Freitag, 23. Juli 2010

EZB: Von allen guten Geistern verlassen

Angelehnt auf den Titel des Buches „Lord of Finance“ von Liaquat Ahamed macht Paul Krugman auf die „Lord of Finance: Die nächste Generation“ aufmerksam: Die Männer, die geholfen haben, die Finanzkrise von 2008 in ein verlorenes Jahrzehnt der hohen Arbeitslosigkeit und der Deflation zu drehen. Und Jean-Claude Trichet wird sich eindeutig unter den wichtigsten Protagonisten befinden. Seine Kolumne in FT von heute ist beinahe eine Karikatur des Austerity-Genres, bemerkt Krugman in seinem Blog. Trichet’s Erklärung, warum wir die unsichtbaren „Bond Vigilantes“ befürchten müssen, wäre eigentlich ganz lustig, wenn die Folgen davon nicht so schwerwiegend wären, argumentiert der Nobelpreisträger zu Recht. Welche Beweise liefert Trichet? Keine, weil die Realität ist, dass die Anleihemärkte überhaupt nicht besorgt sind. Welches Modell meint Trichet? Keines, abgesehen von einem vagen Hinweis auf ein „nicht-lineares Phänomen“ (non-linear phenomena), was keines ist.


Europa’s Produktionslücke, Graph: Prof. Paul Krugman

Krugman kann es nicht fassen, ob er zu viel hinein interpretiert, was Trichet schreibt. Der EZB-Chef behauptet nämlich, dass fiskalpolitische Sparmassnahmen tatsächlich expansiv seien.

Wenn man Jean-Claude Trichet und anderen zuhört, könnte man den Eindruck bekommen, dass Europa sich auf dem Weg aus der Krise befindet, hält der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor fest. Krugman wirft daher einen Blick auf die tatsächlichen Zahlen (Eurostat) und stellt die folgende Abbildung zusammen. Der Anfangspunkt (Basis=100) ist das IV. Quartal 2007, als es Europa einigermassen gut ging, aber sicherlich keine inflationäre Überhitzung erlebte. Krugman geht dabei von einem jährlichen Potenzialwachstum (potenzieller Output) von 2,0% aus: Eine ziemlich konservative Annahme, auch für Europa. Das Ergebnis ist eine riesige Lücke zwischen einer vernünftigen Schätzung des Produktionspotenzials und der tatsächlichen Produktion (Output). Selbst wenn man glaubt, dass das Wachstum, welches Europa im ersten Quartal aufwies, sich fortsetzt, würde es Jahre dauern, bis die Lücke geschlossen ist, so Krugman. Der einzige Weg, Nichts-Tun zu rechtfertigen, wäre, anzunehmen, dass das Produktionspotenzial sich durch die Krise reduziert hat. Dann müsste man aber Tag und Nacht arbeiten, um den Abschwung umzukehren, schlussfolgert Krugman: Die Idee, dass die Politik genug getan habe, ist einfach wahnsinnig.

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