Wie schnell sich die Zeiten ändern. Einst lag der Ölmarkt an den Lippen von Ali Naimi, dem saudi-arabischen Ölminister. Was er sagte, löste eine Preisspirale nach oben oder nach unten aus. Nun hat aber Wall Street das Heft in die Hand genommen. Analysten verursachen mit ihren Researchs nicht nur eruptive Kursschwankungen, sondern beeinflussen auch den langfristigen Trend, wie Financial Times aus London bemerkt. Jetzt heisst einer der Herren, die den Markt bewegen, Arjun N. Murti. Der Rohstoffanalyst von Goldman Sachs aus New York hat vor rund einem Monat mit seiner Vorhersage, dass der Ölpreis in zwei Jahren auf 200 Dollar je Fass klettern könnte, Marktteilnehmer in Angst und Schrecken versetzt.
Der Ölpreis hat sich in den vergangenen 12 Monaten verdoppelt und der Preisanstieg setzt sich unerbitterlich fort. Die Entwicklung am Ölmarkt scheint sich zu verselbständigen. Ein Buch mit sieben Siegeln? Seit der Bekanntgabe der oben erwähnten Prognose ist der langfristige Ölpreis 2 ½ mal stärkter gestiegen als der Spotpreis. Das bedeutet ein Bruch mit der Vergangenheit. Denn die Preisentwicklung am langen Ende ging bisher fast harmonisch mit der am kurzen Ende einher. Das wirft daher die Frage auf, ob Spekulationen den Ölpreis so hoch treiben. Da der Ölpreis zur Lieferung in zwölf Monaten höher liegt als der aktuelle, hat die Forwardkurve eine steigende Neigung. Die Situation wird im Fachjargon als „Contango“ bezeichnet. Das heisst, hier gibt es keine Rollgewinne. Nur wenn der Terminpreis günstiger ist als der Spotpreis (d.h. der aktuell zu bezahlende Preis), verdient der Investor mit dem Verlängern der Kontrakte in die nächstlängere Laufzeit („rollen“ genannt) eine Rendite. Das heisst, die Kurve fällt. Dieser Fall wird als „Backwardation“ beschrieben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Standpunkt der Analysten, die in zwei Jahren einen deutlich höheren Ölpreis vorhersagen. Sie vertreten nämlich die Meinung, dass der Ölpreisanstieg nicht von Spekulanten ausgelöst wird. Sehr interessant ist andererseits, zu beobachten, dass die „Open-interest“-Positionen (d.h. Future-Kontrakte, die nicht geschlossen sind) am Öl-Futuremarkt in den vergangenen Tagen zurückgegangen sind. Das deutet darauf hin, dass eine Mehrzahl von Investoren ihre offene Positionen schliesst, da sie nicht mit einem Preisrückgang am langen Ende rechnet. Was sind also die Faktoren, die den Ölpreis treiben? Fundamentaldaten. In erster Linie die zunehmende Nachfrage, v.a. aus China und Indien. Dann der politische Faktor: die Frage der Unsicherheit im Nahost und in Nigeria. Klar ist ferner, dass aufgrund der sehr niedrigen Zinsen bzw. negativer Realzinsen viel Geld in die Rohstoffmärkte fliesst. Es handelt sich dabei m.a.W. um Portfolioumschichtungen. Zum Teil als Schutz vor der Inflationsgefahr und zum Teil als Absicherung gegen die Dollar-Abwertung. Sollten aber Spekulanten einen erheblichen Anteil am Preisanstieg haben, müssten die Vorräte steigen. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Lager sind nicht gestiegen.
Fazit: Der Rohstoff Öl wird entweder verbraucht oder eingelagert. Öl ist kein Anlageobjekt. Jetzt ist daher endlich Energiesparen angesagt.
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