Montag, 8. April 2013

Niedrige Zinsen und Sado-Monetarismus


Die alte Leier ist wieder in aller Munde. Billigzinsen: Während die einen sie als Mysterium bezeichnen, wollen die anderen sie so schnell wie möglich wieder steigen sehen. Nach dieser Lesart ist das viel zu billige Geld die Kernursache der Krise. Die Forderung lautet daher, dass die Zinsen erhöht werden müssen.

David Stockman, der ehemalige Haushaltsdirektor (1981-1985) der Reagan Regierung hebt die niedrigen Zinsen seit ein paar Wochen in vielen Interviews und Fernsehauftritten als Grund der Krise hervor, obwohl es sich dabei eher um ein Krisensymptom handelt.

Paul Krugman bewertet in seinem Blog das Ganze als eine Art „Glaubenskrieg“ gegen Niedrigzinsen. Es ist laut Krugman die neuste Inkarnation des Sado-Monetarismus, in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft auf eine Erhöhung der Zinsen zu drängen.

Es ist eine lange Linie, die bis auf Schumpeters Warnungen zurückgeht, wonach das „easy money“ einen Teil der Arbeit der Depression rückgängig mache. Auch Hayek hatte sich gegen die „Schaffung von künstlicher Nachfrage“ gestellt. Demnach sollte nichts getan werden, um die Schmerzen zu lindern.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hält es dennoch für überraschend, dass der Sado-Monetarismus nun wieder aufersteht. In der Anfangsphase gab es viele Menschen, einschliesslich David Brooks von NYTimes, die argumentierten, dass wir die Geldpolitik statt Fiskalpolitik einsetzen sollten, um auf die Krise zu reagieren. Es ist wahrscheinlich die Null-Grenze (zero lower bound), die Schwierigkeiten bereitet, warum viele nicht verstehen, dass die Geldpolitik an Wirksamkeit verliert, wenn die nominalen Zinsen nahe Null liegen.


Feste Hypothekenzinsen (30 Jahre) im Durchschnitt in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Heute sieht es so aus, als ob die Defizit-Schimpfer, nachdem sie die Fiskalpolitik getötet haben, sich wieder die Geldpolitik vorknöpfen würden. Der gegenwärtige Angriff  mit viel Vehemenz hat daher etwas Merkwürdiges in sich.

Die Anhänger des modernen Sado-Monetarismus richten das Augenmerk nach der Annahme, dass die Märkte über eigene Mittel verfügen, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Wenn die Zentralbanken aber Geld drucken, gebe es nur Störungen, was Bubbles und Krisen verursache. Die Fed soll daher sofort damit aufhören, die Geldpolitik weiter zu lockern.

Das Problem ist aber, dass die Märkte es massiv falsch handhaben und auf die Niedrigzinsen äusserst überreagieren müssten, damit die lockere Geldpolitik nachteilige Auswirkungen entfaltet, wie die modernen Sado-Monetaristen behaupten.

Angenommen die Billigzinsen durch die Fed haben die Immobilienblase verursacht und damit die gegenwärtige Krise. Es stimmt, dass die Kreditkosten in den Jahren, wo die Blase entstand, relativ niedrig waren.

Krugman zeigt, dass die Hypothekenzinsen um rund 20% im Vergleich zum Niveau am Ende der 1990er Jahren gesunken sind. Wenn Immobilienpreise die einfache Umkehrung der Anleihekurse wären, könnte dies einen 25%igen Anstieg erklären. Man kann die Zahlen anpassen wie man will. Mit Fokus auf die Realzinen wird man aber feststellen, dass es andere Kosten gibt, die die Zahl für den Kauf von Immobilien nach unten drucken.

Eins ist aber laut Krugman klar: Über keine rationale Berechnung kann der relative moderate Zinsrückgang durch die folgende Abbildung gerechtfertigt werden.


S&P Case-Shiller 20 City Home Price Index, Graph: Prof. Paul Krugman

Man kann natürlich auch versuchen, die ganze Entwicklung auf einen Prozess des “irrationalen Überschwangs” (irrational exuberance) zurückzuführen, der Kreditnehmer und Kreditgeber mitgerissen hat. Aber wie Ben Bernanke sagt, legen die meisten Beweise etwas anderes nahe.

Bedingte Vorhersagen für die Fed Funds Rate und Hauspreise, Graph: Prof. Ben Bernanke in: „Monetary Policy and the Housing Bubble“, Jan 3, 2010

Fazit: Der Punkt ist, dass man die Fed als Bösewicht darstellen kann. Aber dann gilt die Annahme, dass die Märkte höchst irrational und instabil sind. Wenn die Märkte auf die lockere Geldpolitik so drastisch überreagieren, dann ist zu fragen, warum man daran glauben soll, dass die Märkte auf andere Schocks angemessen reagieren würden.

Der Sado-Monetarismus ist intellektuell inkonsistent, hält Krugman als Fazit fest. Der Sado-Monetarismus will die Zentralbanken für die Instabilität beschuldigen und plädiert für Nicht-Intervention. Die Argumentation kann aber nur angeführt werden, wenn man darauf besteht, dass die Finanzmärkte irrational und instabil sind, wobei es dann schwer zu verstehen wäre, warum laissez-faire unter allen Bedingungen Sinn machen sollte.

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