In den USA und in Grossbritannien sind die Renditen für inflationsgeschützte Staatsanleihen (TIPS) mit 5 Jahren Laufzeit in diesem Jahr seit langem negativ. Wie kann ein Zinssatz negativ sein? Warum würde jemand eine Anleihe kaufen, d.h. für weniger als nichts Geld verleihen? Das sind Fragen, mit denen sich Robert Shiller in einem lesenswerten Essay („Shorting Fiscal Consolidation“) in Project Syndicate beschäftigt. Fest steht, dass es nie negative nominale Zinssätze geben kann, es sei denn mit kuriosen Bestimmungen, da der Kreditgeber sein Geld lieber behalten würde, als den Kreditnehmer effektiv zu bezahlen. Doch negative reale Zinssätze sind möglich. Wann? Wenn Investoren u.U. kein alternatives risikofreies Instrument finden, welches eine positive reale Rendite bietet. Es gilt dabei zu beachten, dass die US-Staatsanleihen aufgrund ihrer Eigenschaft, sicher, liquide und hochwertig zu sein, auf hohe Nachfrage stossen. Es ist ferner interessant, sich zu vergegenwärtigen, dass es während der Finanzkrise zu einem Anstieg der realen langfristigen Zinsen gekommen ist. Erst in der Erholungsphase nach der Krise sind die Zinsen auf niedriges Niveau gesunken.
Inflationsgeschützte US-Staatsanleihen (reale Renditen), Graph: Bloomberg.com
Die niedrigen langfristigen realen Zinssätze scheinen als allgemeine Versagen der Regierungen im Lauf der Zeit widerzuspiegeln, Möglichkeiten zur Kreditaufnahme zu nutzen, die ihnen die inflationsindexierten Märkte bieten, erklärt der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor. Sie können hohe Kredite zu diesen niedrigen (sogar negativen) realen Zinssätzen aufnehmen und den Gewinn mit positivem Ertrag investieren, z.B. in Infrastruktur oder Bildung, legt der Autor des Buches „Animal Spirits“ dar. Es ist also in der Tat komisch, dass so viele Regierungen derzeit den Schwerpunkt auf die Haushaltskonsolidierung legen, wo sie ihre Kreditaufnahme eigentlich erhöhen sollten, um von extrem niedrigen realen Zinsen zu profitieren, so Shiller.
Fazit: Das gegenwärtige Zinsniveau widerspricht derzeit dem ganzen Gerede darüber, dass die staatlichen Defizite abgebaut werden müssen.
Reale Zinssätze, inflationsgeschüzte US-Staatsanleihen (TIPS)
Exkurs:
Die nominalen Zinsen sind schwer zu beurteilen. Die realen langfristigen Zinssätze (d.h. die Renditen für inflationsgeschützte Anleihen) sind für Kreditkosten (als direktes Mass) von fundamentaler Bedeutung. Die realen Kreditkosten sind von der künftigen Höhe der Inflation abhängig. Wenn ich einen 5-jährigen Kredit von 100'000 Euro für 4% aufnehme, weiss ich, dass ich jedes Jahr 4% des geschuldeten Kredits als Zinsen in Euro zurückzahlen muss. Wenn die Inflation 4% beträgt, dann kostet mich der Kredit nichts. Liegt die Inflation höher als 4%, dann kostet mich der Kredit weniger als nichts. Wenn es aber in den nächsten 5 Jahren keine Inflation gibt, bezahle ich einen saftigen realen Preis für den Kredit. Das heisst, dass der reale Wert der Kreditkosten bei Deflation steigt.
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