Donnerstag, 31. Juli 2008

Libor-OIS-Spread: Im Bann der geldpolitischen Stützungsaktionen der Fed

Seitdem die beiden halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac in eine schiefe Bahn geraten sind, schiessen Spekulationen um weitere Bankpleiten ins Kraut. Die US-Notenbank (Fed) reagierte darauf und kündigte an, dass sie die bisher begrenzte Zeitperiode für Notfallkredite für die Investmentbanken ins nächste Jahr verlängert. Bei der Term Auction Facility (TAF), das sind Repogeschäfte für 28 Tage, wird es in Zukunft auch eine Laufzeit von 84 Tagen geben. Der TAF-Satz liegt tiefer als der Diskontsatz, da eine breitere Palette an Collaterals (Wertpapiere als Sicherheit) zugelassen sind. TAF wurde Mitte Dezember 2007 ein neues Instrument zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld eingeführt.

OIS-Rate:

Welche Motivation steht aber dahinter, die Laufzeit von bisher einem Monat auf drei Monate zu verlängern? Die Fed scheint zu der Einsicht gekommen zu sein, dass die Konditionen am Geldmarkt nicht von der Fed Funds Rate (Leitzins) determiniert werden, sondern durch den Satz, zudem die Banken in der realen Wirtschaft Geld leihen. Denn die letzten Zinsenkungen um insgesamt 100 Basispunkte haben das Niveau von 3-Monats-Libor oder den Satz für Termineinlagen kaum beeinflusst. Grund: der Libor-OIS-Spread hat sich inzwischen ausgeweitet und die (empirische) Verbindung zwischen dem Leitzins und den Konditionen am Geldmarkt aufgeweicht. Es ist deshalb durchaus möglich, dass die Fed mit der jetzt lancierten 84-täglichen TAF den 3-Monats-Libor runterbringen will. Auf diese Weise würde die Fed mehr Bodenhaftung am Geldmarkt bekommen und effektiver auf die reale Wirtschaft Einfluss nehmen.

3-Monats-Libor ($):

Fazit: Der Libor-OIS-Spread müsste sich nun etwas zurückbilden. Das ist jedoch nicht leicht, solange „ungewöhnliche und strenge“ Konditionen an den Finanzmärkten herrschen, wie die US-Notenbanker bei der Ankündigung des neuen Notprogramms gestern betonten. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor ($) und der Overnight Index Swap Rate beträgt seit dem vergangenen Wochenende kaum verändert 0,7392%.

US-Notenbank: „Lender of last resort“ oder nur noch “Lender”?

Die US-Notenbank (Fed) und die Aufsichtsbehörde für die Börse (SEC) haben gestern ein Notprogramm angekündigt. Die Fed teilte mit, in Zusammenarbeit mit anderen Notenbanken (SNB und EZB) Stützungsaktionen zur Liquiditätsversorgung der Finanzmärkte fortzusetzen. Zudem erklärte die SEC, die Ausnahmeregelung zur Einschränkung der Spekulationen auf fallende Kurse („Leerverkauf“) zu verlängern.

Aktionen, die von der Fed lanciert werden:

1) Die Primary Dealer Credit Facility (PDCF) und die Term Securities Lending Facilitiy (TSLF), d.h. die beiden Diskontfenster für Investmentbanken, werden jetzt bis zum 30. Januar 2009 offengehalten.
2) Zusätzlich können jetzt bei der TSLF auch Optionen in Höhe von 50 Mrd. Dollar erworben werden.
3) Bei der Term Auction Facility (TAF) gibt es künftig auch eine Laufzeit von 84 Tagen (bisher 28 Tage).
4) Die Swap-Linie mit der EZB und der SNB wird von 50 Mrd. Dollar auf 55 Mrd. Dollar aufgestockt.

Ohne sich in technischen Details zu verlieren, lässt sich schlussfolgern, dass die Intensität der Staatsinterventionen im Zuge der Kreditmarktkrise zunimmt. Es ist die Fed, welche die Banken über Wasser hält. Die US-Notenbank agiert zusehends als einzigen „Lender“ (Kreditgeber) im Markt. Natürlich darf die Fed das Aufkommen eines „systemischen Risikos“ nicht ignorieren. Aber die Stützungsaktionen der Notenbank erhöhen die Bereitschaft der Investoren, vermehrt Risiken einzugehen. („Moral Hazard“). Während also Gewinne privatisiert werden, werden Verluste von der Allgemeinheit getragen. Die Fed muss daher bei der Gewährung der staatlichen Garantien eine Abwägung zwischen gesamtwirtschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Nutzen und Kosten anstellen. Können externe Kosten nicht internalisiert werden, liegt ein Marktversagen vor. In der heutigen Struktur der Finanzmärkte, wo Risiko asymmetrisch verteilt ist, lohnt es sich für Akteuren, möglichst hohe Risiken einzugehen. Das kann nicht anhalten. Es bedarf daher einer angemessenen gesetzlichen Regulierung.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Collateralized Debt Obligation (CDO) – Investmentbank verschleudert verbriefte Kredite

Das sind besicherte Schuldverschreibungen, die auf dem Prinzip „Verbriefung“ basieren. CDOs sind durch Kreditforderungen unterlegte Schuldtitel. Es handelt sich dabei um komplexe Wertpapiere, welche ein Pool an Krediten bündeln und das Risiko in verschiedene Tranchen aufteilen. Die Tranchen werden von Rating-Agenturen einzeln bewertet. Eine CDO kauft aber nicht direkt Hypotheken ein, sondern die Mortgage-Backed Securities (MBS). Während einer Asset Backed Security (ABS) ein Pool an Krediten zugrunde liegt, liegt einer CDO ein Pool von ABS zugrunde. Es gibt aber auch CDOs, die auf Credit Default Swaps (CDS) aufbauen. Die nennt man „synthetische“ CDOs. Sie sind hochriskant, illiquid, und schwer zu bewerten. Mit CDOs bezwecken Banken im allgemeinen, die Kredite aus ihrer Bilanz zu entfernen, um auf diese Weise Baseler Eigenkapitalregeln zu erfüllen oder aktiv Kreditportfolios zu managen.

CDOs werden nicht über die Börse, sondern direkt zwischen Investor und Verkäufer gehandelt. Die amerikanische Investmentbank Merrill Lynch hat gestern mitgeteilt, ein Paket strukturierter Produkte an den Investor Lone Star verkauft zu haben. Es handelt sich dabei um ein 30,6 Mrd. Dollar schweres Paket an Collateralized Debt Obligation (CDO). Der Käufer habe dafür 6,7 Mrd. Dollar bezahlt, d.h. 22 Cents je Dollar Nennwert. Der massive Abschlag belegt, dass die Liquidität am Markt für strukturierte Produkte vollkommen ausgetrocknet ist. Gilt nun der bezahlte Preis von 22 Cents als Richtwert für den CDO-Markt? Müssen sich also die anderen Banken diesem „Marktpreis“ annähern? Auf den ersten Blick neigt man dazu, beide Fragen zu bejahen. Aber bei näherer Analyse muss festgestellt werden, dass eine pauschale Preissetzung nicht möglich ist, da alle Tranchen individuell bewertet werden. Die riskanteste Tranche einer mit Ramschhypotheken (Subprime) besicherten Papiere wird nicht umsonst Giftmüll genannt. Zudem ist die Struktur der CDO-Portfolios sehr verschieden. Manche Portfolios bestehen bis zu 90% aus Subprime-Darlehen. Eine allgemeine Signalwirkung aus dem aktuellen Verkaufsdeal kann dennoch nicht ignoriert werden. Der CDO-Markt hat im Gegensatz zu CDS-Markt keine Überlebenschance mehr. Im Zuge der Kreditmarktkrise hat die Investmentbank Milliardenabschreibungen zu verdauen. Die Entscheidungsträger der Bank versuchen nun, die Bilanz zu sanieren.

Hinweis:
Zum Thema „Verbriefung“ und „Swap“ ein sehr informatives, lesenswertes Buch: „Vorbeben“, Wolfgang Münchau.

Dienstag, 29. Juli 2008

Covered Bonds: Pfandbrief für den amerikanischen Hauskreditmarkt

Der amerikanische Markt für verbriefte Kreditrisiken gilt derzeit als lahmgelegt. Daher sollen die Banken, die Immobilien finanzieren, jetzt Pfandbriefe emittieren dürfen. Das hat nun US-Finanzminister Henry Paulson vor. Sein Vorbild: der deutsche Pfandbriefmarkt. Paulson will durch den Aufbau eines Covered Bonds-Markts eine neue günstige Finanzierungsquelle für Banken kreieren. Das Ziel ist u.a. die starke Abhängigkeit des amerikanischen Hypothekenmarktes von den halbstaatlichen Giganten Fannie Mae und Freddie Mac etwas zu lockern.

Nach Angaben der US-Regierung seien vier Banken Bank of America (BAC), Citigroup (C), JP Morgan Chase (JPM) und Wells Fargo (WFC) bereit, einen Markt für Covered Bonds (besicherte Anleihen) zu schaffen. Eine Gesetzgebung sei nicht notwendig. Das Finanzministerium hat bereits „Best-Practices“ veröffentlicht. Nach den von dem Einlagensicherungsfonds (FDIC: Federal Deposit Insurance Corporation) vorgelegten Regeln dürfen Banken nur erstrangige Hypotheken für private Wohnungsimmobilien verwenden. Es gibt zudem eine Verschuldungsobergrenze: Ein Darlehen darf höchstens 80% des Marktwertes des Hauses betragen. Hypotheken, die seit mehr als 60 Tagen nicht bedient worden sind, müssen ersetzt werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Pool von Hypotheken immer sichere Darlehen beinhaltet. Und der Wert der Sicherheiten muss 105% über dem Volumen der ausstehenden Covered Bonds liegen. Die Laufzeit der Covered Bonds soll von 1 bis max. 30 Jahre betragen.

Fazit: Die Idee, einen Covered Bonds Markt zu schaffen ist, gut. Aber die neuen besicherten Anleihen müssen zunächst den Investoren schmackhaft gemacht werden. Es ist also eine Frage der Zeit, bis ein Sekundärmarkt entsteht.

Exkurs:
In Deutschland dürfen nur eine begrenzte Zahl von Hypothekenbanken und öffentlich-rechtliche Institutionen Pfandbriefe herausgeben. Der Pfandbrief ist durch Immobilien abgesichert. Die Laufzeit beträgt bis zu 10 Jahren. Ein Pfandbrief finanziert nicht eine einzelne Hypothek. Dahinter steht ein Pool von Hypotheken. Der Pfandbrief ist eigentlich der Vorläufer der Asset-Backed Security (ABS) und der Mortgage-Backed Security (MBS), sofern es sich bei den besicherten Werten um Hypotheken handelt. Der Unterschied: Pfandbrief bleibt in der Bilanz der Bank. MBS erscheint nicht auf der Bilanz der Bank. Der Käufer des Kredits ist eine Zweckgesellschaft (SIV: Special Investment Vehicle) , die dafür geschaffen wird. Die SIV kauft Kredite, emittiert selbst Bonds, die durch diese Kredite abgesichert sind. Die Bank, die den Kredit losgeworden ist, kann erneut Kredite vergeben. Der Pfandbriefmarkt hat in Europa ein Volumen von 3'300 Mrd. Euro.

Housing Bill - Neues Gesetz zur Immobilienkrise: Kein Markt ohne Staat

Das Gesetzespaket zur Immobilienkrise ist nun durch den amerikanischen Kongress. Die US-Regierung will mit dem neuen Gesetz („Housing Bill“) das Vertrauen in Fannie Mae und Freddie Mac wiederherstellen („too big to fail“) und für die Stabilität an den Finanzmärkten sorgen. Das Rettungspaket für den Immobilienmarkt muss noch von Präsidenten unterzeichnet werden. Das milliardenschwere Hilfspakett (300 Mrd. Dollar) soll hauptsächlich 1) die beiden Hypothekenfinanzierer Fannie und Freddie vor dem Zusammenbruch bewahren („bailout“), und 2) den bis zu 400'000 von Zwangversteigerung bedrohten Hausbesitzern unter die Arme greifen.

