Samstag, 20. November 2010

Was, wenn Chinas Wirtschaftswachstum einbrechen würde?

Die chinesische Zentralbank (PBoC) hat am Freitag laut Reuters den Satz für Mindesteinlagen um 0,5% auf 18,5% angehoben. Das ist bereits die 5. Zinserhöhung in diesem Jahr. Die PBoC entzieht damit weiteres Geld aus dem Wirtschaftskreislauf, um steigende Verbraucher- und Immobilienpreise zu bekämpfen. Die Regierung hat zudem vor, den Anstieg der Inflation mit Preiskontrollen abzubremsen. Angesichts des rasanten Wirtschaftswachstums ist die Inflation (CPI) im Oktober auf 4,4% geklettert. Was würde aber passieren, wenn Chinas Wirtschaftswachstums sich verlangsamen würde? Die meisten Analysten sind aus zwei Gründen besorgt: (1) Da China die grösste Komponente des globalen Wachstums darstellt, scheint es vernünftig, zu erwarten, dass eine drastische Abschwächung des chinesischen Wachstums eine dramatische Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums bedeuten würde. (2) Wenn das Wachstum sich tatsächlich scharf verlangsamen sollte, würde es mit einem starken Anstieg der sozialen Instabilität einhergehen, was damit zu einem Anstieg der politischen Instabilität führen würde.


China Inflation, Graph: Bloomberg.com

Michael Pettis teilt die beiden Ansichten nicht, nicht weil sie notwendigerweise falsch sind, sondern nicht offensichtlich wahr, schreibt er in seinem Blog. Es hängt schwer davon ab, wie China alles ins Gleichgewicht bringt, bemerkt der an der Peking University lehrende Wirtschaftsprofessor. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was in Japan in den vergangenen zwei Jahrzehnten passiert ist, argumentiert Pettis. Im Jahre 1990 hat Japan 17% der globalen Wirtschaft ausgemacht. Es war einfach die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt. Ausserdem entfiel der weitaus grösste Teil des globalen Wachstums auf Japan, nach zwei Jahrzehnten, in denen Japans Wirtschaft um 8 bis 10% wuchs. Nur die grössten Skeptiker bezweifelten daran, dass Japan innerhalb eines oder zwei Jahrzehnte die USA als die weltgrösste Volkswirtschaft überholen würde. Es ist heute eine Überlegung wert, warum Japan die Erwartungen, die offensichtlich waren, nicht erfüllt hat. Die Antwort dürfte entscheidend davon abhängen, wie die japanische Anpassung stattfand. Analysten verwechseln zu leicht den Anteil eines Landes am globalen Wirtschaftswachstum mit dem Beitrag des Landes zum globalen Wirtschaftswachstum. Die sind sehr unterschiedlich, legt Pettis dar. Obwohl Japan einen überproportionalen Anteil am weltweiten Wachstum vor 1990 hatte, bedeutet dies nicht, dass es unverhältnismässig zum Wachstum ausserhalb seiner Grenzen beitrug. Im Gegenteil wies Japan zu der Zeit den jemals grössten Handelsbilanzüberschuss im Verhältnis zum globalen BIP auf. Das heisst, dass Japan weit mehr weltweite Nachfrage absorbiert hat, als es bereitstellte.

Da Prof. Pettis glaubt, dass es weitgehend die Nachfrage ist, die das Wachstum antreibt, dürfte Japan mehr Wachstum vom Rest der Welt absorbiert haben als beigetragen. In diesem Fall würden die Auswirkungen eines japanischen BIP-Rückgangs weitgehend als eine Folge der Veränderung der Netto-Nachfrage aus dem Rest der Welt herrühren. Würde Japans Handelsbilanzüberschuss zu- oder abnehmen? In diesem Punkt ist es ziemlich klar, dass Japans Beitrag dem Rest der Welt in den vergangenen zwei Jahrzehnten positiv ausfiel. Die Kombination eines leichten Rückgangs des japanischen Handelsbilanzüberschusses als Anteil am BIP und ein starker Rückgang des japanischen BIP als Anteil am weltweiten BIP (Japans Anteil ist von 17% im Jahr 1990 auf 8% heute gesunken) bedeutet, dass der japanische Handelsbilanzüberschuss als Anteil am globalen BIP von den späten 1980er Jahren bis zur Gegenwart um mehr als die Hälfte gefallen ist.

Das heisst, dass Japans Netto-Nachfrage sich in diesem Zeitraum gemessen als Anteil am globalen BIP mehr als verdoppelt hat. Oder genauer ausgedrückt ist sein Manko an Netto-Nachfrage um mehr als die Hälfte gesunken ist. Das hat zu einem expansiven Impuls für die globale Wirtschaft geführt. Vielleicht gerade deshalb gelang es der Welt, einen beispiellosen Zusammenbruch des japanischen Wirtschaftswachstums leicht abzuschütteln, auch wenn Japan scheibar der grosse Wachstumsmotor der Welt war. Wie sieht es aber mit der sozialen Instabilität aus? Warum haben die Japaner einer schockierende Kontraktion des Wirtschaftswachstums akzeptiert? Die Antwort hat nach Pettis Einschätzung mit der Tatsache zu tun, dass Japan sich während dieses schwierigen Anpassungsprozesses von neuem wieder ins Gleichgewicht gebracht hat, und zwar weg davon, Haushaltseinkommen und Konsum zu beeinträchtigen. Pettis denkt, dass die japanische Geschichte wichtige Implikationen für die Analyse von China liefert. Wenn China tatsächlich eine rasche Verlangsamung des BIP-Wachstum erfahren sollte, wären die Auswirkungen auf den Rest der Welt weit weniger als wir erwarten, beschreibt Pettis. Der eigentliche Schlüssel ist die Entwicklung des chinesischen Handelsbilanzüberschusses. Wenn dieser schrumpft, wird er einen expansiven Impuls für den Rest der Welt liefern, ist Pettis überzeugt. Natürlich bedeutet das nicht, dass die Welt schnell wachsen wird. Pettis erwartet, dass die globale Nachfrage über die nächsten Jahr wahrscheinlich mit oder ohne China anämisch wird. Aber es bedeutet, dass ein Abschwung des chinesischen Wachstums keiner Katastrophe für die Welt gleichkommen wird, wie viele glauben. Auch ein rascher Rückgang des chinesischen Wachstums bedeutet nicht eine soziale oder politische Katastrophe im Inland. Das hängt davon ab, wie ernst China für einen Wiederausgleich seiner Wirtschaft sorgt. Wenn die politischen Entscheidungsträger bereit sind, die Zinsen und die Löhne zu erhöhen, dürfte der Schmerz der meisten Anpassung durch SOEs und den öffentlichen Sektor getragen werden, nicht durch die privaten Haushalte. In diesem Fall dürften wir einen Rückgang des chinesischen Verbrauchs beobachten, fasst Pettis zusammen, aber nicht annähernd so schlimm wie der Rückgang des chinesischen BIP. 

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