (global saving glut) für aussergewöhnlich
niedrige Zinsen verantwortlich gezeichnet hatte. Die Stellungnahme des
Fed-Präsidenten war eine Art Reaktion auf die herkömmliche Annahme, dass die
Zinssätze von den Zentralbanken festgelegt würden.
Rogoff
beschreibt richtig, dass er Bernankes Ansicht teile, dass die Zentralbanken,
obwohl sie kurzfristige Zinssätze festlegen, praktisch keinen Einfluss auf
langfristige reale Zinssätze haben, mit einer Ausnahme der sog. mengenmässigen
Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative
easing).
Zinsen
sollten aber im Allgemeinen als Preis betrachtet werden, der einen Markt räumt,
wo das Angebot (saving) auf die
Nachfrage (investment) trifft, wie Antonio Fatas in seinem Blog darlegt. Demnach
ist es laut Fatas so, dass eine Verschiebung des globalen Angebots an
kurzfristigen Mitteln im Zeitraum 1998-2005 zu fallenden Zinsen geführt hat,
und zwar durch eine Kombination von Nachwirkungen der Asienkrise, der Reaktion
der Öl produzierenden Länder auf den stark steigenden Erdölpreis und der
zunehmenden Ersparnissen aus Deutschland und Japan.
Was
ist aber danach passiert? Die Zinssätze haben sich für ein paar Jahre
stabilisiert. Aber es kam im Sog der Finanzkrise zu einem weiteren Rückgang der
realen Zinsen bis auf null oder sogar unter null. Rogoff hält es für ein
Mysterium. Der Verlauf von Ersparnissen und Investitionen könne einen weiteren
Rückgang der Zinsen nicht rechtfertigen.
Doch,
sagt Fatas. Der an INSEAD lehrende Wirtschaftsprofessor kann Rogoff also nicht
folgen. Zu Recht. Chinas Investitionen sind zwar nach wie vor stark geblieben,
aber auch seine Ersparnisse. Und es gab in den Industrieländern einen
Zusammenbruch der privaten Investitionen sowie einen starken Anstieg der
Sparquote der privaten Haushalte, was zwar zum Teil durch Staatsausgaben
ausgeglichen wurde, aber eben nur bis die harsche Austeritätspolitik einschlug.
Es sind also alle Bedingungen für einen weiteren Rückgang der Zinsen im
Zeitraum 2008-2013 vorhanden, wie Fatas darlegt.
Rogos
meint aber, dass die Integration der Schwellenländer in die Weltwirtschaft
einen Anstieg, nicht einen Rückgang der Zinssätze mit sich bringen müsste.
Fatas hingegen vertritt die Meinung, dass Zentralbanken oder Staatsfonds (SWF: sovereign wealth funds) nicht sparen
können. Sie können bestenfalls die Ersparnisse der privaten Haushalte oder des
öffentlichen Sektors verwalten.
Es
gibt weitere Faktoren, die möglicherweise Einfluss auf die Realzinsen in den
vergangenen Jahren nahmen, wie z.B. die Flucht in die Qualität in Folge der
Finanzkrise und die potenziellen Auswirkungen der QE-Politik auf
Portfolio-Allocations.
Fatas hält als Fazit fest,
dass Angebot und Nachfrage in globalen Finanzmärkten eine vernünftige Erklärung
für die meiste Entwicklung seit 1998 liefern, warum die Renditen heute niedrig
sind. Es gibt also kein Rätsel über die
niedrigen Zinsen, weil die Nachfrage nach Geld schwach ist. Die Renditen sind
so tief, weil die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, d.h. dass die Zinsen
auf der Null-Grenze (zero lower bound)
liegen.
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