Die Kreditkrise lehrt, dass der Markt ohne Staat nicht so funktioniert wie gewünscht. Der Staat spielt eine wichtige Rolle. Die implizite Garantie für die beiden staatlich gesponsorten Hypothekenfinanzierer (GSEs) bedeutete, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Nun wird daraus eine explizite Garantie. Der Ruf nach dem Staat wurde so laut, dass das konservative Wall Street Journal von einer „Zeitenwende“ spricht. Das renommierte Blatt sieht eine „neue Welle regierungsamtlicher Regulierung von Unternehmen und Wirtschaft“. Das bedeutet eigentlich das Ende des Wirtschaftskonzeptes der Neocons. Die aggregierten Reserven der Finanzinstitute nehmen seit geraumer Zeit dramatisch ab. Die US-Notenbank (Fed) agiert daher nicht mehr als „lender of last resort“ (Kreditgeber in der Not), sondern nur noch als „lender“ via z.B. Term Auction Facility (TAF), um dem Schrumpfen der Liquidität am Geldmarkt Einhalt zu gebieten. Dabei haben traditionelle Banken, die reguliert sind, einen sehr geringen Anteil zum „Kredit-Wahnsinn“ (weiche Standards bei der Kreditvergabe) beigetragen. Fannie und Freddie haben beispielsweise mit Subprime-Krediten überhaupt nichts zu tun gehabt. Es war das „Schattenbankensystem“ mit Zweckgesellschaften (SIV: Special Investment Vehicle), das ausserhalb der Reichweite der staatlichen Regulierung operierte und einen exzessiven Boom für Kredite am Immobilienmarkt auslöste. Auf diese Weise wurde die Spekulationsbegeisterung der Eigenheimkäufer mit zusätzlichen Krediten gespeist. Das neue Gesetz löst das Problem nicht. Da muss die Regulierung ausgeweitet werden.

Montag, 28. Juli 2008

Mittelschicht: Motor der Wirtschaft im Stress

Das um die Inflation angepasste Median-Haushaltseinkommen sei in den USA zwischen 2000 und 2007 um 1'175 Dollar gesunken, schreibt Elizabeth Warren, Professor an der Harvard Law School in einer Analyse. Zugleich zahlt die Durchschnittsfamilie 4'655 Dollar mehr für Grundbedürfnisse wie Gasoline, Haushalt, Nahrungsmittel, Gesundheit usw. Die typischen Familien seien in den USA seit der Grossen Depression der 1930er Jahre noch nie so eng in die Ecke gedrängt gewesen, erklärt Wirtschaftsexpertin.

Die Kluft zwischen arm und reich wird tiefer. Seit dem Aufstieg der Neocons in den USA steigt die ökonomische Ungleichheit bei abnehmender sozialer Absicherung. Der Verlauf der Finanzmarktkrise zeigt, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden, wenn Märkte mangelhaft reguliert sind. Bemerkenswert ist aber, dass die Sparquote in diesem Umfeld nach wie vor negativ ist. Warum? Diese Frage wurde neulich auch von Paul Krugman in seinem Blog gestellt. Allerdings ohne Antwort darauf.

Exkurs:
Der Median des Einkommens: Jenes Haushaltseinkommen, bei dem die Hälfte der Haushalte ein höheres und die Hälfte ein niedrigeres Einkommen hat.

In den USA liegt heute der Median des Einkommens deutlich niedriger als im Jahr 1999. Während der Median des Einkommens gesunken ist, ist das mittlere Haushaltseinkommen gestiegen. Eine grosse Differenz zwischen dem Median und dem Mittelwert des Einkommens geht mit hoher Einkommensungleichheit einher. Wenn wenige Menschen an der Spitze der Einkommenspyramide immer reicher werden, steigt das mittlere Einkommen, aber der Median des Einkommens kann unverändert bleiben oder gar sinken. (Quelle: Joseph E. Stiglitz, US Census Bureau).

Sonntag, 27. Juli 2008

Auction Rate Securities (ARS): Markt versiegt im Zuge der Kreditkrise

Die Grossbank UBS ist in den USA mit einem Rechtsstreit konfrontiert. Anleger werfen der Schweizer Grossbank vor, ARS verkauft zu haben, obwohl sie wusste, dass der Markt bereits klinisch tot war. Der ARS-Markt ist zu Jahresbeginn mangels Nachfrage seitens Investoren beinahe zusammengebrochen. Auction Rate Securities sind Spezialanleihen von Kommunen, Universitäten, Museen, non-profit Krankenhäusern usw. Das Marktvolumen beläuft sich auf 330 Mrd. US-Dollar. „Der Auction Rate Market“ war 1984 von einem Investmentbanker bei Lehman Brothers gegründet worden. Zu grossen Händlern von ARS gehören wie Citigroup, Merrill Lynch, Morgan Stanley und UBS.

Der Zinssatz wird bei einer Auktion festgelegt, und zwar in (im voraus) bestimmten Zeitpunkten. Die Verzinsung liegt i.d.R. leicht über dem kurzfristigen Zinssatz. Sie sind zwar langfristig (Laufzeit: 20-30 Jahre) emittiert, werden aber wie kurzfristige Anleihen gehandelt, weil sie sehr liquide sind. Das minimale Emissionvolumen beträgt 25 Mio. US-Dollar. Die Mindeststückelung: 25'000 Dollar. Die ARS sind sehr rating-sensibel und fordern gewöhnlich die höchste Bonität („AAA“), um handelbar zu sein. Diese Papiere wurden bislang von Banken für vermögende Privatanleger und institutionelle Investoren empfohlen. Die Banken werden jetzt von der SEC, der US-Börsenaufsichtsbehörde gezwungen, die Papiere zum Ausgabepreis zurückzukaufen. Die Banken weigern sich, dies zu tun, da sie vorerst ihre Bilanzen schonen wollen. Im Zuge der Kreditkrise haben Finanzunternehmen massive Verluste verbucht und ihre Aktien sind abgepurzelt. Der Refinanzierungsbedarf ist daher sehr hoch. Der ARS-Markt als Finanzquelle für staatliche und halbstaatliche Institutionen ist derzeit versiegt. Investoren bleiben nun auf ihren ARS-Papieren sitzen. Sie kassieren zwar den Zins, aber sie können die ARS nicht abstossen, da es keinen Käufer gibt. Die ARS-Papiere werden weder in der Schweiz noch in Deutschland gehandelt.

Samstag, 26. Juli 2008

Libor-OIS-Spread auf Allzeithoch: Fieberkurve der Finanzmärkte bleibt ausgeweitet

Die Ereignisse, die wir im Zuge der Kreditkrise mittlerweile seit genau einem Jahr erleben und die sich zum Teil beinahe täglich zuspitzen, zeigen das Potenzial für „Marktversagen“ in aller Deutlichkeit, wenn das Bankensystem nicht in der Lage ist, Liquidität zu schaffen. Der Libor-OIS-Spread ist ein indirektes, gutes Mass, um die Verfügbarkeit von Liquidität im Geldmarkt zu messen und die Bereitschaft der Banken zum Geldleihen zu beobachten. Die Differenz zwischen dem 3 Monats-Libor ($) und der Overnight Index Swap Rate verharrt derzeit auf historischen Höchstständen. Der Libor-OIS-Spread beträgt heute 0,7246% und liegt damit geringfügig tiefer als vergangene Woche. Dennoch ist zur Zeit keine Anzeichen für eine nachhaltige Entspannung vorhanden.

Die Nervosität hält an. Das Augenmerk richtet sich auf die Quartalszahlen der Finanzunternehmen. Der Libor-OIS-Spread bleibt ausgeweitet, solange die Unsicherheit sich im Hinblick auf den Rekapitalisierungsbedarf in der Finanzbrance fortsetzt. Die Future Kontrakte auf der Terminbörse Chicago Board of Trade (CBT) signalisieren zur Zeit eine Wahrscheinlichkeit von 93%, dass die US-Notenbank (Fed) ihren Leitzins auf ihrem Treffen von 5. August unverändert bei 2,0% belassen würde.

Freitag, 25. Juli 2008

Die wahren Kosten des Krieges

Buchbesprechung*:

Joseph Stiglitz, Linda Bilmes: Die wahren Kosten des Krieges. Wirtschaftliche und politische Folgen des Irak-Konflikts. Pantheon Verlag, München 2008.

Es steht heute fest, dass es mit Ausnahme der amerikanischen Erdöl- und Rüstungsindustrie kaum echte Gewinner des Irakkriegs gibt. Die Regierung Bush hat sich nicht nur hinsichtlich der positiven Effekte des Krieges, sondern auch in Bezug auf die Kriegskosten vollkommen verschätzt. Der Krieg ist in der Tat eine groteske Verschwendung von Ressourcen. Bisher sind fast 4'000 US-Soldaten gefallen und über 58'000 wurden verwundet, verstümmelt oder sind ernstlich erkrankt. Joseph Stiglitz, Professor für Volkswirtschaft an der Columbia University in New York und Linda Bilmes, die heute Finanzwirtschaft an der Kennedy School of Government in Harvard unterrichtet, befassen sich in diesem Buch schonungslos mit der bisher ungeahnten wirtschaftlichen Belastung dieses Konfliktes für den amerikanischen Steuerzahler und für die gesamte Weltwirtschaft.

Im Mittelpunkt steht die Evaluierung der verschleierten und verborgenen Kosten (wie z.B. die langfristige medizinische Betreuung von Veteranen). Die wirtschaftlichen Kosten des Krieges belaufen sich laut Autoren auf 3'000 Mrd. Dollar, zuzüglich weiterer 3'000 Mrd. Dollar für die übrige Welt. Zur Erinnerung: Die Bush-Regierung erklärte, der Krieg würde 50 Mrd. Dollar kosten. Inzwischen geben die USA diesen Betrag im Irak alle drei Monate aus. Für ein Sechstel der Kriegskosten hätten die USA ihr Sozialversicherungssystem in Ordnung bringen können. Im Kapitel 5 zeigt Stiglitz, der 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet wurde, quantitativ die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Konfliktes auf. Der Irakkrieg ist aus drei Gründen schlecht für die Wirtschaft: 1) Der Erdlöpreis steigt, 2) Das Geld hätte, wenn es im eigenen Land in den Bau von Strassen, Krankenhäusern oder Schulen gesteckt worden wäre, einen unvergleichbar höheren Beitrag zu langfristigem Wachstum leisten können, 3) Der Grossteil der Rechnung muss erst noch bezahlt werden, etwa für Entschädigungen und Gesundheitsversorgung (Stichwort: Kriegsveteranen). Das bedeutet eine hohe Belastung für künftige Generationen. Das Haushaltsdefizit wird steigen. Die Steuern werden erhöht. Fazit: Die amerikanische Mittelschicht, die unter der inkompetenten und dummen Wirtschaftspolitik der Bush-Adminstration leidet, wird die Zeche zahlen müssen. Am Schluss der Analyse präsentiert Stiglitz nüchtern seine Reformvorschläge für die Zukunft. Irakkonflikt als ideale Fallstudie für das Phänomen „Staatsversagen“. Das Buch ist für jeden politisch denkenden Menschen eine Pflichtlektüre.

Cezmi Dispinar

* erscheint in der Ausgabe 201 von 25. Juli 2008.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Wall Street: Die neue Diktion – „nicht so schlecht wie befürchtet“

Wachovia (WB, 16.79$), die viertgrösste US-Bank hat im II. Quartal einen Verlust von 8,9 Mrd. Dollar angehäuft. Die Dividende wird von 37,5 Cents auf 5 Cents radikal gekürzt, um die Kapitalbasis zu stärken. Tausende Arbeitsplätze werden abgebaut. Die Aktie legte aber trotzdem über 30% zu. Grund: Die Zahlen sind nicht schlechter ausgefallen als von Analysten erwartet. Washington Mutual (WM, 5.82$), die grösste amerikanische Sparkasse hat im II. Quartal einen Verlust von 3,33 Mrd. verbucht. Eine Rekordzahl an faulen Eigenheimkrediten hat die Bilanz von des Unternehmens massiv belastet. Die Aktien von WaMu sind dennoch um 11% gestiegen. Grund: Das Unternehmen teilte mit, dass es zur Lösung der Probleme keine Kapitalerhöhung notwendig ist. Die Liste solcher Fälle, indenen an der Börse trotz Milliardenverluste zu massiven Kursaufschlägen kam, lässt sich derzeit beliebig verlängern. Was ist an der Wall Street los? Ist die Finanzkrise nun ausgestanden? Wohl kaum.

Etwas steht aber fest: Die Redewendung „besser als erwartet“ verwendete man einst an der Wall Street, um solide Quartalszahlen eines Unternehmens zu beschreiben. Heute wird diese Phrase durch eine neue „nicht so schlecht wie befürchtet“ ersetzt, wie The New York Times berichtet. Gesinnungswandel im Bann der Kreditkrise? Die aktuelle Redensart ist sicherlich vom Wunschdenken geprägt. Die Märkte kann man nicht gesundbeten. Anleger sind gut beraten, Vorsicht walten zu lassen, bevor sie neue Engagements an den Aktienmärkten eingehen.

Erdölpreis: Arbeitsgruppe berichtet – Hinter dem Preisanstieg steckt keine Spekulation

Die neulich gehaltende Rede des US-Notenbankchefs Ben Bernanke hat einen kräftigen Rückgang des Rohölpreises ausgelöst. Der Ölpreis notiert mittlerweile unter der Marke von 128 Dollar je Fass. In einer Anhörung vor dem US-Senat zeichnete Bernanke vor einer Woche ein düsteres Bild über den Zustand der US-Konjunktur. Der Inflationsausblick sei ungewöhnlich ungewiss. Das laste auf Wachstum, sagte er. Seitdem hat der Ölpreis 10 Dollar nachgelassen.

Für die aktuelle Entwicklung dürfte aber zudem die verzögerte Auswirkung des starken Höhenflugs des Erdölpreises auf die Nachfrage auch eine entscheidende Rolle gespielt haben. Denn die Preiselastizität der Ölnachfrage ist kurzfristig sehr niedrig, aber sie wird grösser, wenn die Konsumenten beginnen, sich im Verlauf der Zeit darauf einzustellen. So bewertet Paul Krugman den gegenwärtigen Preisrückgang für Rohöl. Viele steigen in öffentliche Verkehrsmittel um, kaufen energieeffiziente Autos, passen ihre Pendelrouten neu an usw. Die Nachfrage dürfte daher mit der Zeit fallen, obwohl Chinas hohes Wirtschaftswachstum anhält und das Ölangebot nicht erhöht werden dürfte. Es sei denn, es werden neue Ölvorkommen entdeckt.

Unterdessen hat eine Arbeitsgruppe, die von der US-Aufsichtsbehörde für den Terminhandel (CFTC: Commodity Futures Trading Commission) angeführt wird, berichtet, dass der Ölpreisanstieg nicht auf Spekulationen zurückzuführen sei. Für die Preisbewegungen seien allein Fundamentalsdaten verantwortlich, wie z.B. die rapid steigende Nachfrage und die träge Angebotsentwicklung.

Dienstag, 22. Juli 2008

US-Immobilienmarkt: Zahlen belegen das Ausmass der Krise

Die Hauspreise haben sich in den USA von 2000 bis 2005 verdoppelt. Die Preise haben inzwischen 17% nachgelassen. Seit Sommer 2007 fällt der meist beachtete Case-Shiller-Index. Experten rechnen mit einem weiteren Rückgang der Hauspreise um mind. 10 bis 15%. Ein gutes Mass ist die Beziehung zwischen den Kaufkosten und den Mietkosten eines Hauses. Von 1985 bis 2002 betrug der durchschnittliche Verkaufspreis eines Hauses in den USA etwa das 14-fache des jährlichen Mietpreises eines identischen Hauses. Zu Beginn des Jahres 2006 schossen die Hauspreise um das 25-fache des Mietpreises in die Höhe. Seitdem hat sich das Verhältnis zwar bis auf das 20-fache zurückgebildet. Aber es verharrt nach wie vor deutlich über der historischen Norm.

Es gibt zur Zeit auf dem Markt viel mehr Häuser zu verkaufen als kaufinteressierte Bürger. Nach Schätzungen von Economy.com sind gegenwärtig ausreichend Häuser vorhanden, um die Nachfrage für die kommenden 2 ½ Jahre zu decken, ohne dass dafür neu gebaut werden müsste. Die Schulden der amerikanischen Haushalte sind inzwischen von 60% im Jahre 1984 auf 120% des verfügbaren Einkommens gestiegen. Viele Eigenheimbesitzer sind nicht mehr in der Lage, die Schulden zurückzuzahlen. Die Banken dürfen nach der amerikanischen Rechtspraxis das Haus zurückfordern. Das heisst, dass der Hauseigentümer den Schlüssel bei der Bank abgeben muss. In vielen Fällen ist der Hauswert unter die Hypothekenschuld gestürzt. Das bedeutet: je länger der Preisverfallprozess für Eigenheime andauert, desto mehr Banken werden gebeutelt. Mit dem Zusammenbruch der kalifornischen Hypothekenbank Indy-Mac hat Amerika bereits die grösste Pleite seit den 1980er Jahren erlebt. Fannie Mae und Freddy Mac, die beiden staatlich unterstützten („government sponsored“) Hypothekenfinanzierer besitzen oder garantieren Hypotheken im Wert von 5'000 Mrd. Dollar im Immobilienmarkt. Das entspricht rund der Hälfte aller Hypothekendarlehen in den USA. Notiz: Das BIP der USA liegt bei 14'000 Mrd. Dollar. „Too big to fail“: Die US-Regierung kann die beiden GSEs also nicht fallen lassen. Der Schaden für das US-Finanzsystem wäre kaum auszudenken. Kein Wunder, dass die US-Administration sofort die Bereitschaft ("bailout") angekündigt hat, mit den Geldern der Steuerzahler Anteile von Fannie und Freddie zu kaufen. Die US-Notenbank (Fed) ihrerseits teilte mit, an die beiden GSEs zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund liegt es auf der Hand, dass die Fed zur Zeit der Bekämpfung der Finanzmarktkrise die oberste Priorität einräumt und die Inflationsgefahr etwas „ignoriert“.

Montag, 21. Juli 2008

Devisenmarkt: Alternative zu Aktien und Bonds?

Die kräftigen Kursaufschläge zum Wochenausklang an der Börse lassen sich aus Sicht der Fundamentaldaten kaum erklären. Die konjunkturelle Lage hat sich nicht verbessert. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Leerverkäufer („Short Seller“) die Notbremse gezogen und Aktien gekauft haben. Wenn Spekulaten ihre Short-Positionen schliessen, geht der Markt nach oben. Die Kreditmarkt- und Wirtschaftskrise ist noch nicht ausgestanden. Angesichts der anhaltenden Misere am Immobilienmarkt und der Unsicherheit mit kaum verwertbaren Kreditderivaten der Banken bleiben die Aussichten für die Börse vorerst trüb.

Auch die Agrarwerte befinden sich mittlerweile in einer Konsolidierungsphase. Wie sieht es auf den Anleihenmärkten aus? Sowohl die amerikanische Notenbank (Fed) als auch die Europäische Zentralbank (EZB) räumen derzeit der Bekämpfung der Inflation die oberste Priorität ein. Die Inflationsängste überwiegen und die Währungshüter verschärfen den restriktiven Ton. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zinserhöhungsspekulationen stellen Zinspapiere gegenwärtig keine echte Alternative zu Aktien dar. Es ist daher davon auszugehen, dass nun der Devisenmarkt in den Mittelpunkt des Anlegerinteresses rücken wird. Währungen bieten eine gute Chance zur Portfoliodiversifikation. Denn Währungen haben wenige Korrelation zu anderen Anlageklassen wie Aktien und Bonds. Der Devisenmarkt ist ausserdem sehr liquide. Das tägliche Volumen: 3'000 Mrd. Dollar. Gemäss „Behavioural-Finance“-Theorie gibt es einen bestimmten Zusammenhang zwischen dem Anlageverhalten der internationalen Investoren und Wechselkursveränderungen. In den nächsten Monaten (Stichwort: „Sommerloch“) dürfte sich das Augenmerk auf den globalen Finanzmärkten auf Währungsderivate und Devisenprodukte richten. Vor allem die Entwicklung des Wechselkurses zwischen Euro und Dollar dürfte aufgrund der Zinsdifferenz für die Anlageentscheidungen der internationalen Investoren eine dominante Rolle spielen. Aber auch das Wechselkursgefüge zwischen dem Dollar und Yen bleibt für spekulative Aktionen (Stichwort: „Carry-Trade“) spannend.

OIS-Spread verharrt auf hohem Niveau

Die krisenhafte Entwicklung am Geldmarkt hält an. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor (aktuell: 2,7906%) und dem OIS-Satz (Overnight-Index-Swaprate) verharrt auf hohem Niveau. Der Spread notiert derzeit bei 0,7326%, fast unverändert wie vergangene Woche. Noch Ende Mai lag der Aufschlag bei 0,68%. Der Libor-OIS Spread war im Verlaufe dieses Jahres von 90 auf 24 Basispunkte im April zurückgefallen. Eine höhere Differenz ist ein Indikator für fortschreitende Unsicherheit und mangelhafte Liquiditität im Interbankenmarkt.

Alan Greenspan, der ehemalige US-Notenbankpräsident beobachtet nach eigenen Angaben die Lücke zwischen dem 3 Monats Libor und dem OIS-Satz als Indikator zur Messung des Ausmasses der Finanzmarktkrise. Ein Rückgang des Spreads auf 25 Basispunkte würde seiner Meinung nach auf das Ende der Krise hindeuten. Unter gewöhnlichen Bedingungen beträgt dieser Spread tatsächlich zwischen 19 und 25 Basispunkten. OIS sind Derivate, die „over-the-counter“ gehandelt werden. Bei einem Zinsswap werden zwischen zwei Vertragsparteien Zahlungen von festen und variablen Zinsen miteinander ausgetauscht. Die Vertragspartei A zahlt der Vertragspartei B Libor und bekommt dafür einen festen Zinssatz. Die Vertragspartei B zahlt also einen festen Zinssatz und erhält Libor. Der Swap bildet die Grundlage eines Credit Default Swaps (CDS).


Exkurs:
CDS (Kreditderivate) sind neuartige Finanzinstrumente, mit denen man sich gegen Zahlungsausfälle versichern kann. Wie die vor einem Jahr ausgebrochene Kreditmarktkrise zeigt, setzten Banken darauf, die Subprime-Risiken mit CDS zu hedgen. Der Käufer eines CDS ist also derjenige, der sich gegen einen Zahlungsausfall versichern will. Der Verkäufer bekommt dafür i.d.R. eine vierteljährliche Prämie. Der Käufer muss vom Verkäufer für den Fall eines Zahlungsausfalls entschädigt werden. Als Referenzwert dient eine Anleihe in einer Grössenordnung von 10 Mio. Dollar oder Euro. Die Notierung eines CDS erfolgt in Basispunkten.

Sonntag, 20. Juli 2008

Halbe Wahrheiten

Buchbesprechung*:

Adrian Tomine:Halbe Wahrheiten“. Reprodukt, Berlin, 2008.

Ben Tanaka (30) arbeitet als Geschäftsführer eines Universitätskinos in Kalifornien. Die Beziehung mit Miko (31), einer Organisationsassistentin beim „Asian-American Digi-Fest“ leidet unter seiner emotionalen Dichotomie. Nachdem Miko für einen neuen Job nach New York zieht, versinkt Ben tiefer im hedonistischen Morast von sexuell ambivalenten Protagonisten des College Alltags. Melancholie hat in akademischen Kreisen Tradition. Ben findet aber keinen Ausweg aus seiner Ratlosigkeit im interkulturellen Graben, wenn auch Alice Kim, seine beste, scharfzüngige (lesbische) Kollegin ihn durch hochintellektuelle Dialoge wachrüttelt und bei ihm gewisse Kraft zur Selbstbildung freisetzt. Trost ist menschlich.

Aber auch Ben’s Affinität für blonde Flittchen bleibt unerfüllt. Autumn Phelps (22), eine Performance-Künstlerin im Kino bezirrt ihn heftig. Aber sie will mit Ben nicht einmal schmusen, wegen Keimen. Fühllosigkeit folgt Indifferenz. Ben Tanaka gibt aber die Suche nach sich selbst nicht auf. Er lernt auf einer Dyke-Party Sascha Lenz (28), eine anmutige Studentin im Aufbaustudium, kennen. Er kann ihr gegenüber seiner Zuneigung tatsächlich Ausdruck verleihen, aber sie lässt ihn wie eine heisse Kartoffel fallen, da sie sich wieder anders besinnt und erneut das Ufer wechselt. Fazit: Promiskuität ist auch kein Mittel zur Identitätsfindung. In der Liebe gilt es genauso wie in der Bildung: ohne Leidenschaft keine Meisterschaft. Wer mit allen flirtet, wird nie auf seine Kosten kommen. Die Geschichte verfährt personenbezogen. Figuren und Aktionen werden nach dem musterhaften Paradigma stillvoll dramatisiert. Das Buch hat drei Kapitel. Kapitel Eins: Exposition. Kapitel Zwei: Konfrontation und Kapitel Drei: Auflösung. „Halbe Wahrheiten“ (Originaltitel: „Short Comings“) ist Adrian Tomines erste „Graphic Novel“. Der Autor ist im kalifornischen Sacramento geboren. Seit 1991 schreibt und zeichnet er seine Comicserie „Optic Nerve“. Feinsinnig und hintergründig gezeichnet. Ein fantastisches Buch. Ein grandioses Meisterwerk.

Cezmi Dispinar

* erscheint in der Ausgabe 201 von 25. Juli 2008.

Samstag, 19. Juli 2008

TED-Spread steigt weiter

Der jüngste Kursanstieg an der Wall Street hat offenbar keinen Bestand. Die Talsohle ist allem Anschein nach noch nicht erreicht. Risikofaktoren überwiegen. Steigende Inflation und hohe Energiekosten lasten auf der Stimmung. Kein Wunder, dass der TED-Spread sich in diesem widrigen Marktumfeld im Vergleich zur Vorwoche weiter ausgeweitet hat. Die Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor ($) und der Rendite der 3 Monats T-Bills ist zum Handelsschluss auf 1,3357% gestiegen. Am vergangenen Wochende betrug der Spread noch 1,221%. Der Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt hat sogar im Verlauf der Handelswoche im Bann der sich verschärfenden Kreditmarktkrise bis auf 1,4422% (am 16. Juli) zugelegt. Der kräftige Anstieg des Aufschlags deutet darauf hin, dass die Banken sich ungern Geld leihen, da niemand weiss, wer wieviel risikobehaftete Wertpapiere trägt.


Im langfristigen Durchschnitt beträgt der TED-Spread 0,47 Prozent. US-Notenbankchef Ben Bernanke hat zuletzt der Überwindung der Finanzkrise die oberste Priorität eingeräumt und die Konjunkturrisiken erneut stärker betont. Der Libor ist der kurzfristige Zinssatz am Londoner Geldmarkt, zudem eine Bank einer anderen erstklassigen Bank kurzfristige Einlagen überlässt bzw. Kredite aufnimmt.

Freitag, 18. Juli 2008

Dow Jones in Festlaune: Grösster Kurssprung über zwei Sitzungen seit 2002

Positive Nachrichten aus dem Bankensektor (J.P.Morgan und Wells Fargo) und ein deutlich nachlassender Ölpreis (130 Dollar) haben dafür gesorgt, dass der Dow Jones Index für 30 Industriewerte am Mittwoch und Donnerstag um insgesamt 483 Punkte auf 11'447 zugelegt hat. Die beiden Banken haben zwar im II. Quartal Einnahmen- und Gewinnrückgang vermeldet. Aber die Zahlen waren besser als, was die Marktteilnehmer befürchtet hatten. Ist die Finanzkrise nun vorbei? Das ist die Frage, die jetzt zurecht gestellt wird.

Sucker’s Market

Ein näherer Blick auf die Marktdaten zeigt, dass die Finanzwerte in den vergangenen Wochen im Zuge der zunehmenden Spekulationen um weitere Zusammenbrüche in der Branche massiv leerverkauft worden sind. Angesichts der starken Kursverluste hat aber inzwischen die amerikanische Börsenaufsicht (SEC) angekündigt, neue Massnahmen gegen sog. Leerverkäufer („Short Seller“) zu ergreifen. Leerverkäufer sind Spekulanten, die auf fallende Aktienkurse wetten. Sie verkaufen geliehene Aktien in Erwartung, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen. Aus der Differenz ergibt sich dann ihr Gewinn. Nun sagt die SEC „rien ne va plus“ und will mit einer neuen Verordnung der gegenwärtigen Praxis einen Riegel vorschieben. Die Aufsichtsbehörde wird jetzt untersuchen, ob Leerverkäufer manipulative Informationen verbreitet haben, um eine allgemeine „Verkaufspanik“ auszulösen.

Fazit: Das Kursfeuerwerk in den vergangenen zwei Tagen ist darauf zurückzuführen, dass die Händler ihre Short-Positionen schliessen. Denn die Fundamentaldaten der Wirtschaft haben sich inzwischen kaum verbessert. Aktuell ist nach wie vor von einem Bärenmarkt auszugehen. In den USA nennt man diese Situation „Sucker’s Rally“. Das heisst nur ein kurzlebiger Kursaufschwung an der Börse. Kein Stimmungswandel.

Donnerstag, 17. Juli 2008

Türkische Zentralbank erhöht Leitzins um 50 Basispunkte auf 16,75%

Die türkische Zentralbank (CBT) hat heute ihren Leitzins (Tagesgeldeinlagensatz) um 50 Basispunkte auf 16,75% erhöht. Es ist bemerkenswert, dass die Währungshüter zugleich den Tagesgeldausleihesatz unverändert bei 20,25% belassen haben. Das ist ein Novum. Will die CBT damit ein Zeichen setzen, dass sie die Lage unter Kontrolle hat? Denn die Sätze im Geldmarkt notierten zuletzt deutlich über der bisherigen „borrowing rate“. Im Vergleich zum Vormonat hat die CBT in ihrem Statement den Inflationsausblick und die Wachstumsaussichten wie bisher beibehalten.


Inflationsentwicklung (Quelle: CBT)

Nur der Hinweis fällt auf, dass die Anpassungen im Elektrizitätstarif und der niedrige Basiseffekt des vergangenen Jahres zu einem signifikanten, aber vorübergehenden Anstieg der Inflationsrate im Juli führen dürften. Ansonsten betont die CBT, dass das aktuelle Zinsniveau für den Inflationsrückgang förderlich ist. Die Notenbank würde, wenn notwendig, eine weitere Zinserhöhung in Erwägung ziehen, um eventuelle Zweitrundeneffekte zu verhindern.

Fazit: Es ist davon auszugehen, dass die CBT bis Ende Jahr keine weitere Straffung des gelpolitischen Kurses vornehmen dürfte.





TürkeiZinssätze
Einlagen (borrowing rate)16,75%
Ausleihungen (lending rate)20,25%
Repo rate (open market operations)19,25%


1 $ = 1,2086 TRY
1 € = 1,9193 TRY
1 CHF = 1,1898 TRY

China: Wirtschaftszahlen zum ersten Halbjahr 2008

China hat heute die Wirtschaftszahlen für das erste Halbjahr veröffentlicht. Das Wirtschaftswachstum kühlte sich etwas ab. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im II. Quartal um 10,1% zu, nach einem Anstieg von 10,6% im I. Quartal. Laut Statistikbüro betrug das BIP-Wachstum im ersten Halbjahr 2008 10,4% und war damit um 1,8% niedriger als im Vorjahr. Die schnelle Yuan-Aufwertung, höhere Löhne und steigende Rohstoffkosten haben Chinas Wettbewerbsfähigkeit in der letzten Zeit etwas beeinträchtigt. Das Exportwachstum verlangsamte sich daher auf 21,9% in den ersten sechs Monates des Jahres. Im Vergleich: 25,7% im Vorjahr.

Der Konsumenten-Preisanstieg (CPI) lag mit 7,1% im Juni (Mai: 7,7%) im Rahmen der Erwartungen. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen um 20,4% und für Wohnungen um 6,9%an. Chinas Führung ist sichtlich bemüht, den Teuerungsdruck zu mildern. Der Mindestreservesatz für Geschäftsbanken wurde auf 17,5% angehoben, um den enormen Zufluss an Geldern aus Handel, ausländischen Direktinvestitionen und Anlegern unter Kontrolle zu halten. Die Zentralbank hat den Leitzins dieses Jahr deshalb nicht erhöht, um zu vermeiden, dass die chinesische Währung noch attraktiver für Investoren aus dem Ausland wird. Der Yuan hat sich gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn um 7% aufgewertet. Die chinesische Landeswährung gilt nach wie vor als unterbewertet. Ein Dollar kostet zur Zeit 6,8265 Yuan. Chinas Problem lauert jedoch anderswo. Die realen Kapitalkosten sind negativ. Der Zinssatz für einjährige Einlagen beträgt 4,14%. Der Satz für einjährige Ausleihungen liegt bei 7,47%. Beide Leitzinsen liegen deutlich unterhalb der Inflationsrate. Das bedeutet, dass der Realzins negativ ist. Das kreiert Asset Bubble (Spekulationsblase). Immobilienpreise boomen. Der exorbitante Kursanstieg der Aktien ist aber indes gestoppt. Der Shanghai-Aktienindex hat dieses Jahr rund 50% an Wert verloren.





ChinaZinssätze
Einlagen (1 year borrowing rate)4,14%
Ausleihungen (1 year lending rate)7,47%
Mindestreservesatz17,50%


Leerverkauf: US-Börsenaufsicht gegen Kursmanipulationen

Die US-Börsenaufsicht (SEC) will vor dem Hintergrund der zunehmenden Spekulationen um einen Zusammenbruch der beiden staatlich gesponsorten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac gegen Leerverkäufer vorgehen. Leerverkäufer ("short seller") sind Investoren, die auf fallende Aktienkurse wetten. Die Aktionen sind öfters von arglistigen Gerüchten begleitet, um Anlegervertrauen zu untergraben. Leerverkäufer sind daher an der Börse unbeliebt. Nun hat die SEC die Notbremse gezogen und ein Gesetz erlassen, wonach bis maximum Ende August Leerverkäufe von Aktien der 19 führenden Investmentbanken erschwert wird. Verkäufer müssen die Papiere vorher leihen und tatsächlich liefern. Ziel ist es, die Gemüter am Markt zu beruhigen.

Die anrollende Kreditmarktkrise hat mit der Pleite der Immobilienbank IndyMac ihren neuen dramatischen Höhepunkt erreicht. Das war der zweitgrösste Banken-Crash in der Geschichte der USA. Die SEC zieht daraus Konsequenzen und beschliesst, ihr Regelwerk zu verschärfen.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Inflation in den USA auf höchstem Niveau seit 1991

Die Inflationsrate hat sich im Juni in den USA im Vergleich zum Vormonat (Mai: 0,6%) fast verdoppelt. Der Konsumenten-Preisindex (CPI) ist um 1,1% gestiegen. Das bedeutet der stärkte monatliche Anstieg seit Juni 1982. Auf Jahresbasis legte die Inflation um 5,0% zu. Das ist der grösste Sprung seit 1991. Die Kernrate der Inflation (ohne Berücksichtigung der Nahrungsmittel- und Energiepreise) ist um 2,4% gestiegen. Grösster Preistreiber war Energie. Sie verteuerte sich von Monat zu Monat um 6,6%.

Die US-Notenbank (Fed) warnt seit geraumer Zeit vor Inflationsgefahr. Die amerikanischen Währungshüter bemühen sich verbal, die Inflationserwartungen mittelfristig zu verankern. Fed Chef Ben Bernanke betonte gestern, dass gegenwärtig keine Lohn-Preis-Spirale wie in den 1970er Jahren drohe. Die Stundenlöhne sind in den USA im Durchschnitt auf Jahresbasis um 3,4% gestiegen. Die Sorge vor neuen Bankpleiten und die Angst vor einem konjunkturellen Absturz verstärken die Baisse-Stimmung an den Aktienmärkten. Es gibt zur Zeit kein Anzeichen für eine nachhaltige Erholung der Börse in naher Zukunft.



US-InflationsdatenJuniy-t-y
Verbraucherpreise (CPI)1,1%5,0%
Kernrate0,3%2,4%





US-InflationsdatenJuniy-t-y
Erzeugerpreise (PPI)1,8%9,2%
Kernrate0,2%3,0%

Kreditmarktkrise: Keine Entwarnung - aktuelle Fed Prognose

Bei der Inflation überwiegt das „Aufwärtsrisiko“, beim Wachstum das “Abwärtsrisiko”. So lassen sich die Worte von Ben Bernanke, dem Chef der amerikanischen Notenbank (Fed) vor dem Bankenausschuss des Senats gestern zusammenfassen. Bernanke hat ein sonderlich düsteres Bild über den Zustand der US-Wirtschaft gezeichnet. Die oberste Priorität für die Fed habe die Zurückführung des Finanzmarktes zur Normalität. Der Anstieg von Energie- und Nahrungsmittelpreisen erhöhe Inflationsrisiken. Der Inflationsausblick sei ungewöhnlich ungewiss. Das laste auf Wachstum, sagte Bernanke.

Das einzig Positive in der Rede Bernankes: Die Fed erhöhte ihre Wachstumsprognose für 2008 von 0,3 bis 1,2% im April auf jetzt 1,0 bis 1,6%.

Fazit: Angst vor Stagflation im Markt dürfte nach Bernankes Rede neue Nahrung erhalten. Weitere Kursrückschläge sind daher nicht auszuschliessen. Das heisst, Aktien untergewichten, nicht neu einsteigen.


Fed-Prognose von Juni:





Variabel20082009
BIP1,0 bis 1,6%2,0 bis 2,8%
Arbeitslosigkeit5,5 bis 5,7%5,3 bis 5,8%
Inflation3,8 bis 4,2%2,0 bis 2,3%
Kern Inflation2,2 bis 2,4%2,0 bis 2,2%


Fed-Prognose von April:





Variabel20082009
BIP0,3 bis 1,2%2,0 bis 2,8%
Arbeitslosigkeit5,5 bis 5,7%5,2 bis 5,7%
Inflation3,1 bis 3,4%1,9 bis 2,3%
Kern Inflation2,2 bis 2,4%1,9 bis 2,1%

Montag, 14. Juli 2008

FDIC: Federal Deposit Insurance Corp.

Am Wochenende ist die kalifornische Hypothekenbank IndyMac aufgrund einer Liquiditätskrise zusammengebrochen und wurde von der US-Aufsichtsbehörde geschlossen. Sämtliche Geschäfte wurden an die staatliche Einlagensicherungsbehörde (FDIC) übertragen. Die FDIC, die im Jahre 1933 im Zuge der Grossen Depression durch Glass-Steagall Act zum Schutz der Kundengelder gegründet worden ist, deckt Guthaben bis zu 100'000 je Anleger ab. Die Verluste aus der Pleite werden auf bis zu 8 Mrd. Dollar geschätzt.

Das Volumen von Privathypotheken auf dem amerikanischen Immobilienmarkt beläuft sich auf ca. 12’000 Mrd. Dollar. Rund die Hälfte davon befindet sich im Portfolio von Fannie Mae und Freddie Mac. Die beiden Hypothekenfinanzierer garantieren also 5'000 Mrd. Dollar an Hypotheken. Sinkende Hauspreise bedeuten grössere Ausfallrisiken. Das führt dazu, dass der Marktwert der Hypotheken in den Büchern von Fannie Mae und Freddie Mac abnimmt. Der Druck, der daraus entsteht, schickt den Aktienkurs der beiden staatlich gesponsorten Unternehmen weiter in den Keller. Sollten die Aufsichtsbehörden eine Unterkapitalisierung einer der beiden Hypothekenfinanzierer feststellen, könnten Fannie und Freddie gemäss eines Gesetzes vom 1992 in eine „Conservatorship“ (eine Art Zwangverwaltung) gesteckt werden. Ein „Conservator“ hätte die Macht, gründlich aufzuräumen. Dieser hat aber kein Recht, die beiden GSEs zu schliessen.

Sonntag, 13. Juli 2008

Kreditkrise: TED-Spread weitet sich erneut aus

Die amerikanische Immobilienkrise nimmt allmählich dramatische Ausmasse an. In der Nacht zum Samstag wurde bekannt, dass die kalifornische Hypothekenbank IndyMac zusammenbrach. Schadenhöhe beträgt nach Einschätzung der Experten von bis zu 8 Mrd. Dollar. Das ist der grösste Banken-Crash in den USA seit 1984. Die Pleite lässt jetzt Befürchtungen aufkommen, dass Fannie Mae und Freddie Mac kurz davor stehen, verstaatlicht zu werden.

Prämien für Kreditversicherungen steigen

Der sog US-TED Spread gilt als Indikator für das Risikomass am Interbankenmarkt. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen dem 3-Monats-Libor ($) und der Rendite der 3-Monats-US-Schatzwechsel. Vor Weihnachten stieg die Differenz bis auf 2,21 Prozentpunkte. Nach einer konzertierten Intervention der führenden Zentralbanken (Fed, EZB, BoE, SNB usw.) fiel der Aufschlag Ende Dezember auf 2,07% zurück. Im Januar sank die Differenz weiter. Nach dem der Spread diese Woche auf 0,95% schrumpfte, schnellte er zum Wochenschluss im Bann der zunehmenden Spekulationen um einen Zusammenbruch von Fannei Mae und Freddie Mac wieder auf 1,221% hoch. Im langfristigen Durchschnitt beträgt der Spread rund 45 Basispunkte. Der kräftige Anstieg des Aufschlags deutet darauf hin, dass die Banken sich ungern Geld leihen, da niemand weiss, wer wieviel risikobehaftete Wertpapiere trägt. Das Misstrauen zeigt sich ferner daran, dass die Prämien für Kreditversicherungen erneut drastisch steigen.

Samstag, 12. Juli 2008

GSEs: Government Sponsored Enterprises

Staatlich gegründete Finanzdienstleistungsunternehmen werden in den USA GSEs genannt. Sie haben die Aufgabe, für den Kreditzufluss in den entsprechenden Sektoren der Wirtschaft zu sorgen. Das erste GSE wurde vom US-Kongress im Jahre 1916 mit der Gründung von Farm Credit System auf die Beine gestellt. Weitere Beispiele: Federal Home Loan Bank, Fannie Mae und Freddie Mac. Es handelt sich dabei um privatrechtliche Unternehmen, welche vom Staat ins Leben gerufen wurden. Sie tragen aber keine explizite Staatsgarantie. Zielgruppen sind Hausbesitzer, Studenten und Bauer.

In der amerikanischen Presse werden die beiden Hypothekenfinanzierer zur Zeit im Zusammenhang mit der Kreditkrise kurz „GSEs“ genannt. Fannie Mae und Freddie Mac haben die Aufgabe, Liquidität für Hypotheken zur Verfügung zu stellen. Die beiden Institutionen arbeiten aufgrund des Prinzips der „Verbriefung“. Sie kaufen Hypotheken auf und geben Mortgage Backed Securities (MBS) aus. MBS sind durch Hypotheken abgesicherte Wertpapiere. Der MBS-Mechanismus sorgt für ausreichende Liquidität am Hypothekenmarkt, und zwar unabhängig von der Entwicklung am Bankensektor.

Freitag, 11. Juli 2008

DAX fällt auf Jahrestief

Am deutschen Aktienmarkt ging es auch heute abwärts. Der DAX gab zum Wochenschluss 151 Punkte (-2,41%) ab und schloss am Jahrestief (6'153 Punkte), nachdem dieser zuvor bei 6'139 Punkten das niedrigste Niveau seit Oktober 2002 erreicht hatte. Noch am 13. Juli 2007 notierte der Leitindex auf 8'151 Punkten. Damit hat das deutsche Börsenbarometer im Jahresvergleich rund 2'000 Punkte verloren.

Anhaltende Kreditmarktkrise, Öl-Hausse und steigende Inflation verstärken die Baisse-Stimmung. Nun rollt der Bärenmarkt heimtückisch an. In diesem widrigen Marktumfeld sind Anleger gut beraten, sich vor Aktionismus zu wahren. Das Gebot der Stunde: vorerst Barmittel behalten.

Fannie Mae und Freddie Mac: US-Hypothekenfinanzierer in höchster Not

Fannie Mae und Freddie Mac sind zwei staatlich geförderten amerikanischen Immobilienfinanzierer, die jetzt vom Zusammenbruch bedroht sind. Durch die Kreditkrise sind sie unter erheblichen Druck geraten. Die Aktien beider Unternehmen werden an der New York Stock Exchange gehandelt. Die Papiere haben in den vergangenen 12 Monaten jeweils um rund 72% an Wert verloren. Der frühere Präsident der Fed von St. Louis, William Poole sagte gestern in einem Interview, dass die beiden Hypothekenfinanzierer so gut wie zahlungsunfähig sind. Eine staatliche Rettung, die er ablehne, werde immer wahrscheinlicher, bemerkte Poole. Fannie Mae und Freddie Mac besitzen (garantieren) ein Hypothekenportfolio von rund 4’500 Mrd. Dollar. Das entspricht rund der Hälfte aller Hypothekendarlehen in den USA.

Die steigende Anzahl von Zwangvollstreckungen und fallende Hauspreise lassen befürchten, dass die Verluste der beiden Gesellschaften weiter zunehmen dürfte. Fannie Mae hat im ersten Quartal 2,51 Mrd. Dollar verloren. Bereits Ende 2007 hatte das Unternehmen einen Rekordverlust von 3,6 Mrd. Dollar verbucht. Freddie Mac hat zwar „nur“ einen Verlust von 151 Mio. Dollar im ersten Quartal gemeldet, aber zugleich eine Kapitalerhöhung um 5,5 Mrd. Dollar angekündigt.

Fannie Mae: Federal National Mortgage Association.

Fannie Mae wurde im Jahre 1938 von der Roosevelt-Administration gegründet. Grund: im Zuge der Grossen Depression Anfang der 30er Jahren hatten viele Menschen ihr Eigentum verloren. Der Staat beauftragte daher Fannie Mae, als Vertragspartner für Hypothekenbanken für Liquidität im Hypothekenmarkt zu sorgen. Fannie Mae kaufte Hypothekenbanken die Kredite ab, und refinanzierte sich am Kapitalmarkt. Im Jahre 1968 wurde Fannie Mae privatisiert, allerdings unter staatlichem Schutz.

Freddie Mac: Federal Home Loan Mortgage Corporation.

Freddie Mac wurde 1968 im Zuge der Privatisierung von Fannie Mae gegründet, um einen Konkurrenten zu schaffen. Die beiden Unternehmen unterstützen den amerikanischen Hypothekenmarkt, indem sie Hypotheken, die bestimmte Kriterien erfüllen, aufkaufen und in Wertpapiere umwandeln, die dann im Markt gehandelt werden. Das heisst, dass Fannie und Freddie Garantien für hypothekenbesicherte Anleihen (RMBS: Residential Mortgage Backed Securities) geben. Auf diese Weise wird die Kreditvergabe an Hauskäufer erleichtert. Desweiteren emittieren die beiden Gesellschaften selber festverzinsliche Wertpapiere.

Ofheo: Office of Federal Housing Enterprise Oversight.
Die Aufsichtsbehörde von Fannie und Freddie. Die Ofheo legt seit 1992 die Eigenkapitalstandards fest und überprüft die Bilanzen von beiden Unternehmen.

Kreditmarktkrise: Steuerzahler müssen blechen

Die Finanzbranche leidet unter erheblichem Stress. Schreckensmeldungen im Zusammenhang mit der Kreditmarktkrise reissen nicht ab. Die US-Notenbank (Fed) sah sich diese Woche gezwungen, ihre Bereitschaft zur Verlängerung der im März gestarteten Kreditvergabe an die Wall Street Investmentbanken auch für das kommende Jahr zu verkünden. Fed-Chef Ben Bernanke betont, dass die Notenbank sich zur Finanzstabilität nachhaltig bekennt.

Folgen der Rettungsaktionen der US-Notenbank

Die Fed als „lender of last resort“ bemüht sich redlich, die fatalen Folgen der grössten Kreditmarktblase auf die reale Wirtschaft zu lindern. Die amerikanische Notenbank hat in diesem Zusammenhang ihren Leitzins gesenkt und ihr Diskontfenster für die Investmentbanken geöffnet. Dann hat sie eine Reihe von neuen Fazilitäten eingeführt. Term Auction Facility (TAF), Term Securities Lending Facility (TSLF) und Primary Dealer Credit Facility (PDCF). Die Fed hat darüberhinaus die Übernahme von Bear Stearns, der 5. grössten US-Investmentbank durch J.P. Morgan, die 3. grösste US-Bank mit 30 Mrd. Dollar abgesichert („bail-out“). Fed’s Rettungsaktion verdeutlicht die Dramatik der prekären Lage in aller Offenheit. Nun werden 12 Monate nach dem Ausbruch der Krise die Konsequenzen augenfällig: 1) Inflation und 2) „Moral-Hazard“-Situation. Zum ersten Problem: Die Fed hat den Leitzins seit dem letzten Sommer insgesamt um 325 Basispunkte (3,25%) gesenkt. Die Krise mündete jedoch in einer expansiven Geldpolitik. Angesichts der beharrlich steigenden Inflationsrate hat Bernanke nun das Ende des Zinssenkungszyklus angekündigt. Die US-Notenbank (Fed) konzentriert sich jetzt stärker auf die Bekämpfung der Inflation als das Wachstum, da die Notenbanker befürchten, dass die hohe Teuerung auf die Inflationserwartungen durchschlägt. Die amerikanischen Währungshüter wollen mittelfristige Inflationserwartungen fest verankert wissen. Das Dilemma: im Abschwung Zinsen zu erhöhen, würde die Konjunktur abwürgen. Zum zweiten Problem: „Moral-Hazard“ ist die Herausforderung schlechthin sowohl für die Notenbank als auch für die Aufsichtsbehörden. Was muss nun getan werden, um zu verhindern, dass aus dem Moral-Hazard-Fall ein Anlass für die nächste Krise entsteht? Das Moral-Hazard-Problem liegt vor, wenn Finanzinstitutionen und Investoren höhere Risiken eingehen als sonst, weil sie erwarten, dass die Notenbank eingreifen würde, um die Krise zu bewenden. Das aktuelle Beispiel: die Liquiditätskrise der amerikanischen Immobilienfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae. Der Kapitalbedarf der beiden Hypothekenfinanzierer hat solche Ausmasse angenommen, dass selbst eine Übernahme durch Washington nicht ausgeschlossen sei, schreibt The New York Times. Der ehemalige Fed-Gouverneur William Poole hat die halbstaatlichen Unternehmen gestern in einem Interview als faktisch insolvent bezeichnet. „Too big to fail“, sind die Hypothekenfinanzierer zu gross, um fehlzuschlagen? Am Ende muss also Steuerzahler wieder blechen.

Groundswell. Winning in a world transformed by Social Technologies.

Buchbesprechung:

Charlene Li & Josh Bernoff: groundswell. winning in a world transformed by social technologies. Harvard Business Press, Boston, Massachusetts, 2008.


Das ist ein brandneues Buch zum Thema “Sozial-Trend”, der sich im Zeitalter des Internets unheimlich schnell entwickelt hat und beharrlich weiter ausbaut. Es handelt sich dabei um „social networking sites“ (SNS). MySpace, Facebook, MSN Messenger, LinkedIn, Google’s orkut, Blogs u.v.m. Die dynamischen Wurzeln des „sozial networking“ gehen jedoch auf MySpace, eBay, Linux usw. zurück. Menschen benutzen technologische Errungenschaften, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen, ohne allerdings unternehmerische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Autoren, beide Analysten bei Forrester Research, nennen diesen Trend „groundswell“, der in der Tat keine Alltagsfliege ist.

Das Phänomen „groundswell“ ist durch das Zusammentreffen von Menschen, Technologie und Wirtschaft entstanden. Menschen sind voneinander abhängig und beziehen auf diese Weise auch Kraft voneinander. Gemeinsam ist allen die Eigenschaft, dass sie sich gegen institutionelle Macht auflehnen. Man denke bloss an Arbeiterbewegungen und politische Revolutionen. Der Wunsch des Menschen, Verbindungen aufzunehmen im Zusammenhang mit neuen interaktiven Technologien und „online economics“ hat nach Auffassung der beiden Marktforschern eine neue Ära eingeläutet. Das „groundwell“ ist aber nicht nur realexistierend, sondern es stellt eine unglaubliche Herausforderung für Unternehmen dar. Denn das „groundswell“ untergräbt und schwächt die Kontrolle, die Unternehmen gern über Markt auszuüben trachten, ab. Unzufriedene Kunden platzieren z.B. Videos on YouTube oder sie veröffentlichen ihre eigenen Kommentare zum Logo eines Unternehmens, was nicht unbedingt im Einklang mit der PR-Kampagne des betreffenden Unternehmens stehen muss. Vor allem Business-to-Business Unternehmen sind deswegen von „groundswell“ mächtig bedroht. Das Buch zeigt im ersten Teil auf, wie das „groundswell“ zu verstehen ist. Im zweiten Teil wird mit konkreten Fallstudien aus der Praxis erläutert, wie das „groundswell“ anzuzapfen ist. Der dritte Teil beschreibt konkret, wie die Transformation von „groundswell“ in Unternehmensstrategien erfolgen soll. Das heisst, wie dieser Sozial-Trend zum eigenen Vorteil (aus Sicht des Unternehmens) genutzt werden kann. Das Buch ist keine Lobhudelei an Web 2.0, sondern gibt wertvolle Denkanstösse und eine konkrete Anleitung zu Strategieentwicklung für Unternehmen im Zuge des Social Trends.

Cezmi Dispinar

*erschienen in der Ausgabe 200 von 11. Juli 2008

Mittwoch, 9. Juli 2008

Overnight Indexed Swap (OIS): Stress-Indikator für Finanzmärkte

Amerikas Notenbank-Chef Ben Bernanke hat gestern in Aussicht gestellt, dem Bankensystem weiter unter die Arme zu greifen. Die Fed will die Investmentbanken auch 2009 mit Notkrediten unterstützen. Bernanke sprach sich dafür aus, das Diskontfenster auch im kommenden Jahr für die Primär-Händler an der Wall Street zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung ist, dass die Refinanzierungsmöglichkeiten so angespannt bleiben. Fed-Chef setzt sich zugleich dafür ein, dass die Regulierung der Branche verschärft wird. Ein wichtiger Indikator, den die US-Notenbank zur Stress-Messung an den Finanzmärkten aufmerksam beobachtet, ist Differenz zwischen der „Overnight Indexed Swap Rate“ und der „3-Monats Dollar-Libor“. Dieser Spread ist nun auf 0,74% gestiegen. Vor einem Monat notierte die Differenz noch rund 0,64%.

Ein Anstieg bedeutet Zunahme der Spannungen am Geldmarkt. Grund: fehlende Liquidität. Alan Greenspan, der ehemalige US-Notenbankpräsident sagte kürzlich, dass die Lücke zwischen dem 3-Monats-Libor und dem OIS-Satz ein Mittel sei, um das Ausmass der Finanzmarktkrise zu messen. Ein Rückgang der Differenz auf 25 Basispunkte würde seiner Meinung nach auf das Ende der Krise hindeuten. Unter gewöhnlichen Bedingungen beträgt dieser Spread ein Dutzend Basispunkte. Im Durchschnitt betrug der Spread in den vergangenen fünf Jahren rund 19Basispunkte.

Overnight Indexed Swap Rate: Ein Mass, das die Erwartungen der Händler im Hinblick auf die Fed Funds Rate (Leitzins) zeigt. Mit anderen Worten handelt es sich dabei um ein Zinsderivat, bei dem ein Festzins gegen einen Referenzzins (i.d.R. variabel) getauscht wird.

3-Monats-Libor US-Dollar: Der täglich festgelegte Referenzzinssatz, zu dem sich Banken im Interbankengeschäft Gelder aufnehmen.

Hedge Funds: Die schlechteste Halbjahresperformance seit 20 Jahren

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte heute davor, dass der Höhepunkt der Finanzkrise noch nicht erreicht ist. Gerüchte und Spekulationen reissen derzeit nicht ab, dass viele Banken möglicherweise zu Kapitalerhöhungen gezwungen sind. Die Sorgen über den Fortgang der Krise nehmen daher nicht ab. Kein Wunder, dass die führenden Aktienindizes im Bann der Kreditmarktkrise in der ersten Jahreshälfte massiv an Wert verloren haben. Der breitgefasste S&P-500 Aktien-Index ist allein im Juni um 8,6% abgesackt. Der drastische Rückgang bedeutet der schlechteste Börsenmonat seit 1930 (-16,5%). Aber auch die Hedge Funds haben im Juni im Durchschnitt 0,7% an Wert eingebüsst. Die Performance im ersten Halbjahr beträgt laut Hedge Funds Research Minus 0,75%. Das entspricht der schlechtesten Wertentwicklung seit 1990.

Die Hedge Funds-Branche hat heute ein Volumen von 1'900 Mrd. Dollar erreicht. Im ersten Quartal 2008 sind den Hedge Funds netto 16,5 Mrd. Dollar zugeflossen. Das ist deutlich weniger als im IV. Quartal 2007 (30,4 Mrd. Dollar). Investoren sind weniger bereit, Risiken einzugehen.

Dienstag, 8. Juli 2008

Credit Default Swaps: Die Büchse der Pandora?

Die Credit Default Swaps (CDS) in der Bilanz bringen Kummer und Sorgen. Vor allem für die Aufsichtsbehörden am Finanzmarkt. Es liegt auf der Hand, dass die Risikomessung in der anrollenden Kreditkrise versagt hat. Daher steht die Frage, wie der bisherige Regulierungsansatz korrigiert und ergänzt werden soll, im Mittelpunkt der Überlegungen, welche die Aufsichtsbehörden zur Zeit anstellen. Es ist nicht nur unklar, welche Finanzinstitute inwiefern von Verlusten im Geschäft mit verbrieften Subprime-Hypotheken und den strukturierten Produkten betroffen sind, sondern es existiert zugleich ein Gegenparteirisiko für ungesicherte Geldmarktgeschäfte. Das beeinträchtigt das Funktionieren des Marktes erheblich. Die US-Notenbank (Fed) ist deshalb sichtlich besorgt, wie sie heute hat verlautbaren lassen.

Das Financial Accounting Standards Board (FASB) , die privatrechtlich organisierte US-Behörde beabsichtigt, im Herbst eine neue Regelung einzuführen. Es handelt sich dabei um eine Offenlegungspflicht für Unternehmen, die CDS verkaufen. Finanzinstitute würden demnach verpflichtet, ab Herbst die CDS in ihren Bilanzen aufzulisten. Das FASB erlässt in den USA Rechnungslegungsstandards. Der Wert von Credit Default Swaps, die ausstehen, hat laut Bank of International Settlements (BIS) mittlerweile ein Volumen von 2'000 Mrd. Dollar erreicht. Der Kreditderivatemarkt hingegen hat derzeit einen Wert (in Fachkreisen heisst es „notional amount“) von mehr als 62'000 Mrd. Dollar. Für das FASB ist es daher keine leichte Aufgabe, eine Anzeigepflicht für Swaps („swap disclosure“) durchzusetzen. Bisher gilt es so, dass der Käufer eines CDS, also derjenige, der sich gegen Zahlungsausfallrisiko versichert, sich offenlegen muss, falls er den Basiswert besitzt. Ein Beispiel: Wenn eine Bank einen Kredit an einen Textilhändler verleiht und gleichzeitig ihr Risiko im Textilsektor reduzieren möchte, lässt sie ein CDS kreieren. Das heisst, die Bank will sich gegen einen Zahlungsausfall der Textilfirma versichern. Deshalb zahlt die Bank vierteljährlich eine Prämie an denjenigen, der das Risiko übernimmt. Falls die Textilfirma ihren Kredit nicht zurückzahlen kann, erhält die Bank dafür eine vereinbarte Summe vom Verkäufer des CDS als Entschädigung. Wichtig ist dabei, sich zu vergegenwärtigen, dass die Textilfirma kein Partner in diesem Swap-Deal ist, obwohl „ihre“ Anleihe als Referenzwert dient. Nun zurück zu der neuen Regelung des FASB. Falls aber der Käufer eines CDS nicht im Besitze des Referenzwertes ist, hat er keine Offenlegungspflicht, weil der gekaufte Schutz (Versicherung) gegen den Zahlungsausfall in diesem Fall als Derivate gilt. CDS sind eigentlich Derivate. Das FASB will nun, wie zuletzt The New York Times ausführlich berichtete, diese Wirniss aufheben. Das Ziel ist also mehr Transparenz. Es bedarf im allgemeinen einer Standardisierung und strengerer Aufsicht für CDS im Markt.

Montag, 7. Juli 2008

Schweizer Inflationsrate

Die Inflation ist in der Schweiz im Juni 2,9% zum Vorjahr gestiegen. Die Jahresteuerung ist gleich wie im Mai ausgefallen. Den grössten Beitrag zum Anstieg der Konsumentenpreise haben erneut die Energie und Nahrungsmittel geliefert. Erdölprodukte, die eine Gewichtung von 4,7% im Inflationswarenkorb haben, haben sich um 33% verteuert. Ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise hätte die Inflation im Juni nur 1,5% betragen.

Die Schweizer Nationalbank (SNB) rechnet damit, dass die Inflationsrate bereits 2009 wieder unter die Marke von 2% zu liegen kommt. Sie hält eine vorsichtige Haltung für angebracht und will den geldpolitischen Kurs unter den gegebenen Umständen nicht ändern, da „verschiedene Unsicherheiten“ bestehen. Diese betreffen die Weltkonjunktur und die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise. Die Schweizer Währungshüter wollen wachsam bleiben. Da 1) ein erneuter Energiepreisanstieg, 2) eine über Erwarten kräftige Konjunktur, 3) ein schwächerer Franken und 4) eine Erhöhung der Inflationserwartungen die mittelfristige Preisstabilität bedrohen.




SNB Prognose200820092010
BIP1,5% bis 2,0%k.A.k.A.
Inflation2,70%*1,70%1,30%

*) in der Prognose vom 19. Juni nach oben korrigiert.

Sonntag, 6. Juli 2008

Aktienmärkte: Das misslungene Halbjahr

Die Stimmung an den Aktienmärkten ist zur Zeit sehr schlecht. Die Gewinnerwartungen für die im S&P-500 Index erfassten Unternehmen fallen. Analysten rechnen nun für das II. Quartal im Durchschnitt mit einem Gewinnrückgang um 11,3% gegenüber dem Vorjahr. Das wäre das erste Mal seit 2002, berichtet Thomson Reuters, der erfahrene Finanzinformationsdienst. Da die Gewinnentwicklung von Unternehmen für den künftigen Verlauf der Aktienkurse entscheidend ist, sind Anleger gut beraten, vorsichtig zu agieren. Vor allem Werte aus der Finanzbranche sind um jeden Preis zu meiden. Allem Anschein nach dürften die Folgen der Kreditmarktkrise und die Entwicklung des Ölpreises das dominierende Thema auch im zweiten Halbjahr bleiben.

Vertrauensverlust

Es ist heute nicht mehr relevant, darüber zu diskutieren, ob die USA in einer Rezession stecken. Definition her, Definition hin. Viel wichtiger ist das Sentiment („gefühlte Rezession“). Da gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Verbraucher sich zurückhalten. Auf Konsum lasten erstens der anhaltende Preisverfallprozess im Häusermarkt und zweitens der steigende Benzinpreis. Der Privatkonsum macht in den USA ein Drittel der Wirtschaftsleistung aus. Bevor der Immobilienmarkt sich wieder stabilisiert und die Risikoaufschläge (spreads) sich am Geldmarkt zurückbilden, ist eine nachhaltige Erholung der Märkte nicht zu erwarten.

Finanzmarkt nach wie vor im Bann der Krise

Was an der gegenwärtigen Krise neu ist, ist die Rückkopplung zwischen dem Finanzsystem und der realen Wirtschaft. In der Vergangenheit war es so, dass der Markt für Vermögenswerte erst nach einem Abschwung der Wirtschaft in Stress geriet. Nun hat die Krise ihren Ursprung im Finanzsystem via Häusermarkt. Von dort wirkt sie auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt aus. Die Folgen lassen sich daher nicht leicht quantifizieren. Es ist aus diesem Grund schwer zu glauben, dass die negativen Nachrichten in den Aktienkursen eingeschlossen sind. Die konjunkturelle Abkühlung, die steigende Inflation und die Entwicklung des Ölpreises dürften das Börsenumfeld auch in der zweiten Jahreshälfte mitprägen. Welche Einflüsse dieses ungünstige Gemisch auf die Ertragsaussichten von Unternehmen hat, zeigt sich daran, dass die Analysten ihre Prognosen für Firmengewinne auch in Europa nach unten revidieren. Es ist deshalb zur Zeit ratsam, den Aktienanteil auf ein Minimum zu reduzieren.







Index1. Halbjahr 2008II. Q. 2008
SMI-19.27%-5.19%
DAX-20.40%-1.77%
MDAX-8.40%2.82%
S&P 500-12.80%-3.22%
Dow Jones-14.40%-7.44

Freitag, 4. Juli 2008

EZB-Sitzung von 3. Juli

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erstmals seit Juni 2007 ihren Leitzins erhöht. Der massgebliche Satz wurde trotz lauter Kritik seitens Regierungschefs und Gewerkschaften um 25 Basispunkte auf 4,25% angehoben. Doch hatten die Marktaktuere angesichts der steigenden Inflationsrate mit diesem Schritt gerechnet, zumal EZB-Chef Jean-Claude Trichet vor einem Monat eine Zinserhöhung klipp und klar angedeutet hatte. Nun sagte Trichet, dass die Inflation die Sorge Nummer eins der Bürger Europas ist. Die spannende Frage ist aber, ob weitere Zinsschritte folgen. EZB-Chef war bemüht, sich im Hinblick auf die künftige geldpolitische Neigung nicht festzulegen. „Wir werden tun, was notwendig ist, um die Kaufkraft zu wahren. Die Bürger können uns vertrauen“, bemerkte er lapidar.

Auswirkungen:

Der Dax, der vor dem EZB-Entscheid im Minus lag, fiel weiter zurück. Der Euro sank von 1,5883 auf 1,5766. Auch die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen notierte tiefer. Sie ging von 4,66% zuvor auf 4,6150% zurück. Die Dollar-Aufwertung führte zu Gewinnmitnahmen bei Edelmetallen. Der Goldpreis gab um 10 Dollar auf 934 Dollar je Unze nach.

Fazit: Obwohl der Ausblick der EZB in bezug auf das Wirtschaftswachstum und die Inflation so belassen wurde wie in der Erklärung vom Juni, bemühte sich Trichet sichtlich darum, keine Anzeichen für den künftigen geldpolitischen Kurs erkennen zu lassen. Der EZB-Rat befürchtet das Aufflammen von sog. „Zweitrunden-Effekten“. Nichts deutet aber derzeit auf eine Lohn-Preis-Spirale hin. Die Produktivität ist im Euro-Raum zuletzt um 1% gestiegen. Die Arbeitskosten legten nach Angaben der EZB um 2,5% zu. Daraus kann kein Lohndruck entstehen. Höhere Zinsen verteuern Kredite und dämpfen das Wirtschaftswachstum. Die EZB läuft Gefahr, die Konjunktur abzuwürgen. Die Unternehmen sehen sich steigenden Kosten gegenüber, die sie nicht an die Verbraucher weitergeben können, da die Nachfrage sich abschwächt. Werden Sachinvestitionen davon betroffen, würde bald auch der Arbeitsmarkt in Stress geraten.

Donnerstag, 3. Juli 2008

Island: Zentralbank belässt Leitzins bei 15,5%

Die isländische Notenbank hat heute ihren Leitzins unverändert bei 15,5% belassen. Die Inflation sei im Zuge der Abwertung der isländischen Krone in den ersten Monaten des laufenden Jahres kräftig gestiegen und notiere jetzt oberhalb der Prognose der Notenbank von April. Die isländischen Notenbanker erwarten, dass die Inflation bis ins nächste Jahr hinein hoch verlaufen, aber dann rasch wieder zurückfallen wird. Eine Lockerung des Leitzinses sei nun zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen als im April vorausgeplant. Das werde die Inflation wieder ins Ziel bringen. Für die nächsten zwei Jahre ist jedoch von einem beträchtlichen Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auszugehen. Die nächste Sitzung der Zentralbank (Sedlabanki) findet am 11. September statt.

Island ist als erstes Land der Welt, das der Kreditmarktkrise zum Opfer fiel, in die Schlagzeilen geraten. Die Landeswährung hat sich gegenüber dem Euro in den vergangenen zwölf Monaten um 50 Prozent abgewertet. Allein in diesem Jahr hat die Krone 27% an Wert verloren. Der Gegenwert für einen Euro beträgt heute 124,40 Kronen. Die Regierung in Reykjavik beschuldigte im vergangenen Monat die HedgeFonds, gezielt auf eine Abwertung der Krone spekuliert zu haben. Die Inflation stieg im vergangenen Monat auf 12,7% und die Zentralbank hat die Zinsen drastisch auf 15,5% angehoben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 3,7% eingeschrumpft. Gemäss Schätzungen der Notenbank wird das Wirtschaftswachstum 2008 um 2,5% abnehmen. Das wäre die erste Kontraktion seit 1992.

Die isländischen Banken galten aufgrund ihrer aggressiven Kreditpolitik als Gewinner der Globalisierung. Die Vermögenswerte der drei grössten Banken (Glitnir, Kaupthing und Landsbanki) sind neun mal so hoch wie die gesamte Wirtschaftsleistung des Inselstaates. Der Kleinstaat mit 310'000 Einwohnern erhielt im Juni einen Not-Kredit von den Zentralbanken Dänemarks, Schwedens und Norwegens. Damit verfügt die Sedlabanki jetzt über Devisenreserven von insgesamt 3,5 Mrd. Euro.

Generale fallen: Aktien von GM und GE purzeln ab

Die Aktie von General Motors (GM,10,12$) ist am Mittwoch um 15% auf 9,98% eingestürzt. Das markierte den niedrigsten Stand seit September 1954. Die Absatzzahlen auf dem amerikanischen Automarkt sind so niedrig wie zuletzt vor 25 Jahren. Der Analyst einer renommierten US-Investmentbank schreibt in einer Studie schwarz auf weiss, dass dem Autokonzern sogar die Insolvenz droht. GM brauche rund 15 Mrd. Dollar frisches Kapital. Allein in den vergangenen 12 Monaten hat die Aktie 74% an Wert verloren.

Bemerkenswert ist, dass auch die Ratingagentur S&P am selben Tag angekündigt hat, die Kreditwürdigkeit der drei grossen amerikanischen Autohersteller herabzustufen. Die Möglichkeit besteht, da ein weiterer Rückgang der Absatzzahlen in der Branche nicht auszuschliessen ist. Belastend wirken 1) der hohe Benzinpreis, 2) das schwindende Verbrauchervertrauen und 3) die Folgen der Kreditmarktkrise. Im ersten Halbjahr ist der Markt in den USA um 10% auf 7,5 Mio. verkaufte Autos geschrumpft.

Am 11. April traf es die Aktie von General Electric (GE,26,91$) besonders stark. Nach der Gewinnwarnung des Konzerns mit Firmensitz in Connecticut brach der Titel mit 13% ein. Noch nie in der Geschichte hatte die GE-Aktie an einem Handelstag soviel an Wert verloren. Über 360 Mio. GE-Aktien wechselten die Hand innerhalb eines Tages. In der Regel sind es ein Fünftel dessen, was an einem Handelstag getradet wird. Der amerikanische Mischkonzern gilt wegen seiner geographisch stark diversifizierten und vielfältigen Sparten als Indikator für die konjunkturelle Entwicklung in den USA. Marktbeobachter sahen in den enttäuschenden Quartalsdaten von GE eine Bestätigung der viel befürchteten Rezession. Als Hauptgrund für die miserable Gewinnentwicklung nannte GE die Finanzsparte. Die Spannungen am Kapitalmarkt hätten es dem Unternehmen erschwert, Vermögenswerte zu verkaufen, teilte das Management mit. Die Aktie verlor 27% in den ersten sechs Monaten des Jahres.

Die dritte Ölkrise?

Die Preisspirale für Öl dreht sich weiter nach oben. Im asiatischen Handel ist der Preis für ein Barrel Öl erstmals über 145 Dolar geklettert. Nach den Ölkrisen in den Siebzigern und Achtzigern lässt sich heute angesichts des beharrlichen Preisanstiegs mit Fug und Recht behaupten, dass es nicht übertrieben wäre, gegenwärtig von einem dritten Ölschock zu reden. Auf dem Weltölkongress in Madrid habe IEA-Direktor tatsächlich davon gesprochen, berichtet Handelsblatt. Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) werde Öl noch knapper werden. Deshalb rechnen die Protagonisten der IEA nicht mit einer schnellen Entspannung der Lage.

Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) für die Lieferung August stieg heute auf bis zu 144,94 Dollar.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Peak-Oil Theorie

Der Rohölpreis ist seit Jahresbeginn um 50% gestiegen. Am Montag hat ein Fass Öl in der Spitze etwas mehr als 143 Dollar gekostet. Es wird nun heftig diskutiert, welche Rolle u.a. die Spekulation dabei spielt. Marktakteure, welche der Peak-Oil Theorie folgen, vertreten die Ansicht, dass das Öl knapp wird. Die Rede ist von der weltweiten Verfügbarkeit des Rohöls. Erreicht die Förderrate eines Ölfeldes ihr absolutes Maximum, spricht man von Ölfördermaximum. Das ist der Zeitpunkt, wenn die Hälfte des förderbaren Öls gefördert wurde.

Dieser Zeitpunkt lässt sich aber nicht exakt voraussagen. Dieser Theorie nach geht also das Erdöl zur Neige. Da in den vergangenen Jahren kaum nennenswerte Ölvorkommen gefunden worden sind, nehmen die Verfechter dieser Sichtweise an, dass die Ressourcen ausgeschöpft sind und der Preis bei zunehmender Nachfrage steigen muss.

iTraxx Indizes: Fieberkurve der Finanzmärkte

Die Aussicht auf konjunkturelle Flaute und die Angst vor höheren Zinsen halten die Finanzmärkte in Atem. Die Gerüchte über ein schwaches Quartalergebnis und Spekulationen um weiteren Kapitalbedarf von Banken belasten die Stimmung der Anleger weiter. Ablesen lässt sich diese Entwicklung am iTraxx Europe Index, der die Kreditwürdigkeit von 125 europäischen Unternehmen misst. Der i-Traxx Europe ist nämlich wieder über die Marke von 100 Basispunkten gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Mitte April.

Das bedeutet, dass die Versicherungsprämie für einen Ausfall von Anleihen im Wert von 10 Mio. Euro im iTraxx Index 100'000 Euro beträgt. Der iTraxx Index ist der wichtigste CDS-Index in Europa. Credit Default Swaps (CDS) werden nicht an der Börse gehandelt. Es handelt sich dabei um „over-the-counter“-Vereinbarungen zwischen zwei Vertragsparteien. Der Handel findet direkt von Bank zu Bank zumeist per Telefon statt. Der Kreditmarkt ist nämlich fast ausschliesslich ein OTC-Markt. CDS-Vereinbarungen beziehen sich i.d.R. auf ein Bündel von Anleihen im Wert von 10 Mio. Euro. Die Notierung erfolgt in Basispunkten (bp). Die Basispunkte sind also wie Risikoprämie zu verstehen. Je höher die Notierung, desto höher das Risiko. Eine Notierung von 100 Basispunkten für einen CDS bedeutet eine jährliche Prämie von (0,01 x 10 Mio. Euro =) 100'000 Euro. Das heisst, dass die Investoren bereit sind, für das erhöhte Risiko eine Prämie von 1% zu zahlen.

Dienstag, 1. Juli 2008

Halbjahresperformance: S&P-500, Dow Jones und Dax

Der Standard & Poor’s 500 Aktien-Index hat in der ersten Jahreshälfte 12,8% eingebüsst. Juni markierte den schlechtesten Börsenmonat (-8,6%) seit 1930 (-16,5%). Auch der Dow Jones hat im ersten Halbjahr mit einem Wertverlust von 14,4% Federn lassen müssen. Verantwortlich für das widrige Marktumfeld ist die anhaltende Kreditmarktkrise. Der exorbitante Anstieg des Erdölpreises und die zunehmende Inflationsangst sorgten für zittrige Hände bei Investoren.






1. Halbjahr 2008
S&P-500-12,8%
Dow Jones-14,4%
Dax-20,4%
M-Dax-8,4%


Der DAX hat im ersten Halbjahr 20,4% verloren. Das führende deutsche Börsenbarometer hat noch nie in den ersten sechs Monaten des Jahres so schlecht abgeschnitten wie 2008. Die Aussicht auf konjunkturelle Abkühlung und höhere Zinsen hat die Kursentwicklung stark belastet. Von den im Dax erfassten 30 Werten haben 27 das erste Halbjahr im Minus abgeschlossen. Die besten Aktien sind: Thyssen Krupp (4%), Merck KgaA (4,8%) und VW (17,4%). Der Aktienkurs von Volkswagen war v.a. durch die Spekulationen auf eine Übernahme angetrieben worden. Zu den schlechten Aktien zählen: Deutsche Bank (-38,7%), Daimler (-41%), Deutsche Börse (-47,2%) und Hypo Real Estate (-50,5%). Im M-Dax, wo mittelgrosse Unternehmen kotiert sind, fällt der Düngemittelhersteller Kali + Salz mit einer Performance von 125% auf. K+S hat vom Nachfrage-Boom im Agrarsektor kräftig profitiert und dafür gesorgt, dass der Index der Nebenwerte sich etwas besser (-8,4%) geschlagen hat als der von Blue Chips. Zu den besten Aktien im M-Dax zählen ferner Kloeckner (+32,3%), Norddeutsche Affinerie (30%), SGL Carbon (+20,5%) und Salzgitter (+14,9%). Die schlechteste Aktie im M-Dax war Pro Sieben/Sat 1 mit Minus 61,1%.

SPAC: das neue Investmentvehikel nun auch in Deutschland

Der erste SPAC-Börsengang zeichnet sich jetzt in Deutschland ab. Strategieberater Roland Berger will laut Berichten von FAZ und SZ in den kommenden drei Wochen 275 Mio. Euro einsammeln. Ziel: Kauf eines deutschen mittelständischen Unternehmens. Die Aktien der SPAC sollen unter Führung der Deutschen Bank zunächst ohne operatives Geschäft unter dem Namen „Germany 1“ an der Börse Euronext in Amsterdam kotiert werden.

SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company. Es handelt sich dabei um Gesellschaftshüllen, die Kapital aufnehmen, um damit z.B. Familienunternehmen zu kaufen. An der Wall Street sprach man in den 1990er Jahren von Blank-Check Unternehmen, da Anleger am Anfang nicht wissen, wie das Geld investiert wird. SPACs haben das Mandat, mit dem eingesammelten Kapital in den nächsten 18 bis 24 Monaten eine grosse Akquisition zu tätigen. Ansonsten bekommen die Investoren ihr Geld zurück. Die SPACs funktionieren im Grunde genommen wie eine Private-Equitiy Firma für den Normalanleger. Das gab es in Deutschland bisher noch nie. In den Neunzigerjahren erregten die Blankoscheck Unternehmen jedoch über die amerikanische Presse in der Öffentlichkeit Aufsehen, da sie oft von Finanzbetrügern gegründet waren. Vor dem Hintergrund des widrigen Kapitalmarktumfelds und der anhaltenden Kreditkrise gewinnen die SPAC nun wieder an Attraktivität. Vorteil ist, dass die Unternehmensübernahmen unabhängig vom Kreditmarkt bewerkstelligt werden können. Die Performance für den Anleger fällt sehr unterschiedlich aus. Empirisch ist sie eher in der Anfangsphase zufriedenstellend.

Gemäss Marktforschungsunternehmen haben die SPACs in den USA seit 2003 rund 20 Mrd. Dollar von den Investoren eingesammelt. Allein im Vorjahr haben diese Akquisitionsvehikel 12 Mrd. Dollar an Kapital aufgenommen. In den USA kam es im ersten Quartal des laufenden Jahres zu 8 SPAC-Börsengängen (IPO) mit einem Gesamterlös von 3,1 Mrd. Dollar.