Die
These von Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart ist wieder in aller
Munde. Die Autoren des Buches „This
Time is Different“ vertreten die Ansicht, dass, wenn die Staatsverschuldung
in einem Land 90% des BIP erreicht, das Wirtschaftswachstum leidet.
Im
Mittelpunkt der These (“Growth
in a time of debt“), die im Sog der Finanzkrise von 2008 in den Medien und
akademischen Kreisen hohe Wellen geschlagen hat, steht eine historische
Betrachtung des Verhältnisses zwischen Staatsverschuldung und
Wirtschaftswachstum.
Nun
gibt es eine Buchbesprechung, wo die Ökonomen Thomas Herndon,
Michael Ash und Robert Pollion von einem Verschlüsselungsfehler (coding error) reden.
Zum
Hintergrund: Was an der ganzen Affäre interessant ist, dass es im Grunde
genommen, wie Paul
Krugman in seinem Blog bemerkt, zwei wissenschaftliche Forschungsergebnissen
gibt, worauf sich politische Entscheidungsträger stützen, um die Austeritätspolitik mitten in einer schwer
angeschlagenen Wirtschaft zu begründen.
Wirtschaftswachstum
und Schulden, Graph: Prof. Paul Krugman
Die
eine akademische Arbeit („Large
Changes in Fiscal Opolicy: Taxes Versus Spending“) ist von Alberto Alesina und Silvia Ardagna, wo es um
makroökonomische Auswirkungen der Austeritätspolitik geht, was von denjenigen,
die an „expansive Sparpolitk“ (expansionary
austerity) glauben, als Paradebeispiel betrachtet wird, obwohl die
Forschungsarbeit es versäumt, zwischen Episoden zu unterscheiden, wo die Geldpolitik
zur Verfügung steht und wo es nicht der Fall ist. Der Ansatz hat sich jedoch
laut Krugman als völlig falsch erwiesen, um die Austerität einzuschätzen, wie auch
der IWF darauf hinweist, bleibt eine kontraktive
Fiskalpolitik kontraktiv.
Die
andere akademische Arbeit, welche einen immensen Einfluss hat, weil die Very Serious People (VSP sind
z.B. Jean-Claude Trichet, Olli Rehn usw.) der Welt die
These als definitives Ergebnis wahrnehmen, ist die von R&R im Hinblick auf
die negativen Auswirkungen der Staatsverschuldung auf das Wirtschaftswachstum: Sobald
die Staatsverschuldung die 90% Marke im Vergleich zum BIP überschreitet,
schrumpft die Wirtschaft.
Einige
Ökonomen wie z.B. Krugman und Robert Shiller haben das Argument jedoch stets
zurückgewiesen. Die beobachtete Korrelation zwischen Schulden und Wachstum
reflektiert wahrscheinlich eine umgekehrte Kausalität, lautet ihr
Gegenargument.
Nun
sieht es so aus, wie wenn R&R die Daten falsch bewertet hätten, wie Mike Konczal in seinem Blog berichtet.
Weil die R&R offensichtlich eine Daten über einige hoch verschuldete
Länder, die nach dem ersten Weltkrieg ein angemessenes Wachstum an den Tag
legten, einfach nicht berücksichtigen, was das Ergebnis natürlich stark
verzerrt.
Wenn
das stimmt, ist es peinlich und schlimm für R&R. Aber die wirklich
schuldigen dabei sind alle Menschen, die das umstrittene Forschungsergebnis herangezogen
haben, um die Austerität zu rechtfertigen, ohne es genau zu überprüfen.
R&R
hat nun auf die Kritik reagiert und gestern einen Artikel im WSJ veröffentlicht. Die Antwort von R&R ist wirklich sehr
schlecht, schreibt Krugman in einem weiteren Eintrag in
seinem Blog.
Was
Herndon und andere unterstreichen, ist, dass die Forschungsarbeit über das
Verhältnis zwischen Schulden und Wachstum teilweise das Ergebnis eines
Verschlüsselungsfehlers und teilweise das Ergebnis einer fehlerhaften Auswahl
der Daten ist. Die Wirkung der fragwürdigen Verwendung der Daten ist, dass der
geschätzte Mittelwert des Wirtschaftswachstums in den hochverschuldeten Ländern
um mehr als 2% höher ausfällt.
Die
Autoren argumentieren, dass andere Messgrössen wie z.B. Median Wachstumsrate kein unterschiedliches Ergebnis liefern
würden. Aber die Tatsache ist, dass die Ergebnisse weit auseinander liegen.
Es ging also etwas grundsätzlich schief. Es gebe trotzdem eine negative
Verbindung zwischen Schulden und Wachstum, behauptet R&R weiter. Das heisst
aber im Grunde genommen, dass R&R die umgekehrte Kausalität akzeptiert. Das
heisst, dass die Schulden steigen, weil das Wirtschaftswachstum zurückgeht.
Schliesslich ist die Schuldenstandsquote (debt
to GDP ratio) ein Bruch. Im Nenner steht das Wachstum und im Zähler stehen
Schulden.
Krugman nimmt die Zahlen (1950-2007)
zusammen und erstellt das oben abgebildete Streudiagramm, mit Fokus auf G-7
Länder. Das Ergebnis: Es scheint eine Assoziation zwischen hoher Verschuldung
und einem langsamen Wirtschaftswachstum zu geben.
Krugman verschlüsselt die
Daten aber nach Ländern und was sich ergibt ist, dass die scheinbare Beziehung
zwischen Schulden und Wachstum praktisch nur für Italien und Japan existiert.
Grossbritannien scheint nach hohen Schulden in den 1950er Jahren nicht mehr
darunter zu leiden. Aber es ist in historischer Betrachtung klar, dass sowohl
Italien als auch Japan aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums eine hohe Staatsverschuldung
aufweisen, nicht umgekehrt.
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