Mittwoch, 14. Juli 2010

Inflation oder Deflation?

Mark Thoma erklärt in einem lesenswerten Essay („Should You Be Worried About Inflation? What About Deflation“) in cbs money watch, warum er wegen eines Ausbruchs der Inflation relativ unbesorgt ist, wenn für die Fed die Zeit kommt, die Stimulus-Massnahmen rückgängig zu machen. Inflation und Deflation sind mit dem Geldangebot in der Wirtschaft verwandt, sodass „wir mit Blick auf das Geldangebot inflationäre und deflationäre Tendenzen erkennen können“, erklärt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor. Die Gleichung für das Geldangebot lautet:

Ms = (Multiplikator) (monetäre Basis)
oder mehr kompakt
Ms = (mult) (MB)

Thoma merkt an, dass er sich auf die Geldmenge M2 konzentriert, welche mit der wirtschaftlichen Aktivität viel mehr korreliert als die enger gefasste M1. Um das Geldangebot zu kontrollieren, nimmt die Fed den Multiplikator als gegeben. Dann setzt sie die monetäre Basis (MB) auf dem gewünschten Niveau ein. Die Fed kann die MB, wenn auch nicht perfekt, ziemlich gut kontrollieren. Die MB besteht aus zwei Teilen: (a) der Notenumlauf und (b) die Einlagen der Banken bei der Fed, wobei die Fed den Notenumlauf genau genug kontrollieren und das Angebot je nach öffentlichen Bedürfnissen anpassen kann.

Die Einlagen der Banken können erzeugt werden, (1) durch Offenmarktgeschäfte und (2) durch Diskontdarlehen. Die Fed steuert jedoch nur das eine dieser Instrumente direkt und es ist die wichtigste Quelle der Unsicherheit, was die Kontrolle der Geldmenge betrifft. Während die Fed Offenmarktgeschäfte steuern kann, können Bankreserven durch „discount loans“ nur geschätzt werden und diese Schätzung kann fehlschlagen. Die Anzahl der Banken, die nach einem Darlehen fragen, ist an einem bestimmten Tag nicht im Voraus bekannt. Die Unsicherheit ist aber nicht sehr gross. Deshalb fährt Thoma so fort, als ob die MB perfekt beherrscht würde. Die Bankreserven und die MB sind, nach dem die Fed zur Bekämpfung der Finanzkrise Liquidität in das System gepumpt hat, wesentlich gestiegen. Die Geldmenge hat hingegen nicht so stark zugenommen. Wie kommt das? Weil der Geldmultiplikator für M2 von der Menge an Überschussreserven abhängt. Die Bankreserven liegen über den Mindestreserveanforderungen. Der Multiplikator fällt, wenn die Überschussreserven steigen. Der dramatische Anstieg der Reserven der Banken während der Krise hat zu einem deutlichen Rückfall des Multiplikators geführt; genug, um den Anstieg der MB zu kompensieren. Als Ergebnis davon ist die Menge des in der Wirtschaft zirkulierenden Geldes relativ konstant geblieben.


Warum sind manche Leute besorgt über einen Ausbruch der Inflation?

Erholt sich die Wirtschaft, werden die Banken beginnen, ihre überschüssigen Reserven als Darlehen zu vergeben. Wenn die Überschussreserven fallen, dann wird der Anstieg des Multiplikators die Geldmenge steigen lassen.

Was kann aber die Fed tun, um die Inflation zu verhindern?

Es gibt zwei Wege: (I) Steigt der Multiplikator, kann die MB reduziert werden, sodass das Geldangebot nicht mit einem übermässigen Tempo klettert. Die Fed muss aber die staatlichen und privaten Anleihen, die sie gekauft hat, verkaufen. Die Fed dürfte jedoch die MB nicht schnell genug reduzieren. Es gibt ein zweites Instrument, welches die Fed gebrauchen kann: Die Zinsen (II), die die Fed für die Bankeinlagen zahlt. Das gibt der Fed die Macht, die sie vorher nicht hatte, die Grösse des Geldmultiplikators zu beeinflussen. Wie kann sie das tun? Wenn sich die Wirtschaft erholt, werden die Banken mehr Kredite vergeben wollen. Tun sie dies, werden sich die Überschussreserven verringern. Der Geldmultiplikator wird zulegen. Die Geldmenge wird steigen. Das wird Inflationsdruck erzeugen. Die Fed könnte die Verzinsung der Bankeinlagen auf so ein Niveau anheben, dass die Banken mehr Geld verdienen als wenn sie Kredit gewähren würden. In diesem Fall würden die Banken keinen Anreiz haben, einen Teil der überschüssigen Reserven als Kredit zu verleihen. Der Inflationsdruck würde damit verhindert. Der Anreiz, neue Kredite zu machen, hängt aber vom Spread ab, zwischen dem, was die Banken verdienen, wenn sie ihre Überschussreserven als Kredit vergeben, und dem, was die Banken verdienen, wenn sie ihre Überschussreserven bei der Fed behalten. Thoma glaubt aber, dass die Fed, wenn die Wirtschaft sich erholt, mit dem Einsatz von herkömmlichen Offenmarktgeschäften die MB durch Verzinsung der Bankeinlagen reduzieren kann, indem sie einen Anstieg des Geldmultiplikators verhindert und den Inflationsdruck unter Kontrolle hält. Thoma’s Sorgen betreffen Deflation. Ist die Deflation der Fall, ist genau das Gegenteil zu tun, was oben zur Bekämpfung des Inflationsdrucks beschrieben wurde. Das heisst, dass die Verzinsung für die Bankeinlagen verringert werden muss oder sogar eine Strafgebühr darauf verhängt werden kann, damit die Banken gezwungen werden, mehr Kredite zu gewähren. Thoma ist überzeugt, dass die Anreize v.a. aus der Nachfrage-Seite kommen müssen. Wie gesagt dürfte die Erhöhung des Geldangebots durch die Ausdehnung der MB nicht funktionieren. Auch eine Sanktionierung der Banken wegen Überschussreserven würde die Kredit-Aktivität kaum auf den Vordermann bringen. Wenn allerdings die Banken solide Unternehmen mit Investitionsmöglichkeiten kommen sehen, welche nach Kredit fragen, dann werden sie welche gewähren. Der Schlüssel, um neue Kredite zu generieren, ist also Nachfrage. Zusätzliche fiskalpolitische Ausgaben, Steuervergünstigungen für Investitionen und andere traditionelle nachfrageseitige Mechanismen könnten bei der Verwirklichung der Ziele sehr hilfreich sein, so Thoma. Der Autor hat wenig Zweifel, dass die Fed den Willen und die Mittel hat, die Inflation unter Kontrolle zu halten. Was für Thoma weniger klar ist, ob die Fed den Willen und die Mittel hat, „deflationäre Tendenzen“ zu bekämpfen, „mit denen wir jetzt konfrontiert sind“. Es wird schwierig sein, durch nur die Angebotsseite neue Kreditnachfrage zu generieren, schlussfolgert Thoma.

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