Donnerstag, 25. November 2010

Wird Irland zahlungsunfähig?

Auf den ersten Blick scheint Irland am Rande eines Zahlungsverzugs (default). Seine Schulden sind sehr hoch im Verhältnis der Grösse seiner Wirtschaft. Der grösste Teil des Geldes ist dem Ausland verschuldet. Doch alles deutet darauf hin, dass Irland nicht säumig wird oder irgendwie umschulden muss, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Essay („Will Ireland Default? Ask Belgium“) in NYT. Warum nicht? Irland schuldet eine riesige Menge Geld an das Ausland. Sein Schuldenstand dürfte im besten Szenario mehr als 100% des BSP, im schlimmsten Fall, mit einem grösseren Verlust an Immobilien und einer tieferen Rezession 150% des BSP erreichen. Mindestens 20% des irischen BSP stammt aus „Gespenst-Unternehmen“ („ghost corporations“), welche wenig oder keine wirkliche Aktivitäten in Irland haben, erklärt Johnson. Körperschaftssteuer ist auf 12,5% festgelegt, aber die weltweit führenden Unternehmen sind in der Lage, komplizierte Systeme mit anderen Offshore-Steueroasen, ihre effektiven Steuersätze auf eine einstellige Zahl zu reduzieren, hält der ehem. Chefökonom des IWF fest.


Eventualverbindlickeiten (Schulden), Graph: Jacob Kirkegaard, Peterson Institute for International Economics

Die irische Regierung beharrt darauf, dass die Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes keine zusätzlichen Einnahmen generieren würde, im Bewusstsein dessen, dass dieser Teil der Wirtschaft unter Anti-Krisen-Politik nicht besteuert werden kann. Die Realität darüber wird sich herausstellen, wenn die BIP-Zahlen präsentiert werden. Nachdem der IWF die irischen Bücher durchleuchtet hat, werden wir alle unsere Projektionen anpassen. Siehe den Fall Griechenland. Bis dahin gilt die Annahme, dass das Haushaltsdefizit 15% des BSP beträgt. Warum soll ein Teil der Gelder nicht umstrukturiert werden, v.a. was der Staat wegen der Übernahme der Schulden der sorglosen irischen Banken schuldet?, fragt Johnson zu Recht. Die irische Regierung hat angekündigt, dass sie einige nachrangige, relativ niedrige Schulden von Anglo Irish (20 Cents für einen Euro) umstrukturieren will. Das ist aber zu wenig, um einen Unterschied zu machen. Warum wird der gleiche Grundsatz nicht für andere Kategorien von Anleihen verwendet? Die offensichtliche Antwort ist: Irlands europäische Partner wollen nicht, dass das passiert, weil es die schlechten Entscheidungen von pan-europäischen Banken enthüllen würde und die von den Aufsichtsbehörden im letzten Jahrzehnt, was potenzielle Steuerrisiken für andere Länder in der Euro-Zone bedeuten würde. Jacob Kirkegaard hebt hervor, dass der Anspruch der ausländischen Banken sich auf über 500 Mrd. Euro beläuft. Das ist dreimal so hoch wie im Fall von Griechenland. Insbesondere deutsche Banken haben ihre Fassung verloren, was die Kreditvergabe in Bezug auf Irland betrifft. Hypo Real Estate, die Bank mit der höchsten Exposition in Irland, wurde von der deutschen Regierung übernommen, betont Johnson. Der geschuldete Betrag beträgt für deutsche Banken mit 139 Mrd. $ 4,2% des deutschen BIP, für britische Banken mit 131 Mrd. $ rund 5% des britischen BIP und für französische Banken mit 43,5 Mrd. $ 2% des französischen BIP. Die auffällige Zahl betrifft Belgien, legt Johnson dar: 29 Mrd. $, d.h. rund 5% der belgischen Wirtschaftsleistung.

Angesichts der Prävalenz von Offshore-Banking in Irland, dürften diese Zahlen die wahren Verbindlichkeiten etwas überbewerten. Aber noch ist Belgien nicht aus dem Schneider, wenn man sich die Zahlen von BIS (Bank for International Settlements) anschaut: 18,3% des BIP als Ergebnis von „general government contingent liabilities“, sie sich aus der Krisenhilfe für die Finanzinstitute ergeben. Belgiens gesamtfinanzpolitisches Bild ist nicht gut, beschreibt Johnson. Die politische Stabilität ist alles andere als gesichert und den zugrunde liegenden gesellschaftlichen Rissen wäre damit sicherlich nicht geholfen, betont der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor. Belgien Haushaltsdefizit beträgt 6% des BIP und die Staatsschulden belaufen sich auf 96,2% des BIP.

Darüber hinaus gehen Irlands Gläubiger davon aus, dass sie nur ein paar Jahre durchhalten müssen. Vielleicht käme es dann zu einer Erholung der Vermögenswerte. Aber die Immobilienpreise sind in Irland im letzten Jahrzehnt dramatisch gestiegen. Es handelt sich dabei um eine Vervierfachung. Eine fiskalische Schrumpfung mit höheren Steuern oder niedrigeren Staatsausgaben oder beidet, wie gerade mit dem IWF und der EU verhandelt wird, dürfte dem Wohnimmobilienmarkt wenig helfen. Es ist wahr, dass die irischen Hypotheken „recource“ (mit Regress) sind. Das heisst, dass man nicht einfach Wohnungsschlüssel abgeben und davon laufen kann, wie das in vielen Teilen der USA praktiziert wird. Irische Einwohner können das Land in Richtung England oder in die USA verlassen, was eine gut etablierte Tradition für viele Familien ist.

Fazit: Irland wird wahrscheinlich umschulden müssen. Wie schnell und wie unvollständig das erfolgt, wird erhebliche Auswirkungen auf das übrige Europa haben.

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