Montag, 8. April 2013

Die neue Vorlage: Die „Bail-in“-Doktrin


Der Fall Zypern markiert eine vernichtende Bilanz für die Finanzglobalisierung. Das Land, in dem der Banken-Sektor  rund das 8-fache der Wirtschaftsleistung ausmacht, stand vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Regierung hat die EU um eine Finanzhilfe in Höhe von  17 Mrd. Euro gebeten, was rund 90% des zypriotischen BIP entspricht. Die Eurogruppe hat nach kurzen Unterredungen unter der Voraussetzung einer pauschalen Beteiligung der Bankeinleger (8,5 Mrd. €) ein Hilfspaket im Wert von rund 10 Mrd. Euro zugesichert.

Das Geschäftsmodell der Banken, welches darauf beruht war, mit hohen Zinsen offshore-Gelder auf die Insel zu locken, hat allem Anschein nach zu keinem spürbaren Mehrwert in der Wirtschaft geführt. Von der Party profitierte nur die Finanz-Branche. Die Kosten tragen nun alle, weshalb es „bail-in“ heisst.

Die wichtigste Wirkung der Zypern-Krise ist, dass die Vorschriften für die Lösung der künftigen Bankkrisen in der Eurozone nun neu geschrieben werden, bemerkt Paul De Grauwe in einem lesenswerten Artikel („The new bail-in doctrine: A recipe for banking crises and depression in the eurozone“) in CEPS Commentary.

Laut der neuen von Deutschland  und dem IWF auferlegten „bail-in“-Doktrin werden künftige Rettungsaktionen („bail-out“) Bankeinleger mit einschliessen. Diejenigen Einleger, die mehr als 100‘000 € auf dem Konto haben, wissen von jetzt an, dass sie, wenn ihr Land in finanzielle Schwierigkeiten gerät, einen Teil ihrer Ersparnisse verlieren werden.

Die neue Vorlage (new template) für die Abwicklung der künftigen Finanzkrisen hat laut De Grauwe zwei negative Folgen: 

(1) Sie erhöht das systematische Risiko in der Eurozone und  macht künftige Bankkrisen wahrscheinlicher. Es ist nicht schwer, zu sehen, warum: Jedes Mal, wenn die Angst entsteht, dass die Regierung oder die Banken an einer Rettungsaktion beteiligt werden, wird es zu einem Bank Run kommen, weil die Einleger versuchen werden, den Verlust ihrer Ersparnisse zu verhindern, indem sie das Geld von der Bank abheben. Dies allein dürfte zu weiteren Bank Runs führen und das ohnehin fragile System weiter schwächen.

In Ermangelung einer Banking Union ist das Schicksal sowohl der Regierungen als auch der lokalen Banken mit einer Art tödlichen Umklammerung verknüpft, schildert De Grauwe weiter. 

(2) Die neue Vorlage wird die wirtschaftlichen Kosten für die Länder, die von einer „bail-in“-Massnahme betroffen sind, erhöhen. Das Banken-System ist nämlich stark miteinander verknüpft (interconnected). Fällt eine Bank, zieht sie auch andere in die Insolvenz, einschliesslich derjenigen, die zahlungsfähig sind.

Warum ist aber diese gefährliche „bail-in“-Doktrin in Zypern verhängt worden? Der Hauptgrund ist, dass die Gläubiger-Länder in der Eurozone nicht bereit sind, die Kosten der Rettungsmassnahmen für die Schuldner-Länder zu tragen. Der vorherrschenden Ansicht nach sind die Schuldner für die eigenen Probleme selber schuld, sodass die Steuerzahler in Gläubiger-Ländern verschont werden sollen. Die Wahrheit ist jedoch laut De Grauwe, dass es die Verantwortung in der Eurozone gemeinsam getragen werde: Für jeden waghalsigen Schuldner gibt es einen waghaltigen Gläubiger.

Bricht eine Bankenkrise aus, müssen die Behörden zwei Risiken abwägen: (a) Moral-Hazard, was im Fall einer bail-out-Massnahme auftritt. Und (b) Die unmittelbare Gefahr einer Implosion des Bankensystems, wenn bail-in-Massnahmen umgesetzt werden. Wenn die Regierungenin Zeiten von Krisen zwischen zwei Übeln wählen müssen, werden sie sich das erstere dem letzteren vorziehen, legt De Grauwe als Schlussfolgerung dar.

Fazit: Um das Moral-Hazard-Risiko zu verringern, muss die Regulierung der Banken viel umfassender angepackt werden als es heute der Fall ist. Höhere Eigenkapitalanforderungen, eine Trennung des Investment-Banking von Privatkundengeschäft und die Begrenzung der Zinsen auf Termineinlagen sind auf alle Fälle besser als der bail-in-Ansatz.

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