Montag, 29. April 2013

Die Entlarvung der Austerität


Wer in den vergangenen Jahren gegen vorzeitige Austerität argumentiert hat, hatte es in den letzten Tagen gut. Akademische Studien, die die Austerität angeblich rechtfertigen, haben nämlich an Glaubwürdigkeit verloren, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Story of Our Time“) am Montag in NYTimes.

Die Hardliner in der Europäischen Kommission und anderswo beginnen jetzt, ihre Rhetorik abzuschwächen. Der Ton des Gesprächs hat sich jetzt definitiv verändert, betont der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Viele Menschen verstehen die Natur der wirtschaftlichen Probleme aber immer noch nicht und sehen nicht ein, warum es gerade jetzt ganz schlecht ist, die Ausgaben zu kürzen.

Was ist nach der Finanzkrise von 2008 passiert? Viele Menschen haben sich plötzlich mit Ausgaben zurückgehalten, entweder weil sie es vorzogen, oder weil sie durch ihre Gläubiger dazu gezwungen wurden. Unterdessen waren nicht viele Menschen in der Lage oder bereit, mehr Geld auszugeben. Das Ergebnis war ein steiler Rückgang der Einnahmen, was auch einen Rückgang der Beschäftigung verursacht hat, was ja bis heute anhält.

Was können wir aber tun, um die Arbeitslosigkeit zu verringern? Die Antwort lautet, dass es nun eine Zeit ist, Staatsausgaben überdurchschnittlich zu erhöhen, um die Wirtschaft zu stützen, bis der Privatsektor wieder bereit ist, mehr auszugeben. Der entscheidende Punkt ist unter den gegenwärtigen Bedingungen, dass die Staatsausgaben die Ressourcen vom privaten Gebrauch nicht verdrängen, sondern brachliegendes Potenzial wieder in Gang setzen. Die privaten Kreditnehmer werden also durch öffentliche Kreditaufnahme nicht verdrängt. Ganz im Gegenteil werden damit Mittel mobilisiert, die ansonsten ungenutzt darniederliegen.

Wenn normale Bedingungen wieder zurückkehren, wird das Haushaltsdefizit natürlich abgebaut und die Staatsverschuldung gekürzt. Aber im Moment ringen wir immer noch mit den Nachwirkungen der Finanzkrise, die einmal alle drei Generationen vorkommt, legt Krugman dar. Es ist also nicht der Zeitpunkt für die Austerität.

Ist die Story wirklich so einfach? Und wäre es wirklich so einfach, die Geissel der Arbeitslosigkeit zu beenden? Ja, sagt Krugman. Aber mächtige Leute wollen daran nicht glauben. Einige von ihnen haben einen instiktiven Sinn dafür, dass das Leiden gut ist und wir für die Sünden, die angeblich in der Vergangenheit begangen wurden, einen Preis zahlen müssen, auch wenn die Sünder damals und die Leidtragende von heute sehr unterschiedliche Gruppen von Menschen sind. Einige von ihnen sehen die Krise als eine Chance, das soziale Netz zu zerschlagen. Und so ziemlich jeder in der Politik-Elite nimmt Hinweise aus einer wohlhabenden Minderheit entgegen, die eigentlich nicht viel Schmerz fühlt.

Was jetzt passiert ist, allerdings, dass das Laufwerk für die Austerität seinen geistigen Deckmantel verloren hat und als Ausdruck von Vorurteilen, Opportunismus und Klassen-Interessen dasteht, wie es immer war, beschreibt Krugman weiter. Und die plötzliche Entlarvung gibt vielleicht eine Chance, gegen die Depression, in der wir stecken, etwas zu unternehmen.

Keine Kommentare